Ehrliche Erfahrungen zum Übeaufwand eines Instruments

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lamayeshe
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(Hatte als Kind 7 Jahre klassisch Klavier und arbeite nun als Erwachsener an einer/meiner Jazz-Piano-Aus/Weiterbildung.)

Jedes Mal, wenn ich Interviews, Statements u.dgl. von aktiven bekannten oder auch weniger bekannten Musikern (ev. auch Musikstudenten) lese, ÄRGERE ich mich, was Angaben bezüglich ihrer musikalischen Entwicklung betrifft:

Offenbar gibts nur Genies ...,
für die das Üben reine Unterhaltung war ...

Zumindest finden sich kaum jemals konkrete und glaubwürdige Angaben dazu,
wie lange die Arbeit am Klavier WIRKLICH gedauert hat,
wie intensiv sie periodenweise WIRKLICH arbeiten mussten,
woran sie im Speziellen arbeiteten, etwa an einem (bestimmten) technischen Problem,
wie lange es dauerte, um das Problem WIRKLICH zu "beheben" (bis es -- nunmehr kein Problem mehr -- internalisiert wurde).

Verbunden damit natürlich auch entsprechende Psycho-Probleme ...

Natürlich heißt das nicht, dies ließe sich 1:1 übertragen -- aber interessant wäre es schon, mehr zu erfahren.
Vor allem im Jazz sind oder vielmehr wären solche Berichte interessant, gerade weil es hier "den Weg" am wenigsten gibt (Übergang etwa von (geübten) Licks zur eigentlichen Improvisation).


Kennt ihr Auto/Biografien, Monografien, Essays, interview od dgl. (Klassik ebenso wie Jazz), die diesbezüglich was "loslassen" ????
 
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Grund: Durchgehenden Fettdruck entfernt
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Willkommen hier im Board. :) Ich finde Deine Frage mit der damit zusammenhängenden Problematik sehr interessant. Ich denke, Deine Beobachtung zum Umgang mit Ehrlichkeit läßt sich auch auf andere Instrumentengattungen übertragen. Ich will hier nicht zu weit ausholen, weil es in diesem Thread um Deine Fragestellung geht, schätze aber, dass unheimlich viele Blender unterwegs sind. Gründe dafür sind vielfältig. - Never give up. ;)
 
Naja, das ist halt auch ein Marketinginstrument. Da wird auch vor wirklichen Genies nicht haltgemacht. Auf dem ersten Prince-Album hat man bspw. Zeug wie Handclaps, Woodblock, Background Vocals, jede einzelne Gitarre und jeden einzelnen Synthesizer aufgezählt, damit man auf 27 Instrumente kam und den "nächsten Stevie Wonder" verkaufen konnte.

Im Jazz ist mir das eigentlich noch nicht so aufgefallen. Da liest man eigentlich eher davon, wie Schule, Gesundheit oder der vorgezeichnete gutbürgerliche Weg (Miles) über Bord geworfen wurde, um sich die Nächte in irgendwelchen Miniclubs für Wasser & Brot um die Ohren zu hauen.
 
Hi, also die Sache mit Büchern, Interviews usw. ist, dass die natürlich nicht langweilig sein sollen und ein gewisses Bild (zur Bewerbung eines Produktes) liefern müssen.

Es gibt meiner Meinung nach tatsächlich eine Faustregel, mit der die "Übungsarbeit" eines hervorragenden Musikers zusammengefasst werden kann. und zwar die 10.000 Stunden Regel. Ein Musiker, der sein Instrument 10.000 Stunden lang effektiv geübt hat, ist meistens auch in der Weltklasse.

Die 10.000 Stunden müssen natürlich erstmal zusammenkommen. Vergleicht man das mit einem regulären Job, 8 Stunden die Woche uns 220 Tage im Jahr, bräuchte man 5,6 Jahre, um zur Elite zu gehören. Und mit effektiven Üben ist natürlich gemeint, dass man das Instrument nicht einfach nur in die hand nimmt, sondern Stücke und Techniken hart erarbeitet.

Für einen Hobbymusiker mit Job, der maximal 1 Stunde am Tag üben kann, würde es bei 220 Übungstage im Jahr übrigens 45 jahre dauern, um zur Elite zu gehören ... ;).
 
