Heute hatte ich endlich Gelegenheit, den Savage 120 zum ersten Mal zu testen. Ich verbrachte insgesamt ca. zwei Stunden im Proberaum. Es sind allerdings auch einige Fragen aufgetaucht.
Zunächst einmal ist mir klar, daß man sich mit jedem neuen Amp eine Weile beschäftigen muß. Der Savage 120 hat ja zudem auch wirklich viele Einstellungsmöglichkeiten. Zweitens ist der Savage 120 auch nicht mein erstes Röhrentop. Diese Info nur vorausgeschickt.
Mein Setup:
Gibson SG Standard mit Seymour Duncan Alternative 8 b / '59 n
Pedalboard (ISP Decimator, Chorus, Phaser, Big Muff, Tuner)
Peavey 5150 4x12" (Sheffield 1200 Lautsprecher)
OK, Z-10 Footswitch dran, Röhren vorwärmen.
An dieser Stelle schon die ersten Fragen.
Mein Savage 120 ist gebraucht gekauft und ca. 3 Jahre alt. Sollten die Lampen hinter den Endstufenröhren nicht rot sein? Zumindest sehe ich das so auf der ENGL Homepage und bilde mir auch ein, das öfters gelesen zu haben. Nun, die Lampen in meinem Savage sind weiß (bzw. farblos). Wurde da eventuell schon gemoddet? Wenn ja, wurde das leider in der Produktbeschreibung nicht erwähnt. Gut, das ist keine große Sache, aber ich hatte mich schon auf ein rotes Leuchten gefreut.
Der zweite Punkt, der mir negativ aufgefallen ist, waren die grauen Druckknöpfe. Mindestens die Hälfte von ihnen sind schief eingebaut. So etwas sollte doch bei einem fast EUR 2000,- Topteil aus Deutschland nicht sein? Macht einen billigen Eindruck. Zwei bis drei der Knöpfe klemmen zudem. Will heißen, daß man wenn man sie reindrückt, sie wieder herausspringen. Man kann die Funktionen trotzdem aktivieren, aber man sieht dann eben nicht deutlich, ob besagte Funktion nun ein oder aus ist. Das kann natürlich ein durch den Vorbesitzer ausgelöstes Problem sein. Ärgerlich, denn diese beiden Unzulänglichkeiten trüben ein wenig den Gesamteindruck. Aber gut, man ist ja nicht kleinlich.
Gleich mal Standby an und Cleankanal.
Wo war der Ton? Ich drehte das MCH1 Gain rauf, danach den Clean Vol, danach den Master. Endlich hörte ich etwas, allerdings sehr leise. Master auf 5, Clean Vol auf 10 (!) und immer noch sehr leise. MCH1 Gain rauf, Clean Vol wieder runter --> zerrt. Ich habe es nach zwei Stunden nicht geschafft, einen Cleansound in akzeptabler Bandlautstärke zu produzieren. Ab MCH1 Gain 2 zerrte der Cleansound schon ziemlich und bei Einstellungen darunter mußte ich Clean Vol und Master voll (!) aufreißen, damit die Lautstärke einigermaßen da war (im Bandkontext wäre das jedoch immer noch nicht laut genug gewesen). Was mache ich falsch? Ich habe natürlich auch den SENS Knopf betätigt bzw. deaktiviert (dadurch wird's zwar cleaner aber klarerweise noch leiser). Es muß doch möglich sein, einen relativ cleanen Sound (also akkordfähig ohne zu zerren) bei guter Lautstärke zu bekommen. 120 W versprechen doch einiges an Headroom. Ich komme vom Peavey 6505 und kenne das ja schon, daß der "Cleankanal" gleich mal zerrt. Deswegen freute ich mich auf einen echten Cleankanal beim Savage 120. Nun erlebe ich hier dasselbe. Schlimmer noch: Ein A/B Vergleich mit dem Peavey brachte zutage, daß ich beim Peavey leicht einen relativ unverzerrten Cleansound bei hoher Lautstärke einstellen konnte. Und ja, ich verwende auch das Volume Poti auf meiner Gitarre. Zugegeben, mein Alt 8 Pickup hat einen hohen Output, aber beim Peavey ging's immer einigermaßen gut. Mit Clean bin ich also bisher überhaupt nicht zufrieden, zumal es auch keine Verbesserung zum Peavey darstellt.
Crunch 1 lasse ich mal aus.
Crunch 2: Hier ging schon ordentlich etwas weiter. Sehr netter Crunchsound. Für mich allerdings etwas zu wenig Gain für meine harten Rythmussachen. Ich würde diesen Kanal für eher klassischere oder zurückhaltendere Nummern verwenden.
Lead: Hier war der Unterschied zum Peavey deutlich merkbar. Ich mußte das Gain (MCH 2 Gain auf 8, Lead Gain auf 8) ganz weit aufdrehen, um annähernd die Saturation zu bekommen, die mein Peavey bei 5 produziert.
Zum Sound: Um einiges dünkler und dichter als die Peavey-Zerre. Sehr tight. Gefällt mir von der Charakteristik her sehr gut. Bisher sagt mir der Rough-Mode ohne Lead Boost und Depth Boost (denn diese beiden Modi drücken zwar wirklich toll, aber es wird zuviel) am meisten zu. Sustain ist gut, Einzelnoten singen förmlich. Da macht es Spaß, über das Griffbrett zu gleiten.
Jetzt leider wieder zu einem Problem.
