Das Geheimnis der schwarzen Tasten

Hurra, endlich gewinnt das Musikerboard an literarischem Format. 'Die Stimmung der Welt' werde ich mir bei Gelegenheit doch mal 'reinziehen, hab' bei Libreka schon mal etwas 'reingeguckt, las sich recht anziehend. Tip an Jens Johler: So wie wir in der Musik Taktstriche benutzen, um Zeiteinheiten zu markieren, setzt der Schriftsteller Satzzeichen wie zum Beispiel Gänsefüßchen, um die wörtliche Rede zu markieren. Die Charaktere treten dadurch klarer und handgreiflicher hervor.

Ich muß nun gestehen, daß ich beim Lesen der sehr guten Posts in diesem Thread öfter mal 'ne Pause einlegen mußte, weil doch recht komplexe Inhalte diskutiert wurden; hab' auch 'ne Menge dabei gelernt. Ich nun allerdings hab' doch den Eindruck, Du bist mit Deinem neuen Aufsatz etwas vom Thema abgekommen, nämlich von der Entwicklung der Klaviatur (ich denke, das war doch Dein Thema, oder?) zur gleichstufigen Stimmung.

Ich hatte ja schon erwähnt, daß Lautenisten die gleichschwebende Stimmung schon in der Renaissance benutzten; das ist ganz natürlich, wenn man auf dem Griffbrett Darmsaiten als Bundstäbchen herumschiebt. Der Schock der neuen Stimmung auf der Orgel wird für Johann Sebastian Bach und seine Zeitgenossen im Barock wohl nicht ganz so groß gewesen sein, wenn's diese Stimmung schon seit über hundert Jahren gab. Was mir aber noch wichtiger ist, sind die Bedeutungen der Tonstufen in einer Tonleiter.

Mit der Entwicklung der Tetrachordlehre und der Hexachordlehre, die ich ja bereits erwähnt hatte, treten ja auch neben Ganztonschritten Halbtonschritte und damit starke Strebetöne, also starke Leittöne und Gleittöne, auf den Plan. Möglicherweise waren die Strebetöne damals vielleicht wichtiger als die wacklig zu intonierende Mediante, die heute ja über Dur und Moll und damit über den Klangcharakter des Musikstückes entscheidet. Durch den Blues ist die Mediante heute in der Pop- und Rockmusik ein wichtiges Intervall geworden: Der Wechsel von einer kleinen zu einer großen Terz täuscht eine melodische Bewegung vor, die eigentlich gar nicht stattfindet. Mir fällt als Beispiel gerade nur dieser Song von den Ting Tings ein: http://www.youtube.com/watch?v=v1c2OfAzDTI .
Ich kann mir schon vorstellen, daß im Mittelalter die Tonika, die Oberdominante, die Unterdominante und der starke oder schwache Leitton schon die Hauptbestandteile der Melodie ausmachten, während die Mediante nicht so wichtig war. Aus dem starken Leitton b quadratum im hexachordum durum - das deutsche h - wurde so das b rotundum - das deutsche b - im hexachordum molle, also ein schwacher Leitton in g-Moll. Damit wäre das b rotundum die erste schwarze Taste auf der Klaviatur, also Deinem Thema; weiß jemand näheres über Positive im Mittelalter?
Tip an Jens Johler: Schreib' doch mal 'nen Roman über Guido von Arezzo!

Weiterhin noch viel Spaß in der Musiktheorie!

Arthur Milton
 
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Lieber Jens Johler, ich fühle mich geehrt, dass du dich hier beteiligst, aber auch ein wenig peinlich berührt wegen meiner zurückhaltenden Äußerung über dein Buch. Ich bin nicht so der Belletristik-Fan, sei zu meiner Entschuldigung gesagt, habe aber schon viel über Bach gelesen. Dein Buch ist lesenswert, das will ich deutlich sagen. Du verbindest geschickt das wenige, was über Bachs Leben bekannt ist, mit der Fiktion, wie es sich ereignet haben könnte. Sogar für den Begriff Zippelfagottisten hast du dir eine plausible Bedeutung einfallen lassen! Aber du holst Bach vom Sockel und machst ihn menschlich. Das war für mich ich irgendwie, als wenn gegen ein Sakrileg verstoßen würde. Ist natürlich Quatsch, ich weiß. Aber wie gesagt, klug gedacht finde ich das Kernthema. Aus der drögen Forschung nach besseren Stimmungen machst du eine spannende Story und eine Glaubensfrage. Historische Fakten und Musikwissenschaft leicht lesbar und spannend verpackt - Filmreif.

Aber zurück zum Thema:

Ich nun allerdings hab' doch den Eindruck, Du bist mit Deinem neuen Aufsatz etwas vom Thema abgekommen, nämlich von der Entwicklung der Klaviatur (ich denke, das war doch Dein Thema, oder?) zur gleichstufigen Stimmung.
Bedingt. Ich wollte eigentlich meine rudimentären Kenntnisse über die pythagoreische Stimmung aufarbeiten und wie es von dort zur gleichstufigen Stimmung kam. Das mit der Klaviatur hat sich eigentlich dann quasi von alleine als zentrales Element ergeben. Das hat sich für mich dann aber als guter Aufhänger zur thematischen Einengung erwiesen.

Ich will dahingehend aufgrund der letzten Diskussionsbeiträge meinen Aufsatz nochmal überarbeiten. Und zwar in folgendem Sinne: Die pythagoreische Stimmung führt zum Zwölftonsystem, hat jedoch bis auf die Quinte nur unreine Intervalle und ist daher für polyphones Spiel nicht geeignet. Tatsächliches Ideal ist die reine Stimmung, bei der zu vermuten steht, dass sie schon im Mittelalter, wenn nicht sogar noch früher im praktischen Gebrauch war. Mit Aufkommen der Polyphonie suchte man nach Möglichkeiten, die reine Stimmung auch auf Tasteninstrumenten spielbar zu machen, fand dabei neben gescheiterten Experimenten mit mehr als zwölf Tasten gute Stimmungen, die aber letztendlich auch scheiterten, weil sie nicht für alle Tonarten taugten und diesen oder jenen Makel hatten, und kam am Ende auf die gleichstufige Stimmung, die bis auf die Oktave überhaupt keine reinen Intervalle hat. Ein unlösbares Problem wegen des pythagoreischen Kommas.