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Offenbar gibts nur Genies ...,
für die das Üben reine Unterhaltung war ...
Zumindest finden sich kaum jemals konkrete und glaubwürdige Angaben dazu,
wie lange die Arbeit am Klavier WIRKLICH gedauert hat,
wie intensiv sie periodenweise WIRKLICH arbeiten mussten,
es ist eine Frage des Standpunkts und der persönlichen Einstellung: wenn ich an (eigenen) Software Projekten 'arbeite', bestimmt das nicht den Tag, sondern das gesamte Leben.

Natürlich sitze ich dazu nicht 24 Stunden vor dem Rechner, aber es ist immer präsent.
Vieles findet rein im Kopf statt, aber auch Beschaffung von Hintergrundinformation, Testszenarien gehört dazu. Der eigentliche Programmierprozess ist eher kompakt, kann aber auch ganze Nächte durchgehen.
Als 'Arbeit' habe ich das nie empfunden, eher als persönliche Ausdrucksform.

In musikalischer Hinsicht ticke ich ähnlich... nur weniger formal.
Das Ganze ist letztlich Mittel zum Zweck - und dem wird alles andere einfach untergeordnet.
Ich bin ein miserabler Gitarrist (und 'übe' definitiv nicht nach Vorlagen), aber die Stunden für's Fingerpicking möchte ich nicht zählen... :D
Wäre das gefühlsmässig eine Pflicht, würde ich das Instrument in die Ecke stellen.
 
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Kennt ihr Auto/Biografien, Monografien, Essays, interview od dgl. (Klassik ebenso wie Jazz), die diesbezüglich was "loslassen"

Das nicht. Aber eine bemerkenswerte Ansage von dem Pianisten Vladimir Horowitz. Die gab er im reifen Alter von gut 80 Jahren bei einem Interview von sich.

Auf die Frage des Reporters wie lange er denn täglich übe sagte Horowitz.
Ich spiele seit rund 70 Jahren Klavier.
Ich übe zwei mal die Woche. Meist abends.

Die Leute nennen das Konzert und bezahlen mich dafür!
 
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Pablo Casals, der Cellist, wiederum entgegnete auf die Frage, warum er mit über 90 Jahren immer noch täglich übe, er hätte den Eindruck, er mache Fortschritte (wie hier schon öfter zitiert wurde).
 
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Hallo !

Ich glaube das ist eines der schwierigsten Themen überhaupt - gerade wenn es Richtung Jazz geht. Man muss hier wohl auch noch etwas unterscheiden zwischen purer Technik und Harmonik/Interpretation. Während die Technik irgendwie die "Grundausstattung" ist, die sich jeder irgendwann mal erarbeiten muss, kommt bei talentierten Menschen (natürlich auch abhängig vom Stand der Musik-Theorie) einiges "von selbst", d.h. sie fühlen einfach welcher Akkord jetzt als nächstes kommen muss.... ich hoffe ihr versteht was ich meine. Und je talentierte, desto weniger muss sich derjenige mit der Sache beschäftigen.
 
Ein Kollege von mir (Drummer) hat mal von einem Workshop mit Steve Gadd erzählt, an dem er teilgenommen hat. Ein anderer Teilnehmer fragte nach Steves Tagesablauf. Steves Antwort: "Morgens stehe ich um 8 Uhr auf, frühstücke, gehe dann um 9 Uhr in den Proberaum und übe bis 13 Uhr." Mein Kollege dachte: Aha, 4 Stunden täglich. Steve Gadd weiter: "Dann gehe ich mittagessen bis 14.30 Uhr und gehe dann wieder in den Proberaum zum Üben. Um 18.30 gehe ich zum Abendessen." Mein Freund dachte: Ooops, 8 Stunden täglich. Steve Gadd weiter: "Um 20 Uhr gehe ich wieder in den Proberaum und übe noch ein paar Stunden." :eek: :spicy:

Viele Grüße,
McCoy
 
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Hab den Threadtitel mal geändert. Bitte immer einen aussagekräftigen Threadtitel wählen! Danke! :)
 
