Als Stage 2-Besitzer lebt man ja immer mit dem unguten Gefühl, daß man sich zum gleichen Preis auch den
Game Changer von Korg hätte kaufen können. Um so gespannter war ich auf den Erstkontakt zum Kronos. Nun habe ich ihn mal eine Weile im Laden ausprobiert; hier meine subjektive Bewertung:
Hardware:
Mit den Proportionen und Gewicht einer Wavestation ist mir der Kronos (61!) schonmal grundsympathisch - auch weil Korg nach den ganzen M3-Experimenten wieder zu einem wertigeren Style zurückgefunden hat, der an die schönen M/T/01W/WS-Zeiten erinnert. Ein bißchen weniger Plaste-Hochglanz und LED-Gefunkel und dafür wertigere Regler wären toll.
À propos: ohne daß ich's drauf angelegt hätte, hat sich das Alphadial während meiner Probier-Session gleich 2 x selbstständig gemacht...
Tastatur fand ich o.k., auch die LED-Helligkeit hat mich nicht so gestört wie Toby (allerdings im hellen Shop, wohlgemerkt).
UI, Bedienung:
Ohne in die Tiefe eingestiegen zu sein: Wer wie ich mit den Urahnen von M1 bis Trinity "aufgewachsen" ist, findet sich auf Anhieb zurecht. Für mein Empfinden alles recht logisch und funktionell, aber auch ziemlich konservativ. Klassisches Menü-Interface plus ein paar Echtzeitcontroller halt. Universal-Slider und -Potis mit wechselnder Belegung, die ich erst im Display nachlesen muß - das finde ich entschieden unsexier als "festverdrahtete" Bedienhardware, bei der alles seinen Platz hat. Klarer Pluspunkt für meinen Stage
Pianos:
Grundsätzlich kann man den Wegfall der Speicherplatzlimitierung nur begrüßen - kein Mensch kann Interesse daran haben, weiterhin loopen zu müssen und wenig Velocitylayers zur Verfügung zu haben; das hier ist die Zukunft.
In der Praxis fällt mein Eindruck zweigeteilt aus;
Zum einen: Zumindest das German D-Sample gefällt mir vom Grundsound her richtig gut und kommt meiner Idealvorstellung recht nahe. Toncharakter, Saitenresonanz, viel Atmo, und schön gleichmässiges Multisampling - alles Top. Ohne Zweifel das beste Piano, das Korg jemals zustande gebracht hat, das beste in einer Workstation überhaupt - und ja, ich hätte diesen Sound sehr gerne im Stage 2.
Mit dem Japanese Grand hingegen konnte ich wenig anfangen, da gefallen mir die Umsetzungen von Yamaha und Nord besser.
Zum anderen:
Der gewaltige technische Vorsprung des 4GB-Samples konnte sich nicht recht mitteilen - klar, die Samples sind ungeloopt, und das ist cool. Aber nimm ein beliebiges Nord-Klavier - da setzt die Loopphase auch später ein, als man die Töne meistens in der Praxis anhält.
Die Velocity war schön glatt und frei von Sprüngen, allerdings fang ich die dynamische Bandbreite nicht wirklich umwerfend. Zumindest beim 61er Kronos war die Obergrenze recht schnell erreicht; Ich habe wechselseitig mit einem Stage 2 compact und dem Jupiter 80 verglichen und empfand bei den beiden letzteren die Dynamik flexibler sowie die "Player-Connection" natürlicher. Sympathetische Saitenresonanz, Halbpedal und Releasesamples dito.
Das alles soll den Kronos nicht abwerten, wie gesagt, ich mag den Sound wirklich, und das ist für mich das wichtigste .
Nur sollte man die Kirche im Dorf lassen und nicht so tun, als wäre der 4GB-Sound einem 80MB-Sound 50-fach überlegen. Das German D-Sample wäre - in geloopter Form und mit 5-6 Vel-Layern auch als 100-200 MB großer Sound für den Stage realisierbar.
E-Pianos:
Etwas weniger Aufmerksamkeit hab ich den Rhodes gewidmet; die haben 1:1 das wiedergegeben, was die ganzen Klangbeispiele im Netz versprachen. Finde ich top und könnte gut damit leben. Ob ich nun die Kronos- oder die Nord-EPs besser finde? Keine Ahnung, das wäre nochmal ausführlicher zu vergleichen. Nord hat mehr exotische Varianten, Kronos eine glattere Dynamik und mehr Einstellmöglichkeiten...
