Die Geschichte mit Jimmy Pages Tele ist zwar schön angespitzt formuliert, aber sagt natürlich nichts darüber aus, ob genau dieser Sound mit seiner Les Paul überhaupt zu erzeugen wäre. Und schon gar nicht darüber, ob die Leute, die wegen der ersten Led Zeppelin-Scheibe eine Les Paul gekauft haben, nicht deutlich weniger glücklich damit wurden als die (meiner Meinung nach inzwischen deutlich zahlreicheren) Gitarristen, die das wegen Slash oder Gary Moore taten.
Es spricht ja schon mal Bände, dass Page selbst seine Paulas mit umfangreichen Schaltungsvarianten modifiziert hat, um sich den Sounds seiner zahlreichen anderen Gitarren aus den Studioaufnahmen anzunähern. Das geht natürlich, das will ich auch gar nicht bestreiten, aber auch das ist mMn nicht der Punkt.
Die oben schon von @'76RatRod zitierte Nachfrage von @milamatik bestätigt für mich leider die Tendenz der Zollner-Fans, sachlich vorgebrachte Argumente erst gar nicht mehr zu lesen, geschweige denn darauf einzugehen. Da schreibt man, dass man an einer Strat ausschließlich den Body gewechselt hat und sich der Sound nur dadurch tiefgreifend geändert hat, ohne dass man das überhaupt angestrebt hatte - und dann wird erstere Aussage schlichtweg ignoriert (oder schlimmstenfalls sogar unterstellt, dass die unwahr sei).
Also noch mal genauer: Woraus ich schließe, dass das Holz des Bodies schuld war, dass der Sound dieser Strat total aus den Fugen geriet?
1. Weil ich bis hin zur letzten Schraube absolut NICHTS anderes geändert habe.
2. Weil man bei einer Strat die Pickups nicht mal unabsichtlich verstellen kann, wenn man das Schlagbrett einfach auf einen anderen Body schraubt.
3. Weil die auch nicht unwichtige Tremolobefestigung schwebend durch Rillenschrauben á la PRS erfolgte, unterschiedlicher Andruck der Bridge also als Ursache ausfällt.
4. Weil ich den Body aus der gleichen Holzsorte, nur in einer anderen Farbe bestellt hatte, und eine Soundänderung gerade NICHT beabsichtigt oder auch nur befürchtet hatte.
5. Weil Halswinkel und Korpusfräsung so exakt gleich waren, dass weder Saitenlage noch Oktavreinheit nachgestellt werden mussten.
6. Weil sich der Sound auch nach Wochen nicht besserte und ich danach (!) begann, an allen möglichen Schrauben und Einstellungenzu drehen, um es noch hinzubiegen.
Und weil das erfolglos war, kam ich zu dem Schluss: sind alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft, bleibt als Ursache halt nur das Holz übrig. Zum Glück hatte ich den optisch in Ungnade gefallenen Body in 2 Tone Sunburst noch, also habe ich den wunderschönen Korpus in Candy Apple Red vertickt und den alten wieder hingebaut. und so komme ich abschließend zu:
7. Weil ich danach alles andere wieder komplett auf den alten Body umgebaut habe, und der Sound sofort wieder "eingerastet" ist wie vorher.
Soviel auch zu den ach so riesigen Unterschieden jeder etwas verstellten kleinen Schraube. Ja, da kann man auch Details ändern (z.B. können zu fest angezogene Halshalteschrauben durchaus negativ wirken), aber nichts hat auch nur im Entferntesten einen Unterschied ausgemacht wie der andere Korpus. Bis heute ist das übrigens meine liebste richtige Strat geblieben, inzwischen aber mit anderem Hals aus geröstetem Ahorn, was auch wieder anders klingt - aber das ist eine andere Geschichte.
Ich weiß natürlich, dass diese Aussagen ziemlich fruchtlos sind, weil die wahren Jünger nun sicher irgendwas anderes als potenzielle Ursache ausmachen werden. Die Kiritik an Zollner mache ich deshalb auch weniger an seinen Messungen fest, die fachlich sicher korrekter sind, als ich es je nachprüfen könnte, sondern vielmehr an seinen Zuspitzungen und den polemischen Aussagen über Andersdenkende. Das Resultat ist, dass er mit sichtlichem Stolz eine Schar an Anhängern um sich geschart hat, die nichts an seiner Methodik in Frage stellen würden, und ihnen Material liefert, um sich über die unbelehrbaren Gitarristen zu ereifern. Das ganze erscheint mir im Ablauf ein bisschen wie ein Social Media-Shitstorm in Zeitlupe, es hat sich schließlich schon zu einer Zeit aufgebaut, als alles noch etwas langsamer lief, aber aus meiner Sicht doch nach den gleichen Prinzipien. Angefeuert von den positiven Rückmeldungen aus seiner Gemeinde, hat sich auch Zollner selbst zunehmend mehr darin gefallen, seine Sichtweise immer mehr zu bestätigen, statt sie selbst auch methodisch immer mal wieder zu hinterfragen.
Ich finde es für einen Wissenschaftler jedenfalls unangemessen, aus der offensichtlich doch großen Menge von Leuten, die entgegenstehende Erfahrungen schildern, immer nur den Schluss ziehen, dass das alles nur von Einbildung und/oder Manipulation bestimmt sein müsse. Vielleicht wäre es doch eher mal ein Anlass, den von ihm gerne bemühten Bereich des "ist zu vernachlässigen" näher zu untersuchen, Messmethoden zu verfeinern oder weitere neue Parameter zu untersuchen. In den in der Musik wie z.B. in der in der Biologie und Akustik durchaus schon untersuchten und als relevant betrachteten Identifikation und Wahrnehmung menschlicher Stimmen in den Bereichen von Klangfarbe, Timbre, Obertönen usw. scheint er bisher immer nur mit dem groben Kamm drüber zu gehen. Stattdessen ergeht er sich lieber ein weieres Mal in umfangreichen Betrachtungen, dass das Sustain bei Mahagoni und Tischlerplatte im großen und Ganzen doch ziemlich gleich ist und andere Ursachen darauf größeren Einfluss haben.
Eine beliebte rhetorische Technik der Beeinflussung des Zuhörers - und die funktioniert auch bei Lesern gut - ist es halt, Thesen des Gegners zu widerlegen, die der gar nicht aufgestellt hat, um einer genaueren Untersuchung der problematischeren Punkte der eigeneren Argumentation aus dem Weg zu gehen. Eigentlich bestreitet doch gar niemand, dass man eine Tele mit genug EQ und der richtigen Einstellung am Amp auch so einstellen kann, dass der Zuhörer sie für eine Les Paul halten kann. Und natürlich ändert sich der Sound viel deutlicher, wenn ich über einen Rectifier statt über den Bassman spiele. Das ist aber doch kein wissenschaftlicher Beweis dafür, dass man bei einer Tele aus Esche mit Ahornhals mit den gleichen EQ-Einstellungen zum gleichen Ergebnis kommt wie zu einer aus Erle mit Rosewood-Neck.
Gruß, bagotrix