Ich höre ein ständigen, sehr hohen Pfeifton. Das ist kein normales Feedback. Dieser Ton ist auch im Cleankanal vorhanden, aber nicht stark hörbar. Er hört auf, sobald man eine Saite berührt oder spielt. Im Leadkanal wird's allerdings unerträglich. Der Ton ist sehr stark bei Palm Mutes zu hören. Es pfeift und knackt gleichzeitig zum Anschlag und klingt auch noch pfeifend nach. Bei durchgezogenen Akkorden ist dagegen gar nichts zu hören. Den Ton würde ich als metallisch-pfeifend beschreiben. Er hört sich auch klirrend und scheppernd an. Ich denke dabei immer an die Röhren! Könnten diese mikrofonisch sein?
Nun ist dieses Phänomen aber nicht neu! Will heißen, es tauchte schon auf, bevor ich den Savage 120 überhaupt hatte, nämlich am Peavey, allerdings nicht so stark und störend und auch nicht immer (!). Ein A/B Vergleich heute bestätigte das noch einmal. Störgeräusch bei beiden Amps vorhanden: Bei Peavey weniger laut und störend, beim Savage 120 unerträglich v.a. bei Palm Mutes. Ich habe in drei Wochen einen Gig. So kann ich den Savage 120 sicher nicht benutzen. Ein Grund, warum das Phänomen wohl am Savage 120 stärker auftritt, ist der Umstand, daß ich das Gain weiter audfrehe als beim Peavey (s.o.). Auch das Grundrauschen des Savage 120 ist (mit aktiviertem ISP) stärker als beim Peavey bei derselben Saturation.
Woran könnte es liegen? Röhren bei beiden Amps kaputt? Beim Peavey habe ich in letzter Zeit mehrmals die Röhren getauscht (um neue Sounds auszuprobieren). Beim Savage 120 ist noch die Originalbestückung drinnen. Aber mich macht doch stutzig, daß das Problem bei beiden Amps auftritt, wenn auch in unterschiedlichem Stärkegrad. Woran könnte es außer den Röhren noch liegen? Auch an einer anderen Box tritt dieses Phänomen auf. Eine andere Gitarre habe ich noch nicht probiert. Auch sollte ich mal direkt in den Amp gehen, um ein fehlerhaftes Pedal auszuschließen. Werde ich morgen machen.
Ich verbrachte die meiste Zeit damit, diesen Macken auf den Grund zu gehen. Der "Reverb" Taster am Z-10 Footswitch schaltete nur rough/smooth, nicht Presence A/B. Ich nehme an, der Vorbesitzer hatte ihn nicht dementsprechend programmiert. Hatte leider nicht die Anleitung für den Fußtreter dabei.
Das klingt jetzt alles ziemlich negativ, ich weiß. Aber eigentlich hatte ich mich auf zwei Stunden unbeschwertes Jammen gefreut. Und ich mag den ENGL! Ich weiß, daß ich ihm auch noch Zeit geben bzw. alle Funktionen gut lernen und verstehen muß (obwohl ich wirklich kein Anfänger bin). Ich habe aber derzeit das Gefühl, daß genau die Punkte, wegen denen ich vom Peavey auf den Savage 120 umgestiegen bin (z.B. besserer Cleankanal), im Moment noch gar nicht hinhauen.
Ich hatte den Savage 120 auch an meiner Fame 2x12" Box dran, um zu sehen, wie er mit V30 Lautsprechern klingt. Ich überlege ja den Kauf einer ENGL Pro. Allerdings war ich nicht wirklich entzückt. Sehr kreischende Mitten. Vielleicht kann man da mit dem Amp-EQ noch etwas machen. Klar, die ENGL Pro wird wohl auch noch anders klingen, aber das Grundvoicing ist eben V30 und das dürfte sich wohl zwischen Fame und ENGL nicht sehr unterscheiden. Wie auch immer, der Sound war ok, aber mehr eben nicht. Jetzt zweifle ich natürlich an meinem Vorhaben, die teure ENGL Pro zu kaufen, obwohl man ja wirklich überall liest, wie gut sie zum Savage 120 paßt. Kann natürlich auch sein, daß ich über die Jahre hinweg einfach zu sehr an meine Sheffield 1200 Lautsprecher gewöhnt bin. Die Peavey Box betont stark die Bässe und die Höhen und sowohl der 6505 als auch der Savage klingen wirklich sehr fett und heavy über die Box. Vielleicht bleibe ich also dabei. Auf der anderen Seite spielt der Leadgitarrist in meiner Band seinen 6505 über meine Fame 2x12" und hat auch immer einen fantastischen Sound.
Wie nimmt der Savage 120 im allgemeinen eigentlich Pedale auf? Ich spiele ja ab und zu auch den Big Muff. Über den Cleankanal des Savage 120 klang er aber nicht sehr gut und auch signifikant anders als über den Peavey. Mein Small Stone Phaser war fast gar nicht mehr zu hören. Beim Peavey ist der Effekt viel ausgeprägter. Seltsam. Und nein, die Pedale sind nicht im Loop (von wegen dry / wet) sondern VORM Amp. Daß es da so große Unterschiede gibt?
Gut, morgen werde ich mich noch einmal näher mit meinem neuen Baby beschäftigen und dann endlich auch im Bandkontext ausprobieren.
Ich bitte diesen Bericht als rein persönlichen Erfahrungsbericht eines neuen Users zu sehen. Es ist nicht meine Absicht, das Topteil schlecht zu machen (Warum auch? Ich mag es, finde die Zerre toll und habe es mir ja schließlich auch gewünscht und gekauft). Aber ich habe eben noch Anfangsschwierigkeiten, die ich hoffentlich bald lösen kann, vielleicht auch mit ein paar guten Tipps von anderen Usern.