Ich musste jetzt da ein bisschen länger drüber nachdenken und bin mir nicht sicher, das ich da eine befriedigende Antwort habe. Manchmal bin ich mir nämlich selbst ein bisschen unschlüssig und bemerke so gewisse Phasen wo ich mal mehr zu alten Schätzchen und mal mehr zu Neuware tendiere. Ich fokussiere mich im Kern außerdem auch auf das Thema Superstrat weil manches bei Les Pauls z.B. komplett anders zu betrachten wäre.
@dingens2k ich möchte gerne mal deine Meinung wissen bezüglich neuer Gitarren.
Ich meine, so wie ich das mitbekommen habe, hast du viele der gesuchten 80er 90er Metal Gitarren und auch ein Paar neue so wie welche von bc rich.
Wie ist es für dich?
Kannst du sagen das an den neuen Gitarren etwas besser gemacht bzw gelöst ist?
Mir kommt da wenig in den Sinn, außer der Geburt der Superstrat. Da liegt aber die Linie zwischen Alt und Neu schon irgendwo in den 1980ern. Es gab damals aber eine kurze Zeitspanne wo Superstrats oder andere gehypte Instrumente sich ein bisschen mehr am LP-Style orientierten als notwendig. Das muss man mögen, wenn zum Beispiel eine Hamer Steve Stevens einen eingeleimten und in Wagenfarbe lackierten Hals hat. Die eher an der klassischen Strat orientierten Modelle von Charvel, Ibanez, auch Hamer oder ESP mit Bolt-On Necks sind konstruktiv nicht wesentlich anders als die Gitarren von heute.
Weil die Gitarristen halt an ihren Traditionen festhalten hat sich an der Konstruktion nicht viel geändert. ESP ist von den bekannten Marken wohl noch die, die den krassesten Wandel vollzogen hat. Die klassischen Modelle aus den 1980ern waren wie bei Jackson, Charvel und Co. Bolt-On Modelle. Ich glaube, in der aktuellen Standard-Linie (ESP E-II) tut man sich schwer sowas zu finden, da die meisten Gitarren inzwischen Neck-Through sind.
Ok Lack evtl. wobei, wurde es früher besser lackiert?
Das würde ich nicht behaupten, denn gerade bei den alten Gitarren zeigen sich da diverse Probleme, die sich durch den Alterungsprozess ergeben/verstärkt haben.
Bei manchen Gitarren neigt der Lack dazu rissig zu werden, z.B. alte Hamer Superstrats haben gerne mal feine Risse entlang der Maserung im Lack, allerdings ist das auch nicht bei allen Gitarren der Fall. Könnte ein Thema der Lagerung bzw. der Nutzung z.B. durch schnellere Temperaturschwankungen beim Live-Einsatz sein.
Dann sehe ich bei anderen Herstellern wiederum Probleme bei Gitarren mit graphischen Designs wie Snakeskin. Bei Lag neigen die Tops rissig zu werden und ich vermute hier, das damals nicht jede einzelne Gitarre per Airbrush lackiert sondern eher ein Aufkleber oder Veneer mit dem Muster verwendet wurde.
Das nur mal als zwei konkrete Problemfälle, die über die Kratzer und Macken der Benutzung hinausgehen. Dazu kommt natürlich noch der Gilb aus der natürlichen Alterung des Lacks unter Sonnenlicht. Das fällt einem dann immer besonders auf, wenn man mal ein Poti tauscht oder die Ränder im E-Fach sieht. Scheint oft eher ein Thema von verfärbtem Klarlack zu sein, denn manchmal wird das durch Polieren der Oberfläche wieder deutlich besser.
Gibt es auch Gurken aus dem oberem Segment bei den alten Gitarren wo es den Hals verzogen hat oder sonst was?
Tatsächlich ist die Quote da bei den bekannten Marken ziemlich gut, mir fällt jetzt kein Beispiel ein wo die Gitarre nicht mit normalem Aufwand wieder vernünftig einstellbar gewesen wäre (das Setup der Vorbesitzer ist allerdings manchmal grausig).
Doch, ein Beispiel habe ich: Hohner SR Heavy, die hat Probleme mit dem von Hohner verbauten Tremolo. Das ist aber, wenn ich das richtig sehe, bei Hohner ein verbreitetes Problem und keines spezifisch dieser Gitarre. Eigentlich schade, denn die gefällt mir optisch ziemlich gut.
Gab es früher die gleichen Probleme mit nicht genug getrocknetem Holz, scharfe Bundstabkanten, schlechte Intonierung oder sonst was?
Mit Sicherheit gab es das auch, ich habe aber keine alte Gitarre in der Hand gehabt wo das ein wirkliches Problem gewesen wäre. Ist aber bei neuen Gitarren ähnlich.
Was würdest du generell zu dem Thema alte teure Gitarren gegen neue teure Gitarren sagen?
Egal ob alt oder neu, ab einem bestimmten "Investment" würde ich das Objekt der Begierde immer im Laden oder beim Verkäufer antesten wollen. Fotos und Beschreibungen, Youtube-Reviews oder Meinungen hier im Forum sind als Indiz immer ganz gut, aber kaum was ersetzt den persönlichen Eindruck - insbesondere beim Kauf von gebrauchten Gitarren im privaten Bereich. Bei gebrauchten Gitarren geht es vielleicht eher um versteckte Mängel, bei Neuware um Qualitätsmängel oder auch feine Nuancen zwischen einzelnen Gitarren.
Du glaubst nicht, wie oft man bei auf dem Papier baugleichen Gitarren unter 2-3 gleichen eine herausfindet, die einen besonders anspricht. Das ist dann oft auch nichts was man in 2-3 Stunden anspielen herausfindet, sondern ich hab meistens nach 2-3 Minuten einen klaren Favouriten. Das ändert sich dann meistens auch nicht mehr, wenn bei der anderen Gitarre nochmal am Setup nachgearbeitet wird oder so.
Das ist der Vorteil beim Kauf von neuen Gitarren. Man kann halt so langer herumprobieren bis es bei einer WHAM! (sic!) macht. Bei den alten Gitarren muss man sich mangels Vergleichsmöglichkeit auf das Bauchgefühl verlassen.
Können denn die alten Gitarren noch an die neuen dran oder ist das nur eine Nostalgiefrage?
Nostalgie spielt natürlich eine Rolle. Wenn ich meine Charvel Model 3DR in Rainbow Crackle in die Hand nehme, dann stellt das für mich einen harten Bezug die meinen Traumgitarren her, die ich als Kind/Jugendlicher in den späten 1980ern hatte.
Bei den alten Gitarren muss man halt mit den alterungsbedingten Mängeln leben und sie gegebenenfalls reparieren (lassen), falls möglich. Gerade die Elektronik oder auch mechanische Teile wie das Tremolo können über die Jahre durch Korrosion und/oder mangelnde Pflege Schäden genommen haben. Da muss man im Zweifelsfall nochmal ran.
Wenn technisch alles in Ordnung gebracht ist und die Gitarre ordentlich eingestellt wurde, dann muss sich so eine alte Superstrat nicht verstecken vor neuen Gitarren. Sie sind aber jetzt auch nicht irgendwie auf magische Weise um Welten besser als neue Instrumente von vernünftiger Güte.
Vielleicht ist es auch eine Sache der Nachhaltigkeit zumindest hochwertigen Instrumenten aus vergangener Zeit nochmal eine zweite "Chance" zu geben.