Sorry, aber du willst doch nicht Studenten von Musikhochschulen mit der breiten Masse der Hobbymusiker gleichsetzen?
Nein, habe ich aber auch nicht gemacht.
Du hast bemängelt, dass es so viele YT-Shredder und Konsorten gibt, aber so wenige Leute, die ihr Handwerk noch wirklich verstehen, einfach mal zu ein paar Akkorden abjammen können, etc. Das ist einfach nicht der Fall, die Hochschulleute sind nur ein Beispiel.
Mal abgesehen von Dream Theater sind wohl die wenigsten Künstler hangemachter Musik in den letzten 60 Jahren von Musikhochschulen gekommen.
Na und? Wie lange gibt es denn Hochschulen, die außer Jazz ernsthaft populäre Musik unterrichten? Hierzulande vielleicht 10 Jahre.
Abgesehen davon: Ist Jazz für dich handgemachte Musik? Wenn ja, dann schau dich doch mal um, wieviele von den bekannteren "Künstlern" da dann doch mal studiert haben. Das ist ein riesengroßer Haufen.
Im Gegenteil, die großartigsten Rockmusiker waren sogar Autodiktaten und ich glaube du verkennst den Trend heutzutage.
Nein, ganz im Gegenteil glaube ich, dass du der heutigen Situation nicht ganz gewahr bist, sorry.
Natürlich sind die großartigsten Rockmusiker bisher weitestgehend autodidaktisch unterwegs - ja und? Sie hatten auch nicht die Möglichkeit, die Sache anders anzugehen, denn die besteht (s.o.) schlicht und ergreifend noch nicht lange genug, um eine Aussage über die Relevanz von ausgebildeten Rock/Pop-Musikern treffen zu können.
Was früher leicht verschroben im Stillen vorsichhinbrütete, wird heute hemmungslos in die Öffentlichkeit getragen.
Genau das sagte ich. Aber das bedeutet eben *nicht*, dass es diese Art Musiker erst seit gestern gibt.
Bei Orwell war der gläserne Mensch ein Schreckensszenario. Heute machen das die Leute sogar freiwillig. Youtube, Myspace, Twitter, Facebook. Überall muss man sich produzieren, zeigen, beweisen was man tolles kann und absetzen aus dem Einheitsbrei der menschlichen Gesellschaft.
Finde ich auch schrecklich, aber darum geht's hier ja nicht.
Früher gab es Szenen wie Goth, Punk, Metal, Rockabilly, Popper usw. Heute grenzt man sich ab, indem man noch debiler oder noch extravaganter sich im I-net präsentiert. Alles noch schöner, besser, schriller. Das was das Fernsehen vormacht mit DSDS, Supertalent und der ganze Schrott, setzt sich im privaten fort.
Das stimmt nur teilweise. Es gibt heutzutage mehr ernstzunehmende Stilistiken, abgefahrenes Zeugs und weißdergeierwas als je zuvor. Nur findet man meist die Rosinen nicht. Und die Medien tun ihr übriges dazu, indem sie jungen, potentiell aufstrebenden Künstlern einfach *null* Chancen mehr geben, auch eine die breitere Öffentlichkeit erreichende Plattform benutzen zu können. Im Radio läuft dann gefühlte 80 Mal am Tag Amy McDonald.
Dazu kommt, dass die neuen Künstler auch immer mehr die extreme ausloten. Wer gibt sich denn heute noch damit zufrieden, dass einer mit einer Gitarre und Jeans auf die Bühne geht? Da sieht jede zweite Sängerin aus, wie eine Pornofetishqueen.
Nehmen wir mal eine Band, die man sicherlich als Ikone der Popmusik bezeichnen darf: Die Beatles.
Ein Teil des Aufsehens, welches die Jungs erregten, lag auch in ihrem äußerlichen Auftreten, das war also schon damals nicht anders.
Dass die Sache heute so übertrieben läuft (worin ich dir gerne recht gebe), liegt aber nicht an den Künstlern sondern erneut an den Medien, die eben dieses vermeintlich notwendige Schrille lancieren.