Auf die vielen hier genannten Details und Besonderheiten will ich gar nicht eingehen, um eng am Thema zu bleiben. Dafür müsste ich mich damit auch intensiver beschäftigen, das ist ja alles unglaublich komplex. Schon bei den genannten Strebetönen der Griechen habe ich Zweifel: wenn man den Oktavton rein stimmt, ist der Septimton in der pythagoreischen Stimmung ein sehr starker Strebeton. Aber hat man ihn rein gestimmt? Und haben die Lautenisten gleichstufig gespielt oder nicht doch rein, was naheliegender wäre? Eigentlich bezweifle ich auch nun doch wieder die praktische Relevanz der pythagoreischen Stimmung: auf gestimmten Instrumenten kann man sie benutzt haben, aber wird nicht auch ein gregorianischer Sänger eher reine Intervalle gesungen haben? Wenn wir heute schon im Gesang nach reinen Intervallen streben, obwohl das Klavier ständiger Begleiter ist? Ich behaupte mal, dass dies meist ohne diesen ganzen musiktheoretischen Background geschieht.

Das führt mich zu einem ganz abwegigen Gedanken: gibt es eine schlüssige Begründung dafür, dass reine Intervalle natürliche Harmonien sind bzw. Akkorde mit reinen Intervallen als harmonisch empfunden werden? Klar, es ist so, wir empfinden so. Aber ist dieses Empfinden wirklich ein natürliches oder möglicherweise antrainiert? Zwar haben in reiner Stimmung die an einer Harmonie beteiligten Grundtöne reine Intervalle. Wenn ich aber auf die einzelnen Obertöne schaue, geht's durcheinander. Beispiel: im Zusammenklang von Prime und große Terz hat: der zweite Oberton der Terz (Quinte) gegenüber dem Grundton der Prim ein irrationales Zahlenverhältnis. Trotzdem klingt es harmonisch. Reicht es aus zu behaupten, das läge an der inhärenten Harmonie der Töne?
 
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... in seinem letzten, 1707 postum erschienenen Werk "Musicalische Paradoxal-Discourse" empfiehlt Andreas Werckmeister als "wohl temperiert" eine Stimmung, in der das pythagoreische Komma gleichmäßig auf alle zwölf Quinten verteilt wird, also die gleichschwebende Temperatur.
In meinem Roman trifft Bach in Lübeck bei Dietrich Buxtehude auf Andreas Werckmeister und lässt sich von ihm diese Stimmung zeigen.
Ich weiß natürlich, dass einige Musiktheoretiker die Ansicht vertreten, Bach hätte nicht gleichschwebend temperiert, aber wer ganz redlich sein will, muss sagen, man weiß es nicht.
Willkommen im Musiker-Board,

sorry, daß ich einen kritischen Kommentar nicht unterdrücken möchte. Doch es ist ja besser, man redet über ein Buch, als daß man es verschweigt.

Wer "ganz redlich" sein möchte, der sollte aus "Musicalische Paradoxal-Discourse" (drin blättern) nicht nur die Stelle zitieren, die einem in das Konzept passt:

Wahrscheinlich ist die u.g. Stelle auf S. 111 gemeint (oder auf S. 112) :

gleichstufig.jpg

Was zwei Seiten weiter leider nicht in das Konzept passt, würden redliche Leute nicht weglassen:

wohltemperiert.jpg

Da heisst es im Klartext, daß Werckmeister bei einer der wohltemperierten Stimmungen bleibt, bei der die häufig gebrauchten diatonischen Terzen etwas reiner gestimmt sind als die anderen ("gute Veränderung").

Man sollte möglichst auch durch einen Roman nicht unterstützen, daß die Differenzierung zwischen "wohltemperiert" und "gleichstufig", die sich endlich immer mehr durchsetzt, einfach wieder abgeschafft wird.

Diejenigen, die sich darum bemüht haben, herauszubekommen, wie Bach gestimmt hat sind m.W.n. nicht der Meinung gewesen, es wäre die gleichstufige Stimmung gewesen: z.B. Barnes, Billeter, Kelletat, Kellner

Bevor Du also nicht viele andere Wissenschaftler nennst, die deiner Roman-Aussage zustimmen, würde ich keinen Anlass sehen, an der Aussage in Wikipedia zu zweifeln:

Jedoch besteht in der Forschung Einigkeit darüber, dass Bach keinesfalls die gleichstufige Stimmung zugrunde gelegt hat.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wohlte...n_zur_Wohltemperierten_Stimmung_bei_J.S._Bach

Genial, die Entdeckung von 1999 (Andreas Sparschuh) welche die Girlande auf dem Titelblatt von Bachs Wohltemperiertem Klavier, I. Teil, 1722 als Vorschrift zum Stimmen des Quintenzirkels deutet:

Bachswohltemperiertegirlande.gif
(Quelle: Joachim Mohr in http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bachswohltemperiertegirlande.gif)

Duch die engeren Quinten bei den gebräuchlicheren Tonarten werden die entsprechenden Terzen etwas reiner und so "wohltemperiert", was der obigen Aussage von Werckmeister entspricht. Unumstritten ist die Deutung allerdings ebenfalls nicht.

Am redlichsten wäre es, einen Roman zu schreiben, der vom neuesten Erkenntnisstand über die damalige Zeit ausgeht. Das macht jedoch viel Arbeit und der durchschnittliche Leser mag es ohnehin eher einfacher, am besten noch mit einer Liebesgeschichte (praktisch unvermeidlich), auch wenn sie frei erfunden ist.

Der Autor möchte ja auch von etwas leben und bedient die Erwartungen der Leserschaft. Hollywood macht es vor: Da wird vereinfacht, Klischees werden bedient, regelmäßig wird hemmungslos übertrieben und emotionalisiert. Vorteil: Wenn es nicht gar zu platt ist, klingelt die Kasse lauter.

Und es ist ja durchaus zu begrüßen, wenn sich nach der Lektüre eines spannenden Romans, mehr Leute mit Bach befassen als vorher.

Wünschenswert wäre es vielleicht, in einem Anhang die Unterschiede zwischen Realität und Fiktion zu verdeutlichen, damit sich falsche Vorstellungen nicht zu sehr festsetzen.
Muster: Wiki-Eintrag zum Mozart-Film "Amadeus" (1984)

Viele Grüße und nichts für ungut!