Die paar Clavinet-Stichproben, die ich ausprobiert hatte, klangen etwas modeling-artig synthetisch...
Das DX-Piano au dem Mod7 fand ich suboptimal, da kenne ich viel bessere Varianten aus dem original-DX oder dem SY, sogar einige der gesampelten DX-Varianten aus der normalen Kronos-ROM fand ich überzeugender; dies kann aber auch an dem Preset gelegen haben soll keine Wertung des MOD7 sein.
Daß man's sogar mit dem Stage2 besser hinkriegt, werde ich in kürze in einem separaten Thread demonstrieren..
Orgel:
Nun ja, ich sach mal so: besser so eine Zugriegelorgel als gar keine
. Gegenüber allen Sample-Orgeln (und auch der Kurzweil-Variante in PC3 und Konsorten) ist die CX3 auf jedenfall ein Gewinn. Aufgrund der als Zugriegel nutzbaren Slider finde ich sie auch besser als die Touchscreen-Orgel im Jupiter-80.
Ich denke, trotzdem wird mir fast jeder zustimmen, daß C2/Stage2 eine andere Liga sind.
Restliche Natursounds:
Hier habe ich nur sporadisch einige Einträge der riesigen Soundliste angeklickt (ohne die zusätzlichen Sounds auf der Festplatte zu suchen!) und mein Vorurteil bestätigt gefunden, daß man mit dem üblichen Workstation-Standardniveau zu tun hat. Ob einem diese oder jene Tröte im Motif, Kronos oder Fantom besser gefällt... Geschmackssache. Klingt alles frisch, HiFi, höhenbetont, sehr brauchbar - aber dennoch sehr Keyboard-haft. Keine langen Samples, keine ausufernde Dynamik oder Artikulationsmöglichkeiten. Auf den ersten Blick hält z.B. der Jupiter-80 in diesem Bereich mehr Aha-Effekte bereit ... wer's braucht.
Synthsounds:
Mit diesem Bereich habe ich mich ehrlich gesagt am wenigsten beschäftigt. Einerseits wegen einsetzender Test/Vergleichs-Ermüdung, andererseits war ich auch etwas genervt von der riesigen Anzahl an Sounds, die mich mit Karma/Arp/Wavesequence-gesteuerten Begleitautomatik-darbeitungen langweilten. Anstatt einfach einen geilen Ton zu liefern. Naja, da ich früher die Legacy-Colletion als Software besaß, muß ich das auch nicht unbedingt antesten. Daß der Kronos in dem Bereich von "gut" bis "oberste Liga" geht, glaube ich auch so - nur mag ich an komplexen Synthmonstern mit Bildschirmbedienung nicht so gerne schrauben - ist für mich einfach der falsche Ansatz, egal, was das Ding alles kann.
Unterm Strich bleibt:
Klasse Workstation, würde ich mir definitiv kaufen, wenn's sowas wie den Stage 2 nicht gäbe.
Für Piano-orientierte Keyboarder ist der Kronos ein würdiger Gegner zum Stage 2, der in bestimmten Punkten (SSD, Loops, Potential für Erweiterung) zweifellos überlegen ist, je nach Gewichtung der Anforderungen übertrifft der Kronos trotzdem nicht die Angebote von Nord oder auch Roland.
Die gigantische Auswahl an Tonerzeugern in einem Gerät ist klasse, ich bin mir nur unsicher, ob das bei dem konservativen Workstation-Ansatz mehr Segen oder mehr Fluch ist - zumindest vom Schrauber-Standpunkt gesehen. Ich schraube gerne, aber eher auf so einem spontanen Niveau, nicht so im frickler/Tüftler-Style - und das möchte ich ungerne über so ein Touchscreen-Guckloch tun, sondern über möglichst viele anfassbare Regler, wie sie z.B. ein Virus oder Nordlead bietet.
Daher sind mir klar limitierte Konzepte, die eine bestimmte Sache richtig gut können inzwischen lieber als Alleskönner. Den Performance/Preset-orientierten Ansatz im Jupiter-80 finde ich in den Grundzügen gar nicht so verkehrt, nur geht m.E. die Limitierung hier unnötig weit.