Abgesehen davon liegt aber jemand wie Lady Gaga, Pornostyle hin oder her, auch hndwerklich durchaus sehr gut im Rennen - und darum ging es doch, oder?
Und wenn doch mal einer normal oder nicht besonders auffällig aussieht, dann hat er halt die maßgeschneiderte Hintergrundstory (krank, Halbwaise, zwei Kinder ohne Daddy usw.)
Nehmen wir eine andere Band, die man sicherlich ebenfalls als Stilikone bezeichnen darf: Die Rolling Stones.
Wie viel ihrer Berühmtheit haben die denn wohl auch ihrem sozialen Hintergrund zu verdanken, den Drogengeschichten, den kaputten Hotelzimmern, den Nächten mit Groupies, etc etc?
Dass es auch in dem Fall heute mehr sein muss hat die gleichen Gründe wie oben schon beschrieben.
Wo bleibt da denn bitte noch die Musik?
Wie schon erwähnt, die gibt es immer noch, und zwar in deutlich größerer Menge als je zuvor.
Dass man sie nicht finden kann oder soll, bzw. das sehr schwer fällt, hat nichts damit zu tun, dass es keine handwerklich, künsterlisch gutgemachte wie sogar innovative Musik gibt. Davon gibt es eben sehr viel.
Und schau doch mal in Youtube rein. Da gibt es so viele die ihren Kram mit allen Ernstens reinstellen und jeder 3. Ton klingt schief und finden es "garnicht so schlecht".
Was bei YT streckenweise passiert, finde ich auch bedenklich, aber mich als Musiker interessiert es ehrlich gesagt einen feuchten Kehricht.
Warum kann heute keiner mehr einfach für sich oder mit seiner Band Musik machen und wirklich erst wenn man wirklich gut ist, an die Öffentlchkeit gehen.
Wie ich schon mehrfach erwähnte: Es gibt *sehr* viele Leute, die genau das machen. Nur eben leider ohne entsprechende Plattform. Live-Clubs, die regelmäßig regionalen Bands ein Podium bieten sind fast ausgestorben (es kann allerdings sein, dass sich die Zahl erholt...), in's Radio bekommst du deinen Kram trotz Plattenvertrag, Agentur und Promoter/in so gut wie nicht mehr, also bleiben nur Plattformen wie YT und MS, beide zugemüllt mit unendlichem Schrott (darin stimme ich vollkommen mit dir überein).
Ich hab Demos als Rezensent eines Online Musikmagazins bekommen, das glaubst du nicht. Die konnten nix, aber hauptsache mal ein Demo raushauen.
Das ist aber auch schon immer so. Ich habe so manches Demo-Tape in unserer alten Agentur gehört. Unfassbar.
Was meinst du wohl warum so viele Produzenten mittlerweile maulen, dass keiner mehr im Studio auf Clik spielen kann von den jungen Bands?
Kann ich so überhaupt nicht bestätigen. Ich sehe eher das Gegenteil. Da eben gerade Dinge wie Loops und Sequenzen auch zunehmend an Einfluss im Live-Geschäft gewinnen, gibt es viele Bands, die sich mit sowas beschäftigen.
Habe ich, mache ich.
Dass es viel Müll gibt, das ist klar. Aber es gibt genauso viel handwerklich gute Musiker. Das Verhältnis hat sich im schlimmsten Fall nicht verschlechtert, ich bin sogar der Meinung, dass es sich verbessert hat.
Nicht dass wir uns falsch verstehen, ich nutze auch Cubase und Modellingtechnik, weil sie es MIR ermöglicht, meine Ideen so umzusetzen, dass sogar ein Anfänger wie ich für sich selbst hörbare Ergebnisse produzieren kann. Aber ich muss den Kram nicht bei Myspace oder Youtube online stellen um mich der Öffentlichkeit zu produzieren. Wenn ich was online stelle, dann nur um hier im kleinen Kreis Feedback zu bekommen und um besser zu werden. Aber dafür brauche ich keine 2000 Freunde auf YT.
Nun, wie man damit umgeht, das ist ja jedem selber überlassen.
Wenn überhaupt, poste ich meinen Kram auch nur selektiv oder aus einer Laune heraus.
Gruß
Sascha