So, dann will ich mal wieder
In diesen Tagen sind es drei Jahre seit dieses denkwürdigen Morgens, an dem ich am Schaufenster des "Basscenter" in Zürich vorbeigegangen bin - um wie vom Donner gerührt stehen zu bleiben. Über 25 Jahre hatte ich unzählige Male darüber nachgedacht - oder gewünscht - Bass und auch Gitarre spielen zu lernen.
Ich weiss nicht warum, aber in genau diesem Moment sagte ich mir: "Jetzt gilt's!"
Kurz darauf war ich dann in genau diesem Laden, was leider eine völlige Enttäuschung war. Ich hatte jede Sekunde den Eindruck, dass der Verkäufer auf keinen Fall irgendwas aus seinem Sortiment hergeben will.
Nun gut, wozu gibt's das WWW? Informiert, recherchiert und schliesslich die erste "Bassausrüstung" bestellt.
Am 19.4.07 war es dann endlich soweit, ich hielt meinen ersten Bass in den Händen! Mann, war ich hilflos mit dem Ding
Kurz darauf war klar, dass Unterricht sein muss. Obwohl seit jeher absoluter Autodidakt, war mir klar, dass ich "zu alt" zum Zeit verschwenden bin. Dank wirklich gutem Lehrer ging es dann auch zügig vorwärts.
Nur wenige Wochen später habe ich mir dann auch meine erste E-Gitarre gekauft. Ich dachte mir einfach "zu verlieren gibt's nichts, also warum nicht beide Instrumente beharken?".
Nun gut, soweit ja nix neues, jetzt sind also bald drei Jahre um. Was kann ich? Nix
Nein, stimmt natürlich nicht. Ich stelle mit IMMER NOCH wachsender Begeisterung fest, wie sich all' die kleinen Teilchen zueinander fügen. Es geht immer besser, ich kann immer schneller (und trotzdem noch halbwegs richtig) spielen. Egal was ich anfasse, es kommt was dabei raus. Da ich niemandem etwas beweisen und schon gar nicht damit Geld verdienen muss, macht es einfach nur unendlich Spass
Mein Leben hat sich deutlich verändert. Stress im Job prallt an mir ab (na gut, nicht
immer). Ich freue mich auf meine Instrumente, übe wann immer ich will. Sogar auf meine Frau ist der Funken übergesprungen, sie spielt jetzt seit einem halben Jahr Schlagzeug, ebenfalls mit wachsender Begeisterung.
Allerdings gibt es auch so etwas wie Nachteile. So mag ich zum Beispiel gar nicht mehr für eine oder zwei Wochen in den Urlaub gehen. Wie, ohne Bass/Gitarre, so lange? Das geht ja gar nicht
Früher hatte ich andere Hobbies, habe viel Geld für allen möglichen Kram ausgegeben, zum Beispiel für Autos. Das alles interessiert mich nicht mehr. Bis Ende 2008 hatte ich einen Porsche, hatte dann aber wirklich dauernd Gedanken im Kopf wie "Mann, die Inspektion kostet 2500.-, dafür könnte ich ja diese und jene Klampfe kaufen" oder "für den diesjährigen Wertverlust wären locker zwei Gibson Les Paul R9 drin". Also die Kiste verkauft und fertig.
Mein grosses Problem ist nur - wen wundert's? - GAS
Auch wenn das vielleicht im erstem Moment absurd klingt - es ist für einen GASoholiker ganz schlecht, wenn er nicht jeden Heller dreimal umdrehen muss. Für mich ist nur gut, dass die hiesigen Händler alle deutlich teurer sind als die grossen Versender in Deutschland. Noch ausgeprägter als GAS ist bei mir nämlich der Geiz - ich sehe nicht ein, dass ich für dasselbe Instrument 20% mehr bezahlen soll. Also besinne ich mich meistens, kaufe nichts und schiebe eine Bestellung in D solange hinaus, bis der GAS-Anfall abklingt
Von dem "ach, hätte ich doch früher angefangen"-Gedanken habe ich mich ganz verabschiedet. Als Teenager oder junger Erwachsener hätte ich weder Zeit noch die nötige Ruhe (und schon gar nicht das nötige Geld) gehabt. Viel zu viele Sachen spinnen einem da im Kopf herum. Ich bin mir sicher, dass ich nicht die nötige Geduld und Gelassenheit gefunden hätte.
Jeder, der mal die 30 oder meinetwegen 40 übersprungen hat, stellt fest, dass die Fokussierung der Gedanken auf ein bestimmtes Ziel ein Niveau erreicht, welches ein jüngerer Mensch nie erlebt hat.
Einfacher gesagt, "man weiss, was man will" und noch genauer, was man "nicht will". Älter werden hat fast nur Nachteile, aber was diesem Punkt betrifft, möchte ich garantiert nicht "noch mal 20" sein.
Wie geht's weiter? Mir doch egal
Ich bin mehr als zufrieden mit meiner Wahl, Saiteninstrumente zu verprügeln. Bleibt einfach zu hoffen, dass die Gesundheit nochmal ein paar Jahrzehnte mitmacht. Falls dem so ist, stehen mir grossartige Jahre bevor. Wer weiss, vielleicht führt der Weg doch noch irgendwann in eine Band?
In diesem Sinne,
Euer Rickenslayer