Wieviel am Mythos "Vintage" dran ist, kann ich nur am Beispiel Fender sagen:
habe da ein paar wirklich exquisite Sechziger Strats gesehen, ein paar auch selbst mal kurz spielen können.
Wie sie sich anhören?
So, wie man sich trockenes Holz vorstellt. Ein hohler, kehliger und knackiger Klang.
Die Beste, die ich bisher gehört habe, war lustigerweise eine mit großer Kopfplatte, dürfte also nach 1965 gebaut worden sein. War auch schon verbastelt ohne Ende, Humbuckerfräsung, Elektronikausfräsung erweitert, Mechaniken ausgetauscht, abgeschabt. Eine Ruine. Da war, bis auf Tonabnehmer, Body und Hals nix mehr original, bei der Bridge bin ich mir nicht sicher.
Aber ein Klang...
Eine weitere Strat war übelst basslastig ( was vielen nachgesagt wird ), dafür aber im Originalzustand.
Man kann halt nicht alles haben.
Die aktuellen Custom Shop Geräte ( vor allem die Relics ) hingegen klingen fast durchwegs sehr gut. Die Masterbuilder Instrumente teilweise phänomenal. Ich würde keine Vintage, schon aus praktischen Gründen, einer neuen Masterbuilder vorziehen.
Bei Gibson sieht die Lage etwas anders aus. Da kenne ich nur die Custom Shops als Gipfel der Kunst. Vor ein paar Jahren hätte ich nicht gedacht, daß da noch ein Schippchen auf die Serien-Standards, die ich kenne, draufzusetzen ist, habe jedoch den Les Paul Sound anders wahrgenommen. Eine Paula mußte schwer sein, fett klingen und eine "Wall of Sound" aufbauen.
Im Übrigen auch der damalige Tenor der Fachpresse.
Heutzutage, mit dem Wissen um die Historics, hat sich die Lage geändert: eine LP muß nasal-hölzern, kehlig und transparent klingen. Sie muß recht leicht sein und nuanciert an eine Telecaster erinnern. Das ist der Blickwinkel, aus dem ich heute eine LP betrachte. Inwieweit meine Meinung durch Medien manipuliert wurde, oder ob sich der Geschmack unabhängig dahin entwickelt hat, sei mal dahingestellt. Ich weiß es auch nicht.
Was Eagle schon angesprochen hat, kann ich nur unterstreichen.
Die Custom Shop Historics sind ein richtiger und wichtiger Schritt in die Richtung meiner Idealvorstellung. Mir ist bewußt, daß es sich auch bloß um eine Seriengitarre handelt. Die Suche danach und nach dem richtigen Modell ist für mich erfolgreich beendet.
Was das Holz angeht: wir sollten uns nichts vormachen. Heutzutage wird bei der Selektion bewußter ausgewählt, was das Holz angeht. Das war wohl in den Fünfzigern nicht so der Fall. Da nahm man halt ein Stück heraus und verbaute es.
Wer etwas anderes glaubt, dem sei gesagt: die Gitarren haben damals von den Maßen her schon eine solche Streuung gehabt, was einerseits sicherlich auf die damaligen Geräte und Fertigungsmöglichkeiten, andererseits aber auf eine mangelnde Akribie bei der Arbeit hindeutet.
Wenn also schon beim Bau nicht besonders akribisch gearbeitet wurde, warum sollte man dann akribisch das Holz selektiert haben?
Dafür hatte man aber einfach schon abgelagerte, trockene Hölzer zur Verfügung und vertraute darauf, daß es passt. Analog zu Fender. Dieses Holz ist heute nicht mehr so vorhanden.
Daher denke ich, daß sich die Selektion von heute und die Grundqualität der damaligen Hölzer teilweise ( bzw. in Einzelfällen voll ) ausgleichen.
Was den groben Unterschied ausmachen dürfte, ist einfach die Tatsache, daß 50 Jahre Spielzeit eine Menge am Klang der Gitarre ausmachen. Drum glaub ich, daß meine Paula in 50 Jahren auch noch was dazugewinnen kann, obwohl ich jetzt schon sehr zufrieden mit ihr bin. Deswegen fleißig spielen.
Eine Fünfziger Paula bringt schon eine gehörige Portion Mythos mit. Dennoch bin ich überzeugt, daß, und sei es ein Mix aus guten Hölzern und langem Spielen, diese noch mal ein Schippchen drauflegen können zu dem, was man kennt. Man kann aber nicht die Serien pauschal miteinander vergleichen.
Man sollte auch nicht vergessen, daß eine Gitarre, die schlecht ist, keine 50 Jahre übersteht. Die wird irgendwann das Zeitliche segnen oder ausgeschlachtet. Deshalb scheint mir das Bild etwas verzerrt: die guten Paulas haben die Zeiten überlebt, die schlechten verschwanden. Deshalb kennen wird heute nur die guten.
Man hat sicherlich die Möglichkeit, sich vom Gitarrenbauer eine adäquate Gitarre bauen zu lassen: bei Tandler fängt die Paula bei 5900 an und mit den richtigen Hölzern aus der Schatzkammer beginnt es dann bei 10000 . Dafür kauft man, auch beim von mir hochgeschätzten Jörg Tandler die Katze im Sack. Keiner kann garantieren, daß das beste Mahagoni, kombiniert mit dem besten Ahorn eine gut klingende und zufrieden stellende Gitarre ergibt.
Da ist mir dann die Option, aus den vielen Historics in Europa die Richtige rauszusuchen, wesentlich sympatischer.
Soo, jetzt ist es spät und ich möcht ins Bett. Sollte ich jetzt aufgrund Müdigkeit Mist geschrieben haben, fällt es mir ja spätestens morgen auf. Gute Nacht!