Das Problem, dass sich bei den regelmässig aufflammenden Diskussionen zum Thema "Der Tone" auftut, ist nach wie vor die Definition, worüber man eigentlich redet.
- Entweder unterhalten wir uns über Naturwissenschaften und allgemeingültige Fakten
- oder über Kunst und individuelle Bewertungen.
Beides klappt nicht. Beide Sichtweisen sind nicht miteinander vereinbar.
Die physikalische Seite ist klar beschreibbar: Da ist ein Ton einfach eine Welle im hörbaren Bereich. Mit einem Beginn und einem Ende, einer Frequenz und einer Amplitude. Im Falle eines Gitarrentons haben wir es hier mit einem Bündel von sich überlagernden Schwingungen und Obertönen zu tun, aber die sind auch alle messbar. Ein Oszillograph hat auch keine Meinung und keinen Geschmack, der stellt einfach dar, was passiert.
Die Biologische Seite wird schon problematischer: Das Gehör ist ein Organ, das erstens sehr empfindlich ist, zweitens geschult werden kann (!!), drittens sich im Laufe eines Lebens drastisch ändert und viertens bei jedem Menschen individuell anders ist. Und es ist halt ein Wahrnehmungsorgan und erzeugt unweigerlich subjektive Ergebnisse. Weil der Mensch nun mal bewertet und deutet, was er wahrnimmt.
Er macht nämlich durchaus Unterschiede zwischen "schönen" und "unangenehmen" Tönen, "passenden" und "unharmonischen". Er trifft eine Auswahl, die auf Faktoren beruht, die nicht in den Bereich der Physik einzuordnen sind. Und schon betreten wir den Bereich der Psychologie...hier wir das Eis rutschig: gibt es evolutionsbiologische oder unterbewusste oder von persönlicher Erfahrung oder sozial geprägte Zusammenhänge? Dieser Auswahlprozess ist aber entscheidend, wenn ich nach "Dem Tone" suche.
Für einen Musiker als Künstler ist es wichtig, Töne so zu erzeugen und zu bearbeiten, dass sie bei einem dafür empfänglichen (!) Zuhörer eine wie auch immer geartete Reaktion erzeugen. Musik ist Kommunikation (gell, Hanno?
). Mit all den Fallstricken, Irrwegen und Hindernissen, die Kommunikation nun mal mit sich bringt.
Und zwischen "Kunst" und "Handwerk" gibt es nun mal diesen kleinen Unterschied, dass Kunst ein "letztes Geheimnis" hat. Die eine Komponente, die vom Konsumenten als "inspirierend", "anregend", "appealing" empfunden wird, die Gänsehaut auslöst und einen beschleunigten Puls oder Verblüffung, Faszination, Bewunderung - sogar mit eigentlich "abstossenden, hässlichen unangenehmen" Mitteln kann das erreicht werden. Meinetwegen nennt es "Seele" oder "göttlichen Funken". Dieser Anteil ist aber weder berechenbar noch hinreichend beschreibbar, weder verbal noch mathematisch. Aber er ist vorhanden und er ist entscheidend.
Wer diese Art von "Tone" sucht, wird ihn in sich selbst finden. Völlig unabhängig von Equipment, Stil oder Spieltechnik. Wer aber über die Physik systematisch einen "Tone" sucht, mit dem er einfach zufrieden (Was heisst das?) sein kann und der musikalisch verwertbar ist (Wer bewertet das nach welchen Kriterien?), der muss sich wohl oder übel mit jeder Einzelheit seiner Spieltechnik und seines Equipments auseinandersetzen. Ich muss mir bewusst werden, welche Optionen ich überhaupt habe und sowohl die Physik als auch meine biologischen Gegebenheiten und Fähigkeiten als auch mein psychologisches "setting" in Einklang bringen. Das ist etwas anderes als "optimieren". Denn: wer entscheidet, was als "Optimum" anzusehen ist?
Das alles braucht sehr viel Zeit und während dieser Zeit entwickelt man sich selbst und die zur Verfügung stehende Technik schon wieder weiter. Man darf vielleicht nicht erwarten, irgendwann als "Ziel" zu einem "Zustand" zu kommen, der "mein Tone" ist, sondern muss sich vielleicht auf einen "Weg" machen, einen "Prozess" abzustimmen. Letztlich landen wir hier in einem ziemlich chaotischen Netzwerk, in dem jede Komponente jede andere beeinflusst und dann sollte man die Demut und die Offenheit haben, das Ergebnis hinzunehmen.
Und ich habe den festen Glauben: wenn man erst mal soweit ist, ist auch der "Tone" da.