(...) Ein anderer Teilnehmer fragte nach Steves Tagesablauf.... (...)
Das deckt sich so ungefähr mit der "Übungsanleitung", die ich in einem Trainigsbuch für Gitarristen gelesen habe (liegt bei mir irgendwo rum). Da drinnen stand/steht, dass der Übungsaufwand bei ca. 40+ Wochenstunden liegt; selbst bei erfahrenen Gitarristen. Ich erinnere mich, dass ich mal auf Youtube ein Interview mit Steve Morse (Deep Purple) gesehen habe, in dem er Ähnliches erzählt - und niemand wird behaupten, Steve Morse hätte es wohl nötig. :eek: Ich denke, alles andere ist Geschwätz und Schönfärberei. Ich habe in der Familie einen (will ja nicht protzen, ist aber so) eingeheirateten Dirigenten/Generalmusikdirektor, dem ich abnehme, was er so erzählt. Er ist Ende 60 und leitet seit langem A-Orchester (z.Zt. ca. 100 Musiker). Der übt und "studiert" 6 Tage die Woche, eigentlich ganztags. :igitt: Das erwartet er eigentlich mehr oder weniger auch von seinen Musikern. Nein, das stimmt nicht ganz; sie müssen`s einfach bringen, sonst sind sie nach ner Weile ihren Job los (was aber höchst selten vorkommt).
 
Zuletzt bearbeitet:
Und je talentierte, desto weniger muss sich derjenige mit der Sache beschäftigen.

Ich glaube mittlerweile, dass Talent vor allem die Fähigkeit ist, effizient und mit viel Enthusiasmus seine notwendigen Übungen zu meistern. Ohne "Talent" zu spielen hingegen bedeutet viel mehr, dass entweder nicht zielorientiert gelernt wird oder eben nicht genug Zeit investiert wird.

Von außen sieht Talent dann so aus, als wäre es den Leuten zugeflogen. Man sieht halt nicht, wie viel Zeit wirklich hinter der Kunst steht und schreibt es den Genen oder sonstigen ungreifbaren/mythischen Eigenschaften zu. Aber in Wirklichkeit ist es die ("effiziente") Übung. Das soll "Talent" jetzt auch nicht entwerten, aber es macht meiner Meinung nach den echten Unterschied zwischen Profis und Hobbymusikern aus.

Grüße
 
Also...

Ich glaube, das ist ein riesen Thema, was auch sehr emotional belegt ist und deshalb nicht einfacher zu diskutieren wird. Warum "störst" du dich an den Genies? Weil du es gerne selbst so einfach hättest (ich denke mal, so ticken wir Menschen).

Ich bin Musikstudentin und kenne aus meinem Umfeld sehr verschiedene Typen:

Typ1: Strebt eine Solistenkarriere an, übt deshalb bis zu 8 Stunden am Tag (dazu kommt der normale Unterricht zusätzlich) und ist auch sicher Sonntags in der Hochschule anzutreffen. Wenn er keinen Raum zum Üben hat, sitzt er über seinen Noten und übt mental. Spielt technisch und musikalisch auf höchstem Niveau. Hat aber in "weniger wichtigen" Fächern manchmal Panik, wenn ein Referat gefordert ist, er habe so viel zu üben und schaffe das alles nicht. -> Wenn man für die hohe Kunst lebt, kann man damit sicher glücklich werden, ich denke die meisten wünschen sich einen anderen Alltag.

Typ2: Der entspannte und geordnete: Hält einen ganz normalen Arbeitstag von etwa 8h Stunden ein, Üben und Unterricht zusammengerechnet. Manchmal Samstags Vormittags, selten auch Sonntags in der Hochschule zum üben. Nimmt das Üben ernst, lebt ebenfalls für die Musik, aber genießt auch einen normalen Alltag und ein bisschen Freizeit.

Typ3: Der entspannte Hochschulmensch: Sitzt den ganzen Tag in den Aufenthaltsräumen der Hochschule (allerdings nicht vor halb zehn, gestern Abend war schließlich Konzert bis nach Mitternacht), schnackt und trinkt Kaffee. Oft ebenfalls am Wochenende anzutreffen. Geht zu Proben und zum Unterricht und auch mal ein, zwei Stunden am Tag üben. Bei Proben immer so gut vorbereitet, wie nötig aber jetzt auch nicht übermäßig. Oft bei Konzerten und Jam-Sessions anzutreffen, außerdem viele eigene Bandprojekte. Hat viel Spaß am Musiker-Dasein und spielt auf technisch einwandfreiem Niveau. Er hat Bock auf eine Musikerkarriere, Geld ist ihm nicht wichtig, Hauptsache irgendwie überleben. Unter diesem Deckmantel ist er aber gut organisiert und hat seine Gigs und seine Noten im Studium im Griff.

