Review Fender Jaguar Classic Player Special HH Olympic White 2008
Surf's up, dude!
Hier mein erstes Gitarrenreview zu meiner Fender Jaguar Classic Player Special HH Olympic White 2008.
Facts:
https://www.thomann.de/de/fender_clas...ar_sphh_ow.htm
# Classic Player Jaguar Special
# Erle Body
# Ahorn C Shape Hals
# Palisander Griffbrett
# 22 Medium Jumbo Bünde
# 2 Enforcer™ Humbucking Pickups (Neck & Bridge) Pickups
# Fender® Adjusto-Matic™ Bridge mit Vintage Style "Floating"; Tremolo Tailpiece und Tremolo Lock Button
# Mensur 24"; (610 mm)
# Sattelbreite 1.650"; (41 mm)
# Farbe: Olympic White
Thomann Neupreis 859 Euro, ich hab sie gebraucht inkl. Tweed Koffer gegen eine gebrauchte Epi Nick Valensi Riviera mit Koffer plus 200 Euros erstanden.
I. Mechaniken:
Fendertypische 6er Reihe, Saiten jeweils in die Mitte der jeweiligen Mechanik einführen
und drehen. Gibts nichts dran zu mäkeln, funktionieren alle super, da verspringt nichts, nicht zu schwer- oder zu leichtgängig das System.
II. Sattel
Irgendein Fender Plastiksattel. Macht keine Probleme, aber der Sattelfetischist würde ihn vermutlich auswechseln.
III. Hals
1. Krümmung
Die Halskrümmung war scheiße eingestellt. Hab die Klampfe zum Gitarrenbauer (
www.helliver.de) gebracht, der nicht viel an der Krümmung ändern konnte, ohne die Spannung derart groß werden zu lassen, dass die Gefahr eines Halsbruches bestanden hätte. Ergo: Der Hals lässt sich nicht optimal einstellen, was mir als Amateur allerdings auch nicht beim Spielen auffällt. Ohne Böses unterstellen zu wollen: Habe schon mehrere Gitarren im Preissegment unter 1000 Euro zu dem Gitarrenbauer gebracht und er hat jedes Mal die Einstellmöglichkeit des Halses moniert. Das führt für mich entweder zu dem Schluss, dass sich Hälse im Preissegment unter 1000 Euro immer scheiße einstellen lassen, dass er auf solche Dinge aufmerksam macht, damit man sich irgendwann eine Gitarre von ihm bauen lässt und nicht mehr von der Stange kauft
oder dass ich bisher bei meinen 5-6 E-Gitarren immer Pech mit der Verstellbarkeit des Halses hatte. Ich vermute Letzteres, was mir aber -wie gesagt- recht egal ist, weil ich es beim Spielen nicht merke.
2. Bundstäbchen
Medium Jumbo Frets, die erste erwähnenswerte Modernisierung im Vergleich zu den originalen Jaguars mit Vintage Frets aus den 60s, die ich auch gerne als Spaghetti Bünde bezeichne. Absolute Geschmackssache womit man besser klar kommt. Die höheren und dickeren Medium Jumbo Frets erleichtern mir das saubere Greifen, weil ich mich damit besser auf dem Griffbrett orientieren kann. Abrichtung 1a!
3. Mensur
Eine Jaguar ist eine Short-Scale Gitarre. Damit muss man klar kommen. Ich persönlich finde die Short-Scale Eigenschaft für Single-Notes sehr angenehm. Die Finger müssen beim Spielen nicht so weit gespreizt werden
, Standard A-Dur Barree Griffe fallen mir schwerer. (ich greife die drei Saiten für den A-Dur Griff mit dem Ringfinger und die hohe E-Saite berühre ich gerade bei dieser Short-Scale Gitarre dadurch mit). Allerdings würde ich die Short-Scale Eigenschaft auch nicht überbewerten. Es ist nicht so, dass die Gitarre mit fetten Wurstfingern unspielbar wäre. Ich bin 1,93m groß und habe in etwa proportional große Finger
und komme gut mit der kurzen Mensur klar.
4. Ahorn C-Shape Hals und Palisander Griffbrett
Das wohl angenehmste, was ich je gespielt habe.
Quasi das Prunkstück des Instruments. Der Griffwinkel für die linke Hand ist wahnsinnig angenehm zu spielen. Auch nach Stunden. Der Hals ist nicht zu dick und nicht zu dünn. Nicht zu stark abgerundet, aber auch kein gerades Brett und die Verarbeitung ist top. Eignet sich für alle gängigen Spieltechniken sehr gut. Ab Kauf war er nicht zu trocken und wurde entweder grundgereinigt oder die Gitarre wurde selten gespielt. Sah aus wie neu.