Klaus
 
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Die offenbar (längst?) nicht abgeschlossene Forschung zu diesem Thema und vielen anderen zeigt doch, wie musikwissenschaftliche Forschung allerlei Einflüssen unterliegt und ebenfalls auf Phantasie zurückgreift, wenn Erklärungen und Deutungen gesucht werden, aber bislang nicht durch Quellen gedeckt sind. Zusätzlich finden sich aus gutem Grund wissenschaftliche Auseinandersetzungen über die Deutung dessen, was "schwarz auf weiß" vorliegt.

Am redlichsten wäre es, einen Roman zu schreiben, der vom neuesten Erkenntnisstand über die damalige Zeit ausgeht...
Der im Zitat bezeichnete Abschnitt wirkt auf mich etwas arg polemisch und erinnert mich an einen häufigen Automatismus unter Jazzern:
...you go right into the wastebasket with some critics the minute you become successful.
http://en.wikipedia.org/wiki/Bobby_Hackett
Es gibt bekanntlich eine überaus lange Tradition, historische Persönlichkeiten zur Hauptfigur eines Romans zu machen. Historisch-biografische Fakten sind spätestens dann zweitrangig, wenn es die Fiktion beeinträchtigt, ein vielfach untersuchtes Beispiel dafür bieten Shakespeares Königsdramen.

Bei einem Roman und einem Sachbuch habe ich kaum vergleichbare Erwartungen, den sie unterscheiden sich von Grund auf: anderes Ziel, anderer Stil und die für den Roman entscheidende Rolle der Phantasie des Autors.
Dennoch regt der Roman über einen Musiker möglicherweise zur näheren Beschäftigung mit Leben und Werk der historischen Person an, der Zweck eines solchen Romans muss das aber nicht sein.

Gruß Claus
 
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Lieber Radobo, lieber Arthur Milton, lieber Klaus,

ich danke Euch für die freundliche Begrüßung. Ich hatte hier eigentlich einen anderen Beitrag vorbereitet, aber nun muss ich mich wohl mit der Kritik von Klaus auseinandersetzen.
Grundsätzlich: Kritik ist immer gut. Nur so kommt man weiter.
Grundsätzlich: Was habt Ihr nur immer gegen Hollywood? Die Grundformel "spannend ist besser als langweilig" ist doch sehr in Ordnung. Und ja, dazu gehört in der Regel ein gewisses Maß an Vereinfachung. Aber Vereinfachen - im Sinne von: die Sachen auf den Punkt bringen - will auch gelernt sein. Mythen sind einfach. Sind sie darum flach?

@ Klaus: Mein Roman ist ja doch leider nicht in Hollywood gelandet, das Geld hätte ich gern. Aber ist es "Klischee", aus Bach einen jungen Mann zu machen, der seinen Weg erst finden muss, der auch mal eine Oper komponiert (die Passionen werden ihm später als zu opernhaft kritisiert - heute inszeniert man sie als Opern), und der die Frauen liebt, anstatt ihn - und das ist das Klischee! - als fünften Evangelisten darzustellen?
(cf Peter Sühring auf http://info-netz-musik.bplaced.net/?p=11658)

Nun aber zum Thema Redlichkeit:

Was glaubst Du, wie oft ich während meiner Arbeit an dem Roman ins Schwitzen gekommen bin, wenn ich wieder was von Kelletat gelesen habe oder von der Girlanden-Theorie und überhaupt davon, dass Bach NICHT gleichschwebend temperiert habe. Mein ganzer Roman steht und fällt ja damit, dass der Held mit Hilfe seines Mentors einer Stimmung zum Durchbruch verhilft, die keine reinen Intervalle mehr kennt und sich damit von dem jahrtausendealten Ideal der Weltharmonik verabschiedet. Das pythagoreische Komma wird gleichmäßig auf alle Quinten umverteilt, die Terzen werden noch stärker temperiert, und damit kehrt sich die europäische Musikwelt ab vom Reinheitsideal. Wenigstens, soweit das Klavier beteiligt ist.

Dass diese Entwicklung stattgefunden hat, ist ja unumstritten. Die Frage ist nur, ob oder wie Bach daran mitgewirkt hat. Also wie der historische Bach sein Instrument wirklich gestimmt hat. Ich sage, man weiß es nicht. Wikipedia sagt, man weiß es oder es bestünde in der Forschung Einigkeit darüber, dass Bach keinesfalls die gleichstufige Stimmung zugrunde gelegt hat.
Ich rede, nebenbei bemerkt, nicht von "gleichstufig", sondern von gleichschwebend, nämlich davon, dass "alle Quinten ein zwölftel Commatis herunterschweben", wie es bei Werckmeister heißt.

Du fragst, auf welche Theoretiker ich mich berufen könnte. Ich habe jetzt mal schnell in mein Regal geschaut und biete: Hermann Keller "Das Wohltemperierte Klavier", S.16; Siglind Bruhn "J.S.Bachs Wohltemperiertes Klavier - Analyse und Gestaltung". S.14; Malte Korff: "Johann Sebastian Bach", S.70; Christoph Wolff "Johann Sebastian Bach", S.90 und vor allem Martin Geck, "Bach", S. 584.
Könnte fortgesetzt werden.

Übrigens nehme ich auf meiner Homepage www.jens-johler.de ausführlich zu "Fiktion und Fakten" Stellung, sehr schön übersichtlich, kapitelweise angeordnet. Werckmeister-Zitate finden sich auf der Seite zu Kapitel 20, eine Literaturliste gibt's am Ende.

Ich sagte schon, Kelletat et. al. haben mich immer wieder ins Schleudern gebracht, weil ich in meinem Roman keine Fakten fälschen wollte. Hätte ich den unwiderleglichen Beweis dafür gefunden, dass Bach nicht gleichschwebend temperiert hat, dann hätte ich mein Romanprojekt aufgegeben oder zumindest mit einer fiktiven Musikerfigur gearbeitet.
Aber ich bin bei meiner Konzeption geblieben, obwohl ich "den neuesten Erkenntnisstand über die Zeit" zur Kenntnis genommen habe. Manchmal, pardon Klaus, macht es noch mehr Arbeit, den neuesten Erkenntnisstand aus guten Gründen wieder beiseite zu schieben. Es gibt auch eine Einfachheit jenseits der Kompliziertheit.

