Vorweg: Ich würde mich weder mit einem arschteuren „Custom-Shop“-Instrument, noch mit einer Signature-Gitarre und schon gar nicht mit einer „echten“ wertvollen 50/60er Les Paul oder Strat wohl auf der Bühne fühlen. Das hieße Perlen vor die Säue werfen …
… als bestenfalls durchschnittlicher Gitarrist (vermutlich nicht mal das …) fühle ich mich am wohlsten mit einer durchschnittlich guten Gitarre. Das halte ich für angemessen ;-)
Nun zum Thema „Voodoo“, DerZauberer hat im Ausgangspost das Entscheidende dazu ja schon gesagt:
Letztlich gibt es nur eine Messlatte: Etwas ist gut, wenn es funktioniert - und wenn es nur funktioniert, weil wir dran glauben, so funktioniert es eben doch. Auch, wenn's nicht nachweisbar ist und nur ganz individuell in winzigsten Nuancen von einem selbst bemerkbar ist - wenn es doch funktioniert, warum nicht?
Die folgende Diskussion verlief natürlich erwartungsgemäß: Überwiegendes Bashing der Leute, die sich aus Überzeugung mit der Thematik ausseinandersetzen, was bestimmte alte Instrumente ausmacht und wie man vergleichbare klangliche und haptische Eigenschaften berühmter Vorbilder rekonstruieren kann.
Mir erscheinen auch nicht alle Erklärungsansätze, warum manche alte Instrumente so besonders klingen (sollen) nachvollziehbar, genauso wenig wie diverse Tuning-Maßnahmen.
Aber nur weil ich ...
a) es in Ermangelung eigener Erfahrungen mit bspw. einer 58er Les Paul oder 62er Strat nicht vergleichen kann
b) Unterschiede möglicherweise auch nicht hören würde
... heißt das ja nicht, dass die Leute, die sich tiefgehend damit ausseindergesetzt haben, Quatsch erzählen oder uns gar bewusst verarschen wollen. So, wie es einem Udo Pipper ja gerne unterstellt wird (was ich btw ziemlich frech finde).
Irgendwie ist das typisch für uns Musiker: Wir akzeptieren, dass dem einen der Whopper besser schmeckt als der Big Mac. Den einen die Pizza glücklicher macht als „haute cuisine“. Oder die Pommes mehr als die Bratwurst. Wir akzeptieren, dass der eine einen Golf als gelungenes Autodesign empfindet, der andere einen Alfa. Wir verstehen, dass der eine etwas mit moderner Kunst anfangen kann, der andere "nichts darin sieht". Jeder von uns schmeckt anders, riecht anders, sieht anders. Empfindet
dadurch anders.
Nur wenn es um den Klang von Gitarren und Amps geht, glaubt (fast) jeder von uns, das seine eigene Sinneswahrnehmung die alleinige Referenz darstellt: Kabel/Kondensator/Röhre/Holz x klingt anders als y? Höre
ich nicht, kann also nicht sein.
Zum Thema Gehör: Wenn draußen ein Hund bellt oder eine fremde Katze miaut, reagieren unsere Katzen sofort darauf. Mit einem HiRes-File mit Tierlauten, abgespielt über meine (für menschliche Maßstäbe realistisch, bzw. „neutral“ klingende) HiFi-Anlage lassen sie sich nicht vorgaukeln, dass da ein fremdes Tier in der Wohnung ist. Kann jeder mit seinem Haustier ausprobieren, er wird es nicht irritieren können. Das zeigt mir, wie viel objektiv besser das Gehör unserer Katzen im Vergleich zu meinem ist (Audio-Zeitschriften sollten vielleicht zum Testen von "natürlicher Wiedergabe" Katzen verwenden ...).
Weiteres Beispiel: Der Bulli von Schwiegervater hat einen Farbton, der für mich grün ist. Mit leichtem Blauanteil, aber eindeutig grün. Für meine Frau ist er blau. Selbst wenn jetzt jemand käme, die Farbtemperatur müsst, einen Fächer daneben hält und mir anschließend sagt:
"Das ist eindeutig ein Blauton", so werde ich den Bulli
weiterhin als grün empfinden. Warum sollte es mit dem Hörempfinden anders sein? Natürlich hören wir unterschiedlich.
Insofern tue ich mich schwer damit, „Voodoo-Experten“ von vorneherein als Scharlatane abzutun, nur weil
ich einen Unterschied nicht höre und/oder er für mich keine Relevanz hat. Oder mir jemand anhand von Messwerten und Diagrammen zeigt, dass ein Signal technisch identisch ist.
Noch was zu diesen wissenschaftlichen Abhandlungen, die ja aktuell gerne angeführt werden, um bestimmte subjektive Erfahrungswerte zu widerlegen: Meine Gibson Explorer von 1984 klingt bei gleicher PU-Bestückung (EMG) und Hardware (z.B. Schaller STM-Steg) komplett anders als die neuere Explorer meines Bandkollegen (76er Modell): Schnelleres Attack, weniger Sustain, mehr Mitten, schlankere Bässe. Das gilt sowohl trocken wie auch am Amp. Mich wundert das nicht, denn die 84er ist nicht aus Mahagoni, sondern aus einem hellen, viel leichteren Holz (Erle?).
Geht man nach den wissenschaftlichen Abhandlungen, müssten die beiden Explorer gleich klingen, denn dort lerne ich:
- das Holz hat hat keinen Einfluss auf den Klang, nur die Bauweise
- der Lack hat keinen Einfluss auf den Klang
- das Alter hat keinen Einfluss auf den Klang
- die jahrzehntelange Benutzung eines Instrumentes/„Einschwingen“ hat keinen Einfluss auf den Klang
- der akustische Klang eines Instrumentes hat keinen Einfluss auf den elektrischen Klang, nur der Pickup
Dass die beiden Gitarren trotz dieser wissenschafltich belegten Fakten (?) komplett anders klingen, ist für mich das eigentliche „Voodoo“ ;-) Oder wo liegt da mein Denkfehler?