@Colorido: Du formulierst schöne Gedanken.
Das beidhändige Üben macht natürlich bei homophonen Stücken mehr Sinn. Auch bei solchen, bei denen Figuren zerrissen werden sobald man eine Hand weglässt. Bei anderen Stücken sollte man dagegen nicht zwischen zwei Händen unterscheiden, sondern zwischen verschiedenen Stimmen.
Als Beispiel einmal alle drei Sätze der Mondscheinsonate:
Der zweite Satz kann oder sollte kompakt, also beidhändig geübt werden, da meiner Meinung nach das zutrifft, was Du im folgenden sagst:
Die vertikale/harmonische Dimension auszublenden trägt nicht unbedingt dazu bei, dass man sich die Töne merken kann, da sich der gleiche Ton völlig unterschiedlich anfühlen kann, je nach dem, welche Rolle er im Gefüge einnimmt.
Besonders im Trio benötigt man auch aus rhythmisch-harmonischen Gründen die Bassnoten auf der "eins", um die synkopische Wirkung der Oberstimme zur Geltung zu bringen.
Der dritte Satz besteht aus vielen Bausteinen, die man getrennt und für sich genommen unterschiedliche erarbeiten kann. Es macht schon Sinn, die 16-tel Arpeggien mit der rechten Hand einzeln zu üben, wenn die linke Hand auch recht einfach spielbar ist. Man hört aber immer die fehlende Prägnanz, den verwackelten Anschlag bei denen, die gleich mit beiden Händen loslegen, besonders in den zwei sich verdichtenden Takten sieben und acht.
Erst recht gilt das aber für das lyrisch-elegische Gis-moll Thema (2. Thema). So wichtig für die Melodie das harmonische Fundament auch sein mag, man muss diese Linie auch isoliert gestalten (können). So wie ein Sänger seine Arie singen können muss, ohne den Orchesterpart im Rücken. Die Artikulation, die Dynamik, das phrasierende Atmen gilt nur dieser Stimme alleine. Würde man das gleich zusammen üben, geht einem ganz viel von der rethorisch-musikalischen Wirkung verloren. Die linke Hand hat dagegen die Aufgabe sich ganz ohne Akzente zurückhalten zu können. Eine ganz andere Aufgabe.
Aus eher technischen Gründen würde ich auch die Läufe der rechten Hand im A-Dur-Zwischenspiel isoliert üben, um die Akzente der linken Hand nicht zu übertragen.
Ganz anders wieder das Staccato-Achtel-Thema, das man am Besten mit beiden Händen zusammen üben sollte, da es ganz vertikal gedacht ist.
Der Erste Satz ist eines der besten Beispiele dafür, seine 10 Finger nicht in zwei Hände aufzuteilen, sondern in viele einzelne Stimmen. Und in diese einzelnen Stimmen müssen ganz souverän voneinander geführt, gedacht und gespielt werden. Ein Grund, weshalb das Stück für Anfänger kaum zu bewältigen ist.
Nur ein Beispiel: BeispielBei Klavierspielern, die alles im Block lernen hört man immer eine zu laute dritte Achteltriole in der Mittelstimme, bevor die Oberstimme die 16tel spielt. Weil sie das Gewicht auf diesen Finger verlagern. Schlimmer noch: sie haben sich durch ihre Übemethode an das daraus folgende Hörergebnis so sehr gewöhnt, dass sie nicht mehr hören, wo die Mittelstimme Ereignisse aus den anderen Stimme fälschlicherweise übertragen haben.
Wenn es also darum geht, dem musikalischen Ziel eines solchen Stückes näherzukommen, ist es manchmal fast notwendig, ein Stück so zu üben, wie es komponiert wurde, es möglicherweise zu dekonstruieren um es dann wieder zusammenzusetzen sich einzelne Stimmen genau anzuhören, anzuspielen, egal welche Hand, eine Stimme hinzukommen zu lassen, die neue Wirkung verinnerlichen und verstehen und so weiter.
Übrigens: Um sich den Notentext eines solchen Stückes anzueignen kann man durchaus alles zusammenspielen. Das ist aber ein anderes Thema. Das mache ich dann gerne auch so, dass aufgelöste Akkorde wieder zusammengeführt werden also alles Homophon gespielt wird. Klappt bei dem ersten Satz wunderbar. Und man erhält sich den Reiz des Neuen, wenn man dass alles wieder aufbricht und in einzlene Stimmen verteilt.