bagotrix
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Hi,
ein Thread zum Austausch von Original Floyd Rose-Trems gegen billigere Modelle bei LTD hat mich gerade zum Nachdenken gebracht - ich denke nämlich auch, dass die Qualität von Gitarren zuletzt generell ein wenig absackt. Insgesamt habe ich den Eindruck, im (durchaus normalen) Auf und Ab bestimmter Segmente in einer Marktwirtschaft geht es in Sachen Gitarren wieder etwas abwärts. Bin mal gespannt, ob Ihr die Sache ähnlich seht.
In großen Zyklen gesprochen:
- In den Fünfzigern kamen die Erfinder, also Gibson, Fender, Gretsch. Die wollten erst einmal ein gutes Produkt bauen, und genau genommen weiß man in der Phase noch nichts über Einsparmöglichkeiten und baut erst mal das, was nach technischen Gesichtspunkten gut funktioniert. Hinsichtlich der Ressouren konnte man aus dem Vollen schöpfen. Die Qualität der Produkte sieht man auch daran, wie viele Gitarren aus dieser Zeit auch heute noch begehrt sind, und zwar nicht nur zum Anschauen, sondern vor allem zum Spielen.
- Mitte bis Ende der Sechziger kam die billige Konkurrenz auf, die Kopierer. Die Erfinder blieben erstmal auf dem hohen Ross. Gegen Ende des Jahrzehnts ließ sich nicht mehr übersehen, dass die anderen aufgeholt hatten, man hat billiger gebaut, um wieder konkurrenzfähig zu werden (was immer die erste Antwort der Betriebswirtschaftler zu sein scheint ).
- In den Siebzigern wurden die teuren Marken immer schlechter und die billigen immer besser, bis sie irgendwann Mittelklasse und Mainstream waren, siehe Ibanez. Es folgten wieder billige Kopierer aus billigeren Ländern mit schlechterer Qualität. Resultat: die durchschnittliche Qualität sank, es gab nur wenig richtig gutes Zeug. Ende der Siebziger bauten die Ex-Kopierer bessere Qualität als die Erfinder nach ihrem Ausverkauf.
- In den Achtzigern begannen die Erfinder mit dem Neuaufbau, teils auf Ruinen. Gleichzeitig kamen neue Qualitätshersteller dazu, die in Kleinserie bauten und das verwaiste Segment der Topqualität abdeckten. Die inzwischen marktführenden Marken der Ex-Kopierer-Szene orientierten sich zunehmend nach oben. Die durchschnittliche Qualität auf dem Markt stieg deutlich an.
- Anfang der Achtziger und dann in den Neunzigern gesundeten die Erfinder, indem sie wieder von Leuten geführt wurden, denen das Produkt wichtig war und nicht nur die Marge. Die Mittelklasse kam ein wenig in Schwierigkeiten, weil die zweite Generation der Kopierer (insbesondere die Koreaner) aufgeholt hatte, billiger war und den neuen Mainstream kopierte. Die Kleinserienhersteller wuchsen teils auch heran (PRS!), was den Druck auf die Produktqualität der Großen förderte. Gleichzeitig wurden auch billige Gitarren immer besser. Meiner Meinung nach war gegen Ende dieser Zeit ein Höhepunkt der Produktqualität erreicht.
- Aktuell, also etwa in den letzten zehn Jahren sind die ehemaligen Erfinder satt geworden, haben ihre Präsenz nach oben und unten ausgebaut, was sowohl die Customhersteller, als auch die Mittelklässler und die Billigmarken unter Druck setzt. Dazu kommt, dass der Geschmack der Käufer sich immer mehr den traditionellen Formen und Sounds zugewandt hat, mit Ausnahme der Metal-Szene. Für Ibanez & Co. wird der Wind rauher. Die Tendenz der Qualität sinkt im Durchschnitt wieder etwas ab, wie mir scheint, da die Mittelklasse zunehmend knapp bei Kasse ist und sich die großen Hersteller wieder etwas auf ihren Lorbeeren ausruhen können (wobei mir der Effekt bei Fender weniger stark zu sein scheint als bei Gibson).
Die Hersteller aus dem mittleren Marktsegment müssen sparen, weil die Kassen eher leer sind und sie gegen Fender und Gibson vor allem über den Preis konkurrieren müssen. Die wiederum können sparen, weil die Leute ihre Gitarren auch so kaufen. Zunehmende Probleme mit der Beschaffung traditioneller Rohstoffe kommen dazu - ich hoffe, die Delle in der Qualitätsentwicklung vertieft sich nicht. Immerhin hat sich die Qualität im untersten Segment für Einsteiger aus meiner Sicht stabilisiert. So richtig miese Instrumente gibt es immer weniger.
Mein kurzfristiger Ausblick: Die großen Namen sind so etabliert und die Markenhörigkeit gerade da so groß, dass ein Ausweichen nach oben für die Mittelklasse sehr schwierig ist. ESP versucht es ja jetzt anscheinend, indem die Trennung zwischen Custom-Herstellung (ESP) und Massenmarkt (LTD) vertieft werden soll. Bei Ibanez scheints mir ähnlich zu laufen, das Sortiment ist zuletzt kleiner geworden und die Modellpolitik erscheint mir manchmal ein bisschen planlos. Bin mal gespannt, ob zukünftig wieder neue Namen auftauchen, PRS ist ja inzwischen auch bei den Großen und hat ein weiteres Marktsegment dazugenommen.