Typ4: Der Ehrenamtler: Er macht sehr viele Extra-Kurse, weil ihn das Lernen interessiert. Außerdem ist er in der örtlichen Jugendarbeit aktiv und engagiert sich in der Politik. Er hat wenig Zeit, schafft es aber trotzdem, fast jeden Tag zwei bis drei Stunden zu üben. Wenn er übt, dann sehr konzentriert, weil er engagiert dabei ist, aber weiß, dass er zu wenig übt. Er spielt ebenfalls auf gutem Niveau und ist in anderen Fächern gut bis sehr gut. Er strebt eine normale Laufbahn in kleineren Orchestern in Kombi mit Unterrichten an.

Typ5: Der Arbeitende: Er ist ähnlich wie der Ehrenamtler, finanziert sich aber komplett selbst durch Unterrichten oder andere Arbeit und kann daher nicht viel üben.

Typ6: Der hysterische "Nicht-Über": Übt etwa drei bis vier Stunden am Tag, genießt aber auch ein normales Maß an Freizeit. Zeichnet sich dadurch aus, immer zu sagen, er könne nicht genug üben und habe so wenig Zeit und er sei so schlecht und wisse aber nicht, wie er besser werden könne unter diesen Bedingungen. Er wäre gerne ein Solist, hat diesen Traum aber schon als unrealistisch eingestuft und sieht lieber realistisch, dass es wohl schlechter bezahlte Jobs werden.

Typ7: Das kreative Genie, dass nicht übt... Gibt es nicht. Zumindest habe ich noch niemanden getroffen und auch unter Musikstudenten nie jemanden, der das behauptet hätte.

Achtung: Diese Darstellung von Typen ist natürlich übertrieben!!! Sie ist auch nicht hundert Prozent ernst gemeint. Sie soll nur zeigen, dass es auch unter angehenden Profi-Musikern verschiedene Typen und leider keine Genies gibt.

Dann gibt es noch ein Ding: Üben und üben sind sehr unterschiedlich.
Profimusiker haben Konzerte, Ensembleproben, Orchesterproben, unterrichten, planen Unterricht, spielen Literatur für ihre Schüler an, planen Konzerte und und und. Im Musikstudium ist es genauso. Wenn ich nicht mein Instrument übe, dann beschäftige ich mich mit Theorie, Geschichte, übe andere Instrumente, spreche über Psychologie beim Üben, übe Rhythmik, höre Musik aktiv...
Dabei trainiere ich immer auch die Fähigkeiten, die mir für mein Instrument was bringen. Und dadurch wird der Übeaufwand kleiner.
Letztlich ist es aber auch immer unter Studenten eine heiß diskutierte Frage: Wie viel übst du?
Einige zählen zum Üben jedes Spielen ihres Instrumentes. Andere zählen nicht mal Aus- und Einpacken des Instrumentes oder kleine Pausen während des Übens dazu. Oder wie ist das mit: Einfach mal kurz ein Stück anspielen oder ein wenig "Spielen", also musizieren ohne ständig sich selbst zu korrigieren? Zählt das dazu?
Dadurch kommen mit Sicherheit sehr sehr unterschiedliche Angaben zu Übezeiten zu stande.

So viel erst mal von mir. Wie gesagt, sehr klischeehaft teilweise und nur eigene Erfahrung. Es mag auch noch ganz andere Musikstudenten geben. Und es kommt auch auf das genaue Studienfach an :D

Herzliche Grüße,
Annino
 
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Das mit den Akkorden (intuitiv und schnell internalisiert ohne viel Theorie) dürfte wohl stimmen (bei manchen; da kann man neidisch werden) ...

Das mit den Musiker-Typen wohl auch (Erfahrung und Beobachtung zählen; bin selbst kein Musikstudent, wäre aber an Hochs und Tiefs eines realen durchschnittlichen Musikerlebens interessiert).

Nicht zuletzt arbeitet sich die Gehirnneurologie und überhaupt die zeitgenössische Gehirnforschung ständig an Musikern ab (vererbt/erarbeitet).

Mich wundert aber (das war eigtl. die Frage), wieso man so wenig von konkreten Momenten etwas eines Klavierstudenten erfährt (bleibt offenbar internen Gesprächen mit den Lehrern vorbehalten).