Ich sagte oben, ich würde mich "vor allem" auf Martin Geck berufen. Der formuliert nämlich ziemlich genau das, was mich in meiner Konzeption bestärkt hat:

"In der Praxis dürfte Bach nicht vollkommen, sondern im Wortsinn ‚wohltemperiert' gestimmt haben. Dem Nekrolog zufolge wußte er sein ‚Clavicymbale (...) so rein und richtig zu temperieren, daß alle Tonarten schön und gefällig klangen.' Da mag gemäß traditioneller Tonartencharakteristik C-Dur reiner als Cis-Dur geklungen haben. Doch solche aufführungsästhetischen Erwägungen berühren nicht die Feststellung, daß mit dem Wohltemperierten Klavier die gleichschwebende Temperatur als theoretische Konzeption, als geradezu philosophisches Postulat definitiv auf der Tagesordnung der Musikgeschichte steht: Der Komponist fordert die Berechtigung ein, sein Tonmaterial ganz nach seinem Willen zu organisieren." (S.584)

Meine Grundsatzentscheidung war: Ich nehme Bach trotz aller Ungewissheit darüber, wie er denn nun wirklich sein Clavicymbale gestimmt hat, als denjenigen, der exemplarisch für die gleichschwebende Temperatur steht, weil er mit seinem Wohltemperierten Klavier die Möglichkeit und die Notwendigkeit gezeigt hat, in allen Tonarten zu spielen.

In meinem Roman begegnet Bach Andreas Werckmeister in Lübeck bei Dietrich Buxtehude, und Werckmeister offenbart ihm mit Worten aus den Musicalischen Paradoxal-Discoursen das Geheimnis der gleichschwebenden und eben auch wohltemperierten Stimmung.

Nun zu meiner vermeintlichen Unredlichkeit: Ich lese Werckmeisters Argumentation anders als Du, Klaus. Jetzt muss ich aber etwas ausführlicher zitieren:

Im 24. Kapitel heißt es:
"Wir schreiten weiter und wißen, wenn die Temperatur also eingerichtet wird, daß alle Quinten 1/12 Commat: die Tert: maj 2/3 die min:3/4 Comm schweben und ein accurates Ohr dieselbe auch zum Stande zu bringen und zu stimmen weiß, so dann gewiß eine wohl temperierte Harmonia durch den gantzen Circul und durch alle Claves sich finden wird. Welches dann ein Vorbild seyn kan, wie alle fromme und wohl temperirte Menschen mit GOtt in stetswährender gleicher und ewiger Harmonia leben und jubiliren werden." (S.110)
Das klingt nicht gerade so, als wollte Werckmeister sich von diesem Jubilieren wieder distanzieren. Und wenige Sätze weiter, auf S.111 noch einmal:
"Hierbey werden sich wohl einige verwundern, daß ich allhier eine Temperatur, da alle quinten 1/12 Commatis, die Tertiae mar:2/3 die min:3/4 und also alle Consonantien in gleicher Schwebung stehen, statuire, welche ich doch nicht ausdrücklich in meinem Monochordo vorgestellet; darauf gebe zur Antwort, daß ich schon vor 30 Jahren (...) auf diese Temperatur gedacht habe."

Nun hätte ich, sagst Du, so redlich sein sollen, auch S.113 zu zitieren, und nimmst mir die Arbeit ab. Aber natürlich auch wieder unvollkommen. So ist das nunmal mit den Zitaten.

Der Duktus des Textes, wie ich ihn lese, ist der: Werckmeister hat schon vor dreißig Jahren auf diese gleichschwebende Stimmung gedacht, hat sich aber nicht getraut, damit hervorzutreten, weil er sonst "von den Wölfen der Ignoranz gar zerrissen" worden wäre.
Was wollten diese Wölfe? Sie wollten, dass die TERZEN rein gestimmt werden. Werckmeisters Hauptkampf gilt dem "großen Irrtum", dass die Terzen rein sein sollten.
Nachdem er oben die Stimmung dargestellt hat, die er für die ideale hält, rechtfertigt er sich dafür, dass er nicht gleich mit dieser Version herausgekommen ist.

"Hätte ich also bald allen Tertien im genere Diatonico ihre Schwebung so starck gegeben, wie in der 12theiligen Eintheilung der Commatum geschehen muß, so wäre ich von den Wölfen der Ignoranz gar zerrißen worden. Darum ist es schwer, einen Irrthum also bald und auf einmahl auszutilgen und ist mir lieb, daß ich von rechtschaffenen Leuten secundiert werde. Indeßen bin ich doch nicht ungeneigt und bleibe dabey, daß man die diatonischen Tertien etwas reiner (!!! JJ) laße als die anderen so man selten gebrauchet ..."

Etwas später heißt es noch:

"Man kann ein altes Gebäude, welches noch feste Säulen hat, nicht auf einmahl über einen Haufen stoßen." (alles auf S.113)

Also: Werckmeisters Ideal ist die Stimmung in der das Komma gleichmäßig auf alle 12 Quinten verteilt wird - dabei müssen die Terzen - ebenfalls alle gleich - noch stärker temperiert werden. Bei den Terzen lässt er aber vorerst noch mit sich handeln und gibt sich damit zufrieden und "bleibt dabey", dass man einige Terzen "etwas reiner" stimmt. Die schweben dann also nicht mehr alle gleich. Na schön. Aber "etwas reiner" ist doch wohl nicht "rein", oder?

Allein darum aber geht es in meinem Roman: Darum, dass es keine reinen Intervalle mehr gibt. Der Gewinn dieser Stimmung ist immens - aber einen Verlust zu betrauern (wie ein Rezensent schrieb) gibt es eben auch.

Tut mir leid, ist etwas lang geworden, aber vielleicht doch nicht ganz uninteressant.
JJ


PS:
@ zonquer: Vielen Dank fürs Verständnis, Claus. Aber Klaus111 hat durchaus das Recht, meinen Roman an der historischen Wahrheit zu messen. Ich will sie ja nicht verfälschen. Was der Roman aber - anders als das Sachbuch - darf: Er kann behaupten: So war es. So und nicht anders. Das ist die Geschichte, die ich euch erzähle. Obwohl der Autor durchaus weiß, dass Vieles historisch unsicher oder ungewiss ist. Man sollte freilich den wissenschaftlichen Biographien auch nicht immer blind über den Weg trauen. Da wird ne Menge daherphantasiert.
 
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Lieber jens Johler,

danke für die ausführliche Anwort zu der sehr komplexen Thematik.