IV. Pickguard
Habe das Stock-Tortoise Pickguard (Nussbraun mit helleren und dunkleren Sprenklern) gegen ein maßlos überteuertes scheiß Plastikpickguard getauscht, das ich aus der USA-Bucht einfliegen lassen habe. Das Güldene dellt sich, hat keine Abschirmung und fühlt sich scheiße an. Quintessenz: Geld aus dem Fenster geschmissen, aber dazu gelernt, dass ein Pickguard nicht egal ist.
Die Gitarre brummt mit dem goldenen Pickguard -vermutlich wegen der fehlenden Abschirmung. Deshalb, zack, das gute Stock-Pickguard wieder drauf und alles optimal. Scheißenviel Arbeit, weil für die Aktion alle Saiten runtermüssen und die Pickups an das Pickguard gefriemelt werden müssen. Schade, ich fand das Güldene sehr schick, aber die Nachteile waren mir einfach zu groß. Aus dem Pickguard war übrigens innen ein Stempel mit der Aufschrift: 26. Jun. 2008. Danke, ihr lieben Mexikaner, jetzt weiß ich in etwa, wann meine Gitarre Geburtstag hat.
V. Body
Die meisten finden Offset Gitarren potthäßlich. Ich mag das Body Shape. Für mich der angenehmst zu bespielende Body, sowohl im Stehen als auch im Sitzen. Das Shaping passt offensichtlich zu meiner Statur.
Zudem spielen meine Vorbilder diese Gitarrenbodies (Pat Walden Babyshambles, Sonic Youth, J. Mascis, Tocotronic...)
Der Lack hat keine Macken und sieht ebenfalls gut verarbeitet aus. Hier der nächste Unterschied zu den USA Jaguars: Billigere Polyester-Lackierung/Beschichtung. Klingt anders, vermutlich schlechter.
VI. Knöppe
Gibts reichlich (der Vergleich zu einem Transistor-Radio liegt durchaus nahe). Die Knöppe in allen Einzelheiten zu erklären spare ich mir, da verweise ich den Interessierten auf
www.offsetguitars.com oder ähnliche Websites. Jedenfalls unterschiedet sich die Schaltung maßgeblich von den originalen Jaguars. Es gibt einen Killswitch, der die Gitarre ausmacht (reine Spielerei), die Volume und Tone Potis tun ihren Job -gerade für so eine Gitarre unter 1000 Euro- sehr gut, es gibt einen Switch, der die Bässe mutet (Surf Surf) und zwei Roll-Regler, die stufenlos zwischen Single-Coil und Humbucker Modus switchen lassen. Also nicht 1, 2, 3 oder 4 coils, sondern auch mal 2 8/9 coils oder 3 4/7.
VII. Pickups
Der Neck-Pickup ist vom Output her ein standardmäßiger Hals-Humbucker. Den spiele ich am allermeisten, tendenziell in Richtung Single-Coil geblendet für cleane und leicht overdrivige Indie- und Surfsounds. Der Bridge Pickup hat ordentlich Feuer unterm Hintern. Geeignet für recht klar herausklingende Töne auch bei extremer Distortion.
Als Single-Coils geblendet haben sie auf jeden Fall den Grundsound, den man von einer Jaguar erwartet, allerdings mit einer gewissen Eigenständigkeit. Ein voll auf Single-Coil geblendeter Humbucker wird wohl nie wie eine klassische Single-Coil Gitarre klingen. Feedback war mit dem goldenen Pickguard ohne Abschirmung ein kleines Problem, mit dem Stock Pickguard überhaupt nicht. Oder sagen wir besser minimal, was mich nicht stört, rock 'n roll.
VIII. Brücke/Floating Tremolo
Das leidige Thema unter den Offset Gitarristen: Trotz der vielen Modernisierungen, die die Gitarre wohl eher zu einer Grunge- als zu einer Jazz- und Surf-Gitarre machen, für die sie Leo ursprünglich gedacht hatte, wurde das Floating Tremolo System beibehalten. Dieses System hat viel diskutierte Vor- und Nachteile (Verstimmen der Gitarre, Saiten Scheppern versus typischer Surf Tremolo Sound und Akkordspiel mit Tremolo Einsatz [beliebt für Shoegaze]).