Grundsätzlich dürfte -- unter anderem -- stimmen, was nicht nur Barenboim sagt: Auch Üben geht nur mit voller Konzentration.
(Was den Musiker vom Bildenden Künstler u. anderen unterscheidet , der immer wieder durchatmen kann/muss).

Aus all dem ergibt sich aber viel Psycho-Kram .............. von dem man in konkret-realistischer Form recht wenig mitbekommt (höchstens Exzentrisches von Rockmusikern oder G(o)uld(a).

By the way:
Stimmt's, dass Alkoholismus unter klassischen Musikern ähnlich verbreitet ist wie Drogen unter Rockmusikern (bei den Jazzern eher in der Jazzgeschichte oder aktuell mögl. weise beides ..............) ???
 
Offenbar gibts nur Genies ...,
für die das Üben reine Unterhaltung war ...
Naja, man muß es schon so sehen, dass die Legende, man sein quasi als geborenes Genie einfach so vom Himmel gefallen, als Teil der Imagebildung bei gewissen Musikern einfach zur PR gehört. Sicher gibt es Ausnahmetalente, aber der Amateurmusiker sollte sich wirklich nicht daran messen und selbst fertig manchen.

Stimmt's, dass Alkoholismus unter klassischen Musikern ähnlich verbreitet ist wie Drogen unter Rockmusikern
Da ich zwei "Klassiker" zu meinen Altvorderen zählen darf, kann ich das bis zu einem gewissen Grad bestätigen. Weit verbreitet ist auch, vor allem bei Solisten, der massive Gebrauch/Mißbrauch von Medikamenten wie Betablockern. Ein zweite Sache, die ich als Kind noch von meinen Altvorderen mitbekommen habe ist, dass man gerade in einem klassischen Orchester es einmal aushalten muß was sich dort am Neid, Missgunst und Intrigen zwischen den Musikern abspielt. Dass da so Mancher zur Flasche greift verwundert mich nicht.
 
Mich wundert aber (das war eigtl. die Frage), wieso man so wenig von konkreten Momenten etwas eines Klavierstudenten erfährt (bleibt offenbar internen Gesprächen mit den Lehrern vorbehalten).

Ehrlich gesagt: Was willst du hören?
Ich spreche nicht mal mit meinen Lehrern ausführlich über mein Üben. Dazu ist einfach keine Zeit und ich sehe darin auch keinen Sinn. Die Antwort wäre ja immer: Gut, aber besser üben wäre mehr.

Konkrete Momente eines Klavierstudenten sind wahrscheinlich wochenlange Technikübungen. Dann plötzlich keine Lust mehr darauf. Übefrust. Ausweg im einfachen durchspielen von Stücken. Viel Repertoirewiederholung eine Zeit lang, Vernachlässigung anderer Aufgaben. Dann vielleicht vier Jahre lang verschiedenes geübt und dabei immer mit zwanzig Minuten einer Technikübung angefangen, auf die man schwört. Plötzlich Tod eines geliebten Menschen, ein Jahr kaum geübt, weil die Energie zur Musik fehlte...
Da gibt es einfach nicht den Weg zum Star und ich glaube kaum, das einer der großen Stars ohne Zeiten des Nicht-Üben-Wollens und Zeiten des mit-Hingabe-stundenlang-Technik-übens durch das Leben gekommen ist.

Vielleicht ist es für dich interessant, mal in ein paar Biographien reinzugucken, falls du das noch nicht getan hast, @lamayeshe ?
Ich hab zum Beispiel von Lang Lang "Musik ist meine Sprache", was zu dem Thema doch so einiges hergibt, wenn ich mich recht erinnere. Von Hélène Grimaud "Wolfssonate", was eher mit dem "anders sein" und "Genie sein" arbeitet (wer weiß, ob es nicht doch tatsächlich genauso gewesen ist)? Und von Kent Nagano (ja, nicht direkt Pianist, aber auch Dirigenten üben) "Erwarten Sie Wunder!", was ich sehr toll zu lesen fand und wo er auch von seinen relativ unbeschwerten Anfängen in der Musik berichtet, die kein Drill waren (Ganz im Gegenteil zu Lang Lang).
Alle drei Bücher kann man sehr gut unter dem Gesichtspunkt einer "Übebiographie" lesen, so unterschiedlich sie auch sind.