Zunächst zu Hollywood:
Die Grundformel "spannend ist besser als langweilig" ist doch sehr in Ordnung.

Wenn es bei historischen Figuren nicht zu sehr auf Kosten der historischen Fakten geht, dann ist die o.g. Formel wünschenswert. Würde dagegen ein bekannter Name dazu benutzt, im wesentlichen ein selbst gestricktes "Märchen" zu erzählen, dann wäre das abzulehnen. Ein Großteil des Publikums nimmt, mangels Kenntnissen, das Geschilderte für bare Münze. Die Suggestivkraft der "runden" Geschichte sorgt dafür, daß falsche Bilder oft ein Leben wirken, besonders bei jungen Leuten.

Der o.g. Grundformel genügte beispielsweise auch von Däniken, dessen Buch ich als Jugendlicher spannend fand, zwar anzweifelte aber letztlich viel zu ernst nahm. Erst etwas später wurde mir klar, nach welchem Rezept das Buch gestrickt war und welche Motivation wohl zugrunde lag. Um mit Büchern Geld zu verdienen, muß man ja nicht die Fachwelt überzeugen, sondern es reicht aus, einem großen Publikum glaubhaft zu erscheinen.

Zugegeben, diese Fähigkeit muß man auch erst einmal haben. :)

Auf Deiner Seite Fiktion und Fakten gehst Du mit der Problematik offen um und es ist ersichtlich daß Du Dir viel Arbeit gemacht hast, um dem Thema gerecht zu werden. Bei einem Buch über Bach würde ich das allerdings als unabdingbare Voraussetzung sehen.

Ich habe mich - das ist meine zweite Anmerkung - dafür entschieden, Bach als denjenigen darzustellen, der der gleichschwebenden Stimmung zum Durchbruch verhilft.

Auch nach Studium von viel weiterer Information würde ich das nicht so ausdrücken. Ich denke, er hat eine wichtige Rolle gespielt, eine Stimmung durchzusetzen, bei der alle 24 Tonarten spielbar waren. Das ist m.E. schon bedeutend genug.

Dem zitierten Musikwissenschaftler Martin Geck kann ich zustimmen:

"In der Praxis dürfte Bach nicht vollkommen, sondern im Wortsinn ‚wohltemperiert' gestimmt haben."
"... daß mit dem Wohltemperierten Klavier die gleichschwebende Temperatur als theoretische Konzeption, als geradezu philosophisches Postulat definitiv auf der Tagesordnung der Musikgeschichte steht:"
Quelle (nach Jens Johler): Martin Geck, "Bach", S. 584

Warum also darauf beharren, daß Bach der "gleichschwebenden" Stimmung zum Durchbruch verholfen haben soll?

Abgesehen davon versteht man unter "Durchbruch" ja eher einen zeitlich relativ kurzen Vorgang. Die gleichschwebende Stimmung setzte sich aber sehr langsam durch. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts war es soweit, manche sagen sogar erst um 1917.
Es ist ja wohl nicht so gewesen, daß jemand eine Stimmung erfunden hat oder ein Werk geschrieben hat und es kam zum "Durchbruch". Vielmehr dürfte es sich um eine langsame klangästhetische Entwicklung gehandelt haben, welche neue Stimmungen erforderlich machten und auch neue Werke auf fruchtbaren Boden fallen ließen.

Mein ganzer Roman steht und fällt ja damit, dass der Held mit Hilfe seines Mentors einer Stimmung zum Durchbruch verhilft, die keine reinen Intervalle mehr kennt und sich damit von dem jahrtausendealten Ideal der Weltharmonik verabschiedet.

Das trifft ja auch auf die ungleichschwebende "wohltemperierte Stimmung" zu.

Wir wissen nicht mit Sicherheit, wie Bach gestimmt hat, doch es gibt eine Reihe von bemerkenswerten Indizien, z.B.:

- Bach stimmte sein Instrument innerhalb von 15 Minuten. Die gleichstufige (Synomym: gleichschwebende) Stimmung war lange Zeit nicht oder mangelhaft realisiert, obwohl sich das Konzept bereits durchgesetzt hatte: Sie ist schwerer umzusetzen.

- Man kann wohl davon ausgehen, daß Bach bezüglich der Stimmung Praktiker und kein Theoretiker war. Er hinterließ daher keinen Text über die von ihm benutzte Stimmung. Wir können wohl davon ausgehen, daß er sein Instrument im Lauf seines Musikerlebens sehr sehr oft gestimmt hat. Von daher erscheint es mir plausibel, daß er sein Stimmverfahren als Girlande ganz praktisch dokumentiert hat. Und zwar nicht auf irgendeinem Werk sondern gerade auf dem "Wohltemperierten Klavier". Oder hat er etwa auf anderen Werken ähnliche Girlanden gezeichnet?

- Man kann die Musik des Wohltemperierten Klaviers als Dokument seiner kompositorischen Praxis analysieren. Wie oft und wie häufig wurden die Großterzen in Abhängigkeit der Tonarten verwendet? Man bekommt offenbar keine Gleichverteilung, sondern John Barnes konnte mit einem ausgeklügelten statistischen Verfahren einschätzen, wie "verstimmt" die verwendetetn Großterzen wahrscheinlich waren.
Sein Ergebnis:
Eine Art modifizierte Werckmeister-Temperatur. Auch den Ausdruck "wohltemperiert", den Bach als Titel verwendet, gebraucht Werckmeister. Die enge Bindung an Werckmeister dürfte nicht strittig sein.

- Werckmeister selbst kannte die gleichsschwebende Temperatur schon lange. Das konnte ja bei ihm als hochgeachteter Fachmann kaum anders sein, denn sie war in Europa seit Zarlino (1517-1590) bekannt und bereits Vincenzo Galilei (1520-1591) stimmte näherungsweise so seine Laute. Es liegt nahe, daß sich Werckmeister von ihr inspirieren ließ, doch letzlich eine ungleichschwebende bevorzugte. Der von ihm erwähnte jüngere Neidhardt beschrieb die gleichstufige Temperatur 1706, empfahl sie 1724 nur für den Hof (nicht für Kirchen, Stadt und Dorf) und kam 1732 wieder von ihr ab.
Bach lebte in einer Zeit in der auf diesem Gebiet viel experimentiert wurde. Für ihn wird die praktische Verwendung wichtig gewesen sein: Verwendbarkeit für alle Tonarten. Daher stellte er diesen Vorteil heraus, schätzte aber auch wenig verstimmte Terzen in C-Dur nahen Tonarten. Möglicherweise sahen Werckmeister und Bach die gleichschwebende Temperatur vage als eine Möglichkeit für die Zukunft an. In ihrer Gegenwart fehlen Belege dafür, daß sie diese aktiv durchsetzen wollten. Eher kommt Neidhardt dafür in Frage. In Wikipedia heisst es sogar:
Zuspruch hierin erhielt er (Neidhardt) unter anderem von Johann Kuhnau und Johann Mattheson, wurde jedoch von Andreas Werckmeister kritisiert, der die individuellen Charaktere der Tonarten, wie sie bei den älteren Stimmungssystemen (mitteltönige und wohltemperierte Stimmung) existieren, für wichtiger hielt und die Einebnung dieser Charaktere durch die gleichstufige Temperatur bemängelte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Neidhardt
Leider ist kein Beleg angegeben.