Als Abhilfe gegen das Scheppern wurde die eine Winkelverlagerung geschaffen: Die Brücke wurde ca. 2cm in Richtung Hals versetzt, wodurch die Gitarre einen steileren Winkel hat und eine bessere Saitenlage ohne Scheppern ermöglicht wird. Zudem hat die Gitarre eine Gibson-artige Tune-O-Matic Brücke. Dadurch werden die Nachteile der Original Brücke (Saiten springen aus den Reitern) ausradiert. Ein absolutes Rätsel bleibt allerdings, warum die Entwickler aus dem Fender Custom Shop (ja, die haben die Gitarre entwickelt, aber produziert wird sie aus Kostengründen in Mexiko) eine Kerbenbrücke und keine Rollenbrücke verbauen ließen. Bei einem Tremolo-Einsatz kann sich bei Kerben natürlich was verhaken. Das stellte bei mir zu Anfang auch durchaus ein Problem dar, die Gitarre verstimmte sich ständig. Irgendwie hat sich das allerdings eingependelt.
Ich spiele 11.er Saiten, was man bei ner Gitarre mit ner kurzen Mensur und diesem Tremolo-System mindestens tun sollte. Dadurch verstimmt sie die Gitarre nicht mehr so sehr. Ich vermute die Kerbenbrücke wurde verbaut, weil die Entwickler davon ausgingen, dass die Gitarre als Brat-Grunge-Brett benutzt wird und der Tremolo Hebel eh nicht zum Einsatz kommt.
Ich nutze ihn auf jeden Fall und mit den dickeren Saiten ist der (gemäßigte) Einsatz auch kein Problem mehr. Bei Dive-Bombs verstimmt sich die Gitarre mit dem Vintage Tremolo System natürlich trotzdem. Die Fender Kerbenbrücke ist sehr wackelig. Ich habe sie mit Sekundenkleber (Jaja, FEHLER, FEHLER) fixiert und jetzt keine Probleme mehr. So toll war der Kleber gottseidank doch nicht, die Saitenhöhe etc. lässt sich doch noch verstellen. Ansonsten sollte man natürlich Locktite verwenden.
Eine Rollen Schaller Bridge würde die Gitarre sicherlich aufwerten, aber für meine Bedürfnisse reichts.
Jaguars sind für Jazz- und Surf konzipiert und damals wurden die Gitarren mit dicken Flatwounds gespielt. Daher funktioniert das Tremolo System auch heute noch am optimalsten mit eben diesen Saiten oder zumindest dicken Nickel Saiten. Ab nem 11er Satz sind sämtliche Brücken-Probleme behoben. Meine Klampfe verstimmt sich nicht mehr.
Sonic Youth Sounds durch das Spielen hinter der Brücke sind durch die Brückenverschiebung nur noch begrenzt, also sehr leise möglich.
IX. Gurtpins
Die Gurtpins machen sich gut. Habe Pott's Biernöpel als "Sec Locs" dran und alles hält.
X. Fazit
Die Gitarre klingt eigenständig, kann extrem braten (mega heißer Bridge-PU) und gleichzeit smooth daherkommen (Standard outputtiger Neck-PU). Die stufenlose Blendbarkeit der Humbucker ergibt unzählige Sounds, aber immer den geilen Fender Twäääääääääääng. Sie kann ordentlich grungen, aber ich sehe ihre Stärken auch im cleanen Bereich mit viel zugeschaltetem Spring Reverb. Gerade der Neck PU alleine mit Bass Mute Schaltung ergibt da meinen Lieblingsklang. Der Hals spielt sich großartigst und bei dicken Saiten und dem richtigen Setup bleibt die Gitarre trotz der beweglichen Kerbenbrücke auch beim Tremolo-Einsatz stimmstabil. Gut geeignet ist die Gitarre auch für James Bond Sounds
und sämtliche Tarantino Soundtracks.
Ich würde die Gitarre zudem demjenigen empfehlen, der Indie und Grunge spielen will. Auch den Surfer sollte die Doppelhumbuckerbestückung nicht abschrecken, auch wenn für reine Surfer die Single-Coil Version zum Kauf natürlich näher liegt.
Es ist eine typische Fender Gitarre. Nach Les Paul oder ES klingt sie nicht, ansonsten sind der Vielseitigkeit Grenzen höchstens im Heavy Metal Bereich gesetzt. Sie kann zwar braten, aber da klingt es eher nach Nirvana, Sonic Youth oder Tocotronic, nicht so sehr nach Metallica oder Slipknot. (erschießt mich für meine Beispiele
)
Sicherlich keine Jedermanns-Gitarre wegen der Short-Scale Eigenschaft und ihrer tendenziellen Spartenausrichtung auf modernen Surf-, Indie und Grunge.
Zum Abschluss noch ein kleines Video von Herrn Hilden, der wieder mal straight sein Blues-Ding durchzieht, was aber zeigt, dass die Gitarre auch hier ihre Stärken hat, Danke für die Aufmerksamkeit:
http://www.youtube.com/watch?v=NTHvHyypLVE