Die allermeisten irischen und schottischen Dudelsäcke und Flöten haben ja die geschlossene Griffweise.
Bei Dudelsäcken sind diese Verzierungen sogar notwendig und unverzichtbar, weil man dort (je nach Bauart) einen durchgehenden Ton erzeugt, der nicht ohne weiteres "angehalten" werden kann.
Somit ist es
nicht (!) möglich, Tonwiederholungen zu spielen und man
muss (!) stattdessen notgedrungen einen kleinen Praller spielen, um gleiche Töne voneinander absetzen zu können.
Das hat u. a. den Effekt, dass man durch einzelne ganz kurze Fingertips nicht nur, wie bei uns, einen Ton spielt (Ton an, Ton aus) sondern immer einen doppelten Tonwechsel, also vom Ausgangston zu einem anderen und wieder zurück. Dadurch kann man mit wenigen Bewegungen sensationell schnelle und und komplizierte Triller, mehrfache Vorschlagnoten und andere Verzierungen spielen.
Bei den Whistles gibt es noch die schöne Möglichkeit, durch "langsames" Öffnen der Löcher einen Ton stufenlos ändern zu können.
Bei diatonischen Akkordeons (Meldeons oder wie auch immer) wird es oft und deutlich hörbar praktiziert, dass bei einem Tonwechsel der Knopf nicht einmal losgelassen wird, sondern der Tonwechsel alleine durch Wechsel der Balgrichtung vonstatten geht.
Das ist typisch, wichtig und gewollt und kann mit einem chromatischen Akkordeon natürlich nicht imitiert werden.
Im Gegensatz zur "deutschen" Volksmusik und alpenländischen Musik bleibt man bewusst gern innerhalb einer Reihe und spielt viele schnelle Balgwechsel statt langer Bögen ohne Balgwechsel unter Zuhilfenahme zusätzlicher Reihen.
Zum weiter oben erwähnten Thema der "nicht ausreichend kräftigen Bässe" (oder ganz ausgebauten Bässe) kann ich nur sagen, dass irische Musik vor allem in Gesellschaft im Pub gemeinsam mit anderen stattfindet, so dass man die Bass-Seite eigentlich nicht oder kaum braucht. Im Gegenteil - zu mächtige Bass-Abteilungen machen das Instrument nur unnötig träge und weniger leichtfüßig.
In Deutschland scheint man lieber alleine für sich im Keller zu musizieren und braucht dann natürlich auch dringend eine Bass-Seite. Notfalls sogar mit MIDI-Sounds, um Mitspieler mit anderen Instrumenten zu simulieren.
Ich glaube aber, dass die wesentliche Spielfreude vom
gemeinsamen Musizieren mit anderen kommt.
Nochmal gaaanz zurück zu Shepherd's Hey
Ich bin der Meinung, dass sich dieses Stück hervorragend für die ersten "gälischen" Schritte auf einem Diatonischen Instrument eignet, weil sich die Melodie mit nur drei direkt benachbarten Knöpfen einer Reihe spielen lässt.
Das geht auf allen (!) Instrumenten, egal, ob Wiener, Diatonisch, Irisch B/C, Club oder Steirisch usw.
Da kann jeder zunächst für mit seinem verfügbaren Instrument experimentieren, ohne sich eigens eine Spezial-Box anschaffen zu müssen. Einfach machen.
Die Iren und Schotten nehmen auch, was sie haben.
Hohner ist vor allem extrem verbreitet und günstig verfügbar. Welcher irische Feierabend-Pub-Musikant kann oder will sich denn eine der modernen Luxus-Kleinodien für viele tausend Euro leisten?
Da muss man sich nicht auf die Finger konzentrieren, sondern kann die für uns ungewöhnlich häufigen, aber wichtigen und charakteristischen schnellen Balgwechsel üben.
Das ist meiner Meinung nach ein extrem wichtiger Einstieg, der noch vor dem Hinzufügen von Embellishments bis zur Geläufigkeit geübt werden sollte.
Viele Grüße
Torsten