Zu den von Dir angegebenen Literaturstellen (außer Geck):

Es lässt sich sicherlich viel Literatur finden, welche "wohltemperiert" mit "gleichschwebend" bzw. "gleichstufig" gleichsetzt. Das würde ich als eine weit verbreite Ungenauigkeit ansehen. Relevanz hätten in diesem Zusammenhang Aussagen von Leuten, die zu dieser Thematik wissenschaftliche Publikationen verfasst haben.
Kannst Du da mit Zitaten dienen?

Eine lesenswerte Zusammenfassung des Erkenntnisstands wird in einer Diplomarbeit von 2002 (S. 20-35) gegeben:
Robert Schröter (HMT München)

Abgesehen von den bisherigen Betrachtungen erscheint mir eine verbreitete Tendenz problematisch, die Vergangenheit primär als eine unvollkommende Vorstufe der Gegenwart zu sehen.
So nach dem Motto: Wir haben heute ein hohes Niveau erreicht und früher war man lediglich auf dem Wege, unseren Stand zu erreichen. Zwischendurch gab es "Helden", welche "Durchbrüche" zustande brachten.

Diese Sicht ist wohl dem Fortschrittsgedanken der technischen Entwicklung geschuldet, der allzu leicht auf andere Gebiete übertragen wird. Die Transportmittel und die Telekommunikation sind z.B. zweifellos viel besser geworden. Die Musik hat hingegen wohl nur andere Formen angenommen, ist deshalb heute "anders" aber nicht unbedingt "besser".

Auf Stimmungssysteme übertragen heißt das: Diese hatten eigene Werte, die der jeweiligen Zeit und ihrer jeweiligen Ästhetik angepasst waren. Ähnlich problematisch wäre es, die Musik anderer Kulturkreise als unvollkommende Version des eigenen zu verstehen.

Viele Grüße

Klaus
 
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Lieber Klaus111,

schön, dass Du meine "Fiktion und Fakten"-Seite mal angeklickt und gesehen hast,
dass ich meinen Bach-Roman nicht einfach nur so dahergehudelt habe. Schöner wär
natürlich, Du läsest ihn.
Ich denke, dass wir in Vielem übereinstimmen. Zum Beispiel:
- Spannung ist gut, aber nur wenn es nicht auf Kosten der historischen Fakten geht. Genau das war meine Devise.
- Auch mit Deiner Abneigung dagegen, die Vergangenheit nur als unvollkommene Vorstufe der Gegenwart zu interpretieren, stimme ich voll überein. Das ist ja das Besondere am Roman: Dass er den Helden bzw. Protagonisten immer wieder in offenen Situationen zeigen kann, in denen die Entscheidungen nicht von vornherein feststehen.
- Und ja: Andere Stimmungssysteme haben ihren eigenen Wert. Was ja auch heißt: Mit der Normierung geht Vielfalt, also Leben verloren. Mein Thema.
- Schließlich: Wohltemperierte Stimmung, wie immer man sie versteht, verzichtet auf reine Intervalle. Das war die Hauptsache: Es gibt keine reinen Intervalle mehr.

Ich glaube übrigens, dass ich in meinem Roman weder den Begriff "gleichschwebend" und schon gar nicht den Begriff "gleichstufig" verwendet habe. Frequenzmessung kam damals ja gerade erst auf.

Daher jetzt doch noch zwei Fragen an alle, falls noch welche da sind:

1. Ist gleichstufig und gleichschwebend wirklich dasselbe? Die Meinungen darüber gehen nämlich auseinander. Und
2. Ist die von Werckmeister zuletzt favorisierte Temperatur, die "also eingerichtet wird, daß alle Quinten 1/12 Commat: die Tert: maj 2/3 die min:3/4 Comm schweben" eine gleichschwebende (bzw. gleichstufige)??

Warum Bach diese Stimmung nicht gebraucht haben sollte, wüsste ich nicht. Vielleicht hat er's nicht getan. Who knows? Aber die legendären 15 Minuten Stimmgeschwindigkeit überzeugen mich überhaupt nicht. Das ist doch sowieso ne ziemlich vage Aussage. Wie war das Klavier vor diesen 15 Minuten gestimmt? Mitteltönig? Na, dann Topp - die Wette gilt!
Und auch das endlich entdeckte Geheimnis der Girlande finde ich wenig plausibel. Warum, zum Teufel, sollte Bach eine so kryptische Flaschenpost verschickt haben, die erst rund 250 Jahre nach seinem Tod aus dem Meer der Möglichkeiten gefischt wird und deren Code dann mühsam geknackt wird?

In diesem Sinne -
JJ
 
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Vielen Dank an alle Beteiligten für die interessante Diskussion die ich zur Zeit von der Zuschauertribüne aus verfolge.

@ Jens
Wenn Du wissen möchtest, ob noch jemand "da" ist, schau auf die Klicks. :)
Wie ich an das Thema Stimmung in der Praxis heran gehe, beschrieb ich ja bereits: höchst unwissenschaftlich aus dem Bauch heraus einen schönen Klang suchend. :rolleyes:

Inzwischen frage ich mich, ob ich nicht doch mal nach einer Möglichkeit suchen sollte, eine als gelungen empfundene Stimmung auszumessen. Extra ein Stimmgerät dafür zu kaufen, ist es mir allerdings nicht wert. Vielleicht findet sich ja eine andere Möglichkeit.