Vielleicht auch interessant (Wie gesagt, ich weiß noch nicht genau, worauf Du mit der Frage hinauswillst): Der Artikel von Ulrich Mahlert: Was ist üben, in: Ulrich Mahlert (Hrsg.): Handbuch Üben, Breitkopf und Härtel
Darin hat er so genannte Übebiographien von "normalen" Menschen gesammelt. Klingt dann etwa so:

weiblich, 22 Jahre
"Die Geschichte beginnt, als ich mein Glockenspiel bekam, was etwa mit 4 oder 5 Jahren der Fall gewesen sein muss. Da ich auf diesem Instrument keinen Unterricht bekam, versuchte mein Vater sich ein paar Mal daran, mir dieses Instrument näher zu bringen, indem er mir einfache Melodien vorspielte und ich sie nachspielte. [...großer Sprung:tongue:] Etwa zu dieser Zeit kam ich in die Schule, was bedeutete: ich bekam Blockflötenunterricht mit meiner Freundin zusammen. Vielleicht hätte sich mein Übestil weiterentwickelt, wäre meine Freundin nicht viel langsamer beim erarbeiten der Stücke gewesen. Es reichte für mich aus, das in der vorherigen Stunde Geübte noch einmal vorzuspielen. Ich holte meine Flöte zu Hause wirklich sehr selten aus der Tasche. Alles üben geschah im Unterricht. [...] Mit dem Wechsel von der Blockflöte zum Saxophon änderte sich nicht viel in meinem Übeverhalten. Ich suchte mir viele Gruppen, in denen ich mitwirken konnte. Fast jeden Tag war ich mit dem Saxophon unterwegs, was ich in dieser Zeit für eine gute Übung hielt. [...] Das alles änderte sich schlagartig mit Eintritt des Studiums. Da ich nicht wusste, wie viel und wie lang auf welche Weise ich üben sollte, fragte ich meinen Lehrer danach. Ab sofort hatte ich vier Stunden am Tag zu üben. [...] Ich spielte irgendwie vier Stunden zusammen, ohne zu reflektieren, was ich tat. [...] und so machte ich mit meinem Lehrer einen Übeplan. [...]"
- Ist das sowas, was du dir unter konkreten Momenten vorstellst?
 
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Antwort ? Da war schon viel Erhellendes dabei. Ich bedanke ich.

Weniger Übungs-Pläne als Erfahrungen als Schlüsselmomente der musikalischen Arbeit.
Konkret fällt mir etwa ein: Wie stärke ich den 4. und 5. Finger ? (Sinnvolle Übungen; wie lange bleiben die Übenden dran?) Oder: Üben wirklich gleichzeitigen Anschlags von (ab 3-stimmigen) Akkorden.
Insgesamt sind das oft so Sachen, die in der Kind/Jugendlichn-Ausbildung geschehen (oft wohl auch nicht bewusst) und später kaum mehr erinnert werden.
(Zu solchen Details gibts wahrscheinlich in diesem Forum einiges.)

Was mir unkontrolliert zu den Antworten einfällt:
ad Horowitz: Da erinnere ich mich an Interviews, wo eher das Gegenteil rauskommt (seine Frau schaut ihm beim Üben über die Schulter und kontrollierte auch sonst so einiges): d.h. mehr oder minder mühevolles Erarbeiten neuer Partituren, Seite für Seite.

Hier komm ich nicht umhin, mögliche jüdische Aspekte anzusprechen. Habe über 4 Jahre in Paris gelebt (studiert) und (allerdings in anderen Kreativ-Arbeits-Branchen) beobachtet, dass bei jüdischen Kunststudenten (nicht bei allen) Frustrationstoleranz ganz besonders ausgeprägt war, was unser Thema betrifft (Üben): (natürlicher) Durchhaltewillen, Ignorieren negativer Impulse von außen (sagt sich oft leichter, als es getan ist).

Ist ja kein Wunder; hier zählt wohl auch die bewusst/unbewusste Orientierung an den vielen illustren Vorbildern.
Von Barenboim ist mir ein längeres Interview in Erinnerung (ich glaube im SZ-Magazin; übrigens finde ich Barenboim von den Medien zu sehr gehypt, was mögl.weise mit dem jüd./arab. "Friedensorchester" zu tun hat), wo er seine musikalische Erziehung beschreibt (ich glaube, ausschließlich durch den Vater) ... Da sind natürlich auch starke Impulse im Spiel, die mit Musik direkt nichts zu tun haben (z.B. Disziplin; später hört sich dann alles so "leicht" an, etwas bei Interviews).

Die Biografien werde ich mir anschauen (und nicht den Fehler begehen, vorschnell das Falsche auf mich zu übertragen).
In der Nähe der "Genies" (siehe oben) ist natürlich das "Virtuosentum".
Hier muss man allerdings sagen, dass Letzteres zumind. vom 18. Jh. wohl immer ausgeprägt war; wahrscheinlich schon lange vorher (Minnesänger-Wettbewerbe), da kennen sich andere besser aus.
Und beim Jazz sowieso (höre gerade wieder mal John McLaughlin). Man erinnere sich an contests und battles zwischen Bands in der sogenannten Jazzgeschichte (siehe Robert Altmans Film "Kansas City"). (Spreche so vor mich hin, in dem Forum gibts dazu sicher mehr "Experten".)

So sehr die Musikpädagogik (Musik vom Blatt) leider oder glücklicherweise eine Disziplin für sich ist, finden sich erst in letzter Zeit im Jazz gute Angebote. Wo es früher zu wenig gab (erinnere mich an ein Werk von John Mehegan, mit dem ich aber nichts anfangen konnte), gibt es heute so viel, dass eher das Problem besteht, seinen Weg zu finden. Man denke an die schier unerschöpflichen "Free Lessons", die US-Jazzer auf Youtube anbieten. Aebersold etc. bewirken ein übriges.
Die wichtigsten Momente auf der Jazz School (die ich inzwischen wieder verlassen habe, um später wieder einzusteigen, da Üben im Moment viel wichtiger und die Synchronität von Üben, Theorie, Gehör etc. nur bei Fulltime-Musikstudenten -- wenn überhaupt -- möglich ist), waren aber noch immer das "Ich zeig dir was, schau her" eines Dozenten-Musikers (im Jazz gibts zwar wie oben erwähnt inzw. ein irres Angebot, aber pädagogische Fähigkeiten hat kaum einer der lehrenden Musiker; bei den Büchern würde ich das von Frank Sikora empfehlen).

Was ich auch in den Beiträgen hören bzw. lesen wollte (und auch konnte), waren Erkenntnisse wie die eines an besagter Jazz School lehrenden Vibraphonisten (der war immerhin in Berclee war; ich selbst bin übrigens ein in München aus beruflichen Gründen ansässiger Österreicher) -- hier in Bezug auf
musikalisches Memorieren:
(Am Anfang) "Einen Takt täglich" (neu dazu). Später potenziert sich alles.
Dem war die Erfahrung vorausgegangen, dass man schon viel konnte und plötzlich merkt, wie schnell wieder vergessen wird (also: allmählicher Aufbau).
Solche Bemerkung aus der Praxis sind hilfreich (zumind. gelegentlich, ev. verbunden mit "Schlüsselerfahrungen"). Und hier wird man auch bei Youtube/Free Lessons weniger fündig.
Etwa: Schlüsselmomente beim auch harmonischen Improvisieren (eigene neue Progressions u.dgl.) ...
In der Klassik sind da wohl KomponistenMusiker interessant (z.B. Liszt, der diverse Kadenzen wie Tonleitern übte; tun das Klassik-Musikstudenten?).

Noch kurz zum "Alkoholismus" (durch den Beitrag oben bestätigt): Davon erfuhr ich über eine Harfinistin, die nach 10 Jahren Aushilfe endlich eine Stelle in einem Orchester fand; insofern versteht man so einiges (woraus sich alle möglichen weiteren Forum-Themen ergeben, etwa mögl. Frauen-Diskriminierung (wirklich? Ich habe den Eindruck, dass in den großen Orchestern der Frauenanteil inzwischen größer ist als der Frauenanteil im Deutschen Bundestag) etc.
 
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Die Biografien werde ich mir anschauen
Müssen ja nicht genau die sein. Du kennst bestimmt auch noch andere Pianisten, die dich interessieren und von denen es Biographien gibt. Such dir doch wen, der dich besonders interessiert. Das sind halt nur die zwei, die ich von Pianisten habe. "Erwarten sie Wunder" von Kent Nagano fand ich toll, ist aber kein Pianist. Die anderen beiden kann man gelesen haben, aber es gibt sicherlich noch andere. Schau dich einfach mal um, wo du was findest, was dich anspricht und wo du das Gefühl hast, dass es zu deinem Thema passt ; )
 

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