Gruß, bagotrix
ein Thread zum Austausch von Original Floyd Rose-Trems gegen billigere Modelle bei LTD hat mich gerade zum Nachdenken gebracht - ich denke nämlich auch, dass die Qualität von Gitarren zuletzt generell ein wenig absackt. Insgesamt habe ich den Eindruck, im (durchaus normalen) Auf und Ab bestimmter Segmente in einer Marktwirtschaft geht es in Sachen Gitarren wieder etwas abwärts. Bin mal gespannt, ob Ihr die Sache ähnlich seht.
In großen Zyklen gesprochen:
- In den Fünfzigern kamen die Erfinder, also Gibson, Fender, Gretsch. Die wollten erst einmal ein gutes Produkt bauen, und genau genommen weiß man in der Phase noch nichts über Einsparmöglichkeiten und baut erst mal das, was nach technischen Gesichtspunkten gut funktioniert. Hinsichtlich der Ressouren konnte man aus dem Vollen schöpfen. Die Qualität der Produkte sieht man auch daran, wie viele Gitarren aus dieser Zeit auch heute noch begehrt sind, und zwar nicht nur zum Anschauen, sondern vor allem zum Spielen.
- Mitte bis Ende der Sechziger kam die billige Konkurrenz auf, die Kopierer. Die Erfinder blieben erstmal auf dem hohen Ross. Gegen Ende des Jahrzehnts ließ sich nicht mehr übersehen, dass die anderen aufgeholt hatten, man hat billiger gebaut, um wieder konkurrenzfähig zu werden (was immer die erste Antwort der Betriebswirtschaftler zu sein scheint ).
- In den Siebzigern wurden die teuren Marken immer schlechter und die billigen immer besser, bis sie irgendwann Mittelklasse und Mainstream waren, siehe Ibanez. Es folgten wieder billige Kopierer aus billigeren Ländern mit schlechterer Qualität. Resultat: die durchschnittliche Qualität sank, es gab nur wenig richtig gutes Zeug. Ende der Siebziger bauten die Ex-Kopierer bessere Qualität als die Erfinder nach ihrem Ausverkauf.
- In den Achtzigern begannen die Erfinder mit dem Neuaufbau, teils auf Ruinen. Gleichzeitig kamen neue Qualitätshersteller dazu, die in Kleinserie bauten und das verwaiste Segment der Topqualität abdeckten. Die inzwischen marktführenden Marken der Ex-Kopierer-Szene orientierten sich zunehmend nach oben. Die durchschnittliche Qualität auf dem Markt stieg deutlich an.
- Anfang der Achtziger und dann in den Neunzigern gesundeten die Erfinder, indem sie wieder von Leuten geführt wurden, denen das Produkt wichtig war und nicht nur die Marge. Die Mittelklasse kam ein wenig in Schwierigkeiten, weil die zweite Generation der Kopierer (insbesondere die Koreaner) aufgeholt hatte, billiger war und den neuen Mainstream kopierte. Die Kleinserienhersteller wuchsen teils auch heran (PRS!), was den Druck auf die Produktqualität der Großen förderte. Gleichzeitig wurden auch billige Gitarren immer besser. Meiner Meinung nach war gegen Ende dieser Zeit ein Höhepunkt der Produktqualität erreicht.
- Aktuell, also etwa in den letzten zehn Jahren sind die ehemaligen Erfinder satt geworden, haben ihre Präsenz nach oben und unten ausgebaut, was sowohl die Customhersteller, als auch die Mittelklässler und die Billigmarken unter Druck setzt. Dazu kommt, dass der Geschmack der Käufer sich immer mehr den traditionellen Formen und Sounds zugewandt hat, mit Ausnahme der Metal-Szene. Für Ibanez & Co. wird der Wind rauher. Die Tendenz der Qualität sinkt im Durchschnitt wieder etwas ab, wie mir scheint, da die Mittelklasse zunehmend knapp bei Kasse ist und sich die großen Hersteller wieder etwas auf ihren Lorbeeren ausruhen können (wobei mir der Effekt bei Fender weniger stark zu sein scheint als bei Gibson).
Die Hersteller aus dem mittleren Marktsegment müssen sparen, weil die Kassen eher leer sind und sie gegen Fender und Gibson vor allem über den Preis konkurrieren müssen. Die wiederum können sparen, weil die Leute ihre Gitarren auch so kaufen. Zunehmende Probleme mit der Beschaffung traditioneller Rohstoffe kommen dazu - ich hoffe, die Delle in der Qualitätsentwicklung vertieft sich nicht. Immerhin hat sich die Qualität im untersten Segment für Einsteiger aus meiner Sicht stabilisiert. So richtig miese Instrumente gibt es immer weniger.
Mein kurzfristiger Ausblick: Die großen Namen sind so etabliert und die Markenhörigkeit gerade da so groß, dass ein Ausweichen nach oben für die Mittelklasse sehr schwierig ist. ESP versucht es ja jetzt anscheinend, indem die Trennung zwischen Custom-Herstellung (ESP) und Massenmarkt (LTD) vertieft werden soll. Bei Ibanez scheints mir ähnlich zu laufen, das Sortiment ist zuletzt kleiner geworden und die Modellpolitik erscheint mir manchmal ein bisschen planlos. Bin mal gespannt, ob zukünftig wieder neue Namen auftauchen, PRS ist ja inzwischen auch bei den Großen und hat ein weiteres Marktsegment dazugenommen.
Gruß, bagotrix
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