Gruß
Lisa
 
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Nun soll auch wieder einmal der TE angesprochen werden:
Schon bei den genannten Strebetönen der Griechen habe ich Zweifel: wenn man den Oktavton rein stimmt, ist der Septimton in der pythagoreischen Stimmung ein sehr starker Strebeton.

Unsere Tonleitern sind eher aufwärts gerichtet und die Septime strebt nach oben zur Oktave. Die Griechen verwendeten jedoch i.d.R. abwärts gerichtete Tonleitern. Dabei wird die Strebewirkung der Septime nicht genutzt.

Eigentlich bezweifle ich auch nun doch wieder die praktische Relevanz der pythagoreischen Stimmung: auf gestimmten Instrumenten kann man sie benutzt haben, aber wird nicht auch ein gregorianischer Sänger eher reine Intervalle gesungen haben? Wenn wir heute schon im Gesang nach reinen Intervallen streben, obwohl das Klavier ständiger Begleiter ist? Ich behaupte mal, dass dies meist ohne diesen ganzen musiktheoretischen Background geschieht.

Die natürlichen Intervalle sind uns bereits vor der Geburt bekannt. Schon zu diesem Zeitpunkt hören wir den Herzschlag und die Stimme der Mutter. Beide enthalten harmonische Obertöne.
Das was wir als einen Ton bezeichnen, sind durch die enthaltenen Obertöne ja in Wirklichkeit viele Töne. Diese führen jeweils an verschiedenen Orten der Basilarmembran der Hörschnecke zu Erregungsmaxima. Wir lernen natürlich, daß diese verschiedene Töne zusammengehören und nehmen das Frequenzgemisch als Einheit wahr. Nichtsdestotrotz lernen wir dabei auch die Intervalle der Naturtonreihe Im Bezug auf den Grundton nach oben:

Oktave
Duodezime
2 Oktaven
2 Oktaven + große Terz
2 Oktaven + reine Quinte
2 Oktaven + Naturseptim
3 Oktaven
3 Oktaven + große Sekunde
3 Oktaven + große Terz
usw.

Die Teiltöne verschmelzen schwebungsfrei - in völliger Harmonie. Die Obertöne entsprechen den Vielfachen des Grundtons: 2fach, 3fach, 4fach, 5fach usw.

Wenn zwei Tönen in verschiedenem Abstand gesungen werden, registrieren wir ganz genau, wann sie in Harmonie zusammenklingen und wann nicht. Im unendlichen Kontinuum möglicher Frequenzen sind es ja nur wenige Tonabstände, bei denen eine solche Harmonie festzustellen ist. Innerhalb der Oktave sind es die Intervalle mit niedrigen Frequenzverhältnissen, die wir aus den Teiltönen der Obertonreihe schon kennen: 2:1 (Oktav), 3:2 (Quint), 4:3 (Quart: Intervall zwischen Quint und Oktav), 5:4 (große Terz), 6:5 (kleine Terz: Abstand zwischen großer Terz und Quint) usw.

Es liegt also nahe, daß wir beim Singen oder Spielen auf Instrumenten variabler Tonhöhe aufgrund unserer Hörerfahrungen (z.B. mit dem harmonsichen Spektrum der menschl. Stimme) dazu neigen, diese Intervalle zu bevorzugen. Bzw. noch wichtiger: Zwischen den entsprechenden Obertönen treten auch keine störenden Schwebungen auf, wenn wir sie genau genug treffen.
Wie Du sagst, geschieht das ganz ohne musiktheoretischen Background, weil wir die Harmonie unmittelbar spüren.

Sobald fest gestimmte Instrumente hinzutreten, passen wir uns diesen an - ebenfalls um der Harmonie willen.

...wird nicht auch ein gregorianischer Sänger eher reine Intervalle gesungen haben?

Deren Gesang war meist einstimmig und die Tonabstände meist Sekunden. Da können wir kaum feststellen, ob die entsprechenden "reinen" Intervalle getroffen wurden: 9:8 (großer Ganzton), 10:9 (kleiner Ganzton), 16:15 (diatonischer Halbton).
Die Frequenzverhältnisse sind nicht mehr so einfach, die Harmonie daher vergleichsweise gering und bei aufeinanderfolgenden Tönen ist es ohnehin schwerer Verstimmungen festzustellen als bei einem Zusammenklang.

Später wurde der gregorianische Gesang mehrstimmig und man sang v.a. Quint- und Quartparallelen. Sicherlich wurde auch ein Höchstmaß an Harmonie angestrebt, also am besten das reine Intervall.

Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit der Pythagoreischen Stimmung aus?

Genau diese Intervalle weisen in der Pythagoreischen Stimmung die größtmögliche Harmonie (Reinheit) auf:

reine Quint, reine Quart, reiner großer Ganzton (der etwas harmonischer ist als der kleine Ganzton).

Lediglich der pythagoreische diatonische Halbton (Limma) mit 256:243 wäre deutlich weniger harmonisch als der natürliche (16:15). Wir befinden uns aber hier bei Frequenzverhältnissen, die ohne hin als Dissonanzen gelten (kleine Sekund).

Unter dem Gesichtspunkt der Einfachheit (Harmonie und Aufbau) ist die Pythagoreische Tonleiter ungeschlagen:

Nicht nur, daß sie reinstmögliche Intervalle enthält (Quint, Quart, Ganzton), sondern sie ist mit lediglich zwei verwendeten Tonabständen einfacher aufgebaut, als die Tonleiter der natürlichen Stimmung:

Pythagoreische Tonleiter: einen Ganzton, einen Halbton
Reine Tonleiter: zwei verschiedene Ganztöne (groß und klein), einen Halbton

Zur Stimmung der Pythagoreische Tonleiter wird neben der Oktave nur die leicht zu stimmende reine Quint verwendet.
In der Summe also kein Wunder, daß sie in der Musikgeschichte eine so große Rolle gespielt hat und teilweise immer noch spielt.

Schwierig wird es erst, wenn im mehrstimmiger Musik eine möglichst reine Terz einbezogen werden soll. Und genau zu diesem Zeitpunkt würden die mitteltönigen Stimmungen entwickelt.

Inzwischen frage ich mich, ob ich nicht doch mal nach einer Möglichkeit suchen sollte, eine als gelungen empfundene Stimmung auszumessen. Extra ein Stimmgerät dafür zu kaufen, ist es mir allerdings nicht wert. Vielleicht findet sich ja eine andere Möglichkeit.

Hallo Lisa,

Du brauchst kein Stimmgerät zu kaufen, sondern Du kannst einen online-Tongenerator aufrufen und die gestimmten Töne mit diesem in Übereinstimmung bringen (fast schwebunbgsfrei). Dann liest Du die Frequenz ab.
Man kann mit diesem Tongenerator die Frequenz auf ein Hertz genau einstellen:

http://deadlygeek.com/flash-labs/simple-audio-tone-generator/#
(Auf den blauen Button drücken, dann auf "play". Oben Lautsstärke einstellen, unten die Frequenz. Letztere läßt sich dann auch mit den Pfeiltasten verändern. Es dauert ungefähr eine Sekunde, bis der neue Ton hörbar wird.)

Aus den notierten Werten lässt sich dann bestimmen, welche "wohltemperierte Stimmung" Du näherungsweise verwendest. Oder eher die natürliche Tonleiter oder eine mitteltönige Stimmung?

Weitere Tongeneratoren, die für unsere Zwecke nicht ganz so geeignet sind:

http://deadlygeek.com/flash-labs/simple-audio-tone-generator/#
http://www.audionotch.com/app/tune/
http://webphysics.davidson.edu/applets/SountOut/SoundOut.html
http://arachnoid.com/JSigGen/


Viele Grüße
Klaus
 
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Zwischenmeldung: Ich bin mit der Überarbeitung meines Textes fast fertig. Jedes Mal, wenn ich draufschaue, fällt mir wieder etwas ungereimtes oder umzuformulierendes auf. Hätte ich doch garnicht erst damit angefangen:evil:. Naja, dann hätte es diese gewinnbringende Diskussion nicht gegeben, so gesehen schon gut.

Danke an Klaus für den Hinweis auf den großen Ganzton bei der pythagoreischen Tonleiter - das war mir nicht klar und bedeutet weitere Überarbeitung. Das revidiert meine vorübergehende Geringschätzung der pythagoreischen Stimmung. Wäre folgende Formulierung korrekt?
Die pythagoreische Stimmung stößt bei der Polyphonie an ihre Grenzen. Bei ihr sind Quinte und Quarte reine Intervalle, die diatonischen Tonabstände stehen bis auf eine Ausnahme im reinen Verhältnis des großen Ganztons (Teilton 9). Weitere reine Intervalle hat sie nicht, außerdem unterbricht die zwölfte Quinte die Tonsystematik bei Oktavüberschreitung. Ein wohlklingendes polyphones Spiel oder in verschiedenen Tonarten ist daher kaum möglich.

@Jens Johler: da du in deinem Buch tatsächlich nicht den Begriff gleichschwebend oder gleichstufig verwendet hast (zumindest erinnere ich mich nicht), war ich nach der Lektüre auf dem Holzweg und dachte, die wohltemperierte sei gemeint. Ich finde dein Buch immer besser, jetzt wo ich erkenne, wieviel Forschungsarbeit hinter der so leicht daherkommenden Geschichte steckt. Ich meine auch, in irgendeinem Wikipedia-Artikel gelesen zu haben, dass Bach möglicherweise auch die gleichstufige Stimmung benutzt hat, weiß aber nicht mehr welcher. Ist aber auch egal - Wikipedia ist zwar gut, aber doch nur Sekundärliteratur und nicht unfehlbar.

Viele Zusammenhänge sind mir jetzt nach der ausführlichen Diskussion hier im Forum klarer geworden. Worauf ich aber keine Antwort finde: was mag dazu geführt haben, dass die gleichstufige Stimmung die anderen de facto verdrängt hat? Für alle anderen Stimmungen gibt es gute Gründe (reine Terzen, Spielbarkeit aller Tonarten), bei der gleichstufigen finde ich keinen derartigen Hinweis (noch bessere Spielbarkeit, Modulationsmöglichkeiten?). Ich vermute einen Zusammenhang mit der zeitgleichen Ausbreitung der Klaviere. Vielleicht auch der Umstand, dass keine wohltemperierte Stimmung die ultimative Lösung war, was ich daraus schlussfolgere, dass es eine ganze Reihe solcher Stimmungen gab. Hat jemand eine schlüssige Idee?
 
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Liebe Alle,

ich bin sehr froh über diese Diskussion, lerne dazu. Lernen funktioniert u.a. durch Verunsicherung, man kommt ins Schleudern, stellt sich selbst und seine Ansichten in Frage und landet manchmal, neu gefestigt, doch wieder bei der Position, bei der man schon einmal war.
So geht es gerade mir.
Ich habe mich von Klaus111 und seinem Wikipedia-Zitat noch einmal ins Bockshorn jagen lassen (leider kann ich die Zitatfunktion nicht, daher einfach mit Anführungszeichen). Da hieß es:

"Jedoch besteht in der Forschung Einigkeit darüber, dass Bach keinesfalls die gleichstufige Stimmung zugrunde gelegt hat."
http://de.wikipedia.org/wiki/Wohltem..._bei_J.S._Bach

Merke: "keinesfalls". Und daher dann auch Klaus' Appell:

"Man sollte möglichst auch durch einen Roman nicht unterstützen, daß die Differenzierung zwischen ‚wohltemperiert' und ‚gleichstufig', die sich endlich immer mehr durchsetzt, einfach wieder abgeschafft wird."

Ich habe mir inzwischen die entsprechenden Wikipedia-Artikel nochmal angesehen und bemerkt, dass die Differenzierung, die sich da durchsetzt, falsch oder zumindest unvollkommen ist. Es gibt offenbar eine Tendenz, die gleichschwebende/gleichstufige Stimmung aus den verschiedenen "wohl temperirten" Stimmungen herauszumogeln. Sie gehört aber dazu.
Was immer die neuesten Wissenschaftler dazu sagen mögen, nicht zu leugnen ist, dass Andreas Werckmeister in seinen postum erschienenen Musicalischen Paradoxal-Discoursen die gleichstufige Stimmung empfiehlt, und zwar als das wahre Christentum. Und dass er sie als "wohl temperiert" bezeichnet. Das ist Werckmeisters letztes Wort. Amen.

Also:
Wohl temperiert ist nicht identisch mit gleichschwebend.
Aber: gleichschwebend ist eine - unter anderen - wohltemperierte Stimmung.

Bei Wikipedia (Artikel "Werckmeister-Stimmung") lese ich, man habe die ungleichschwebenden Stimmungen zu Bachs Zeiten als "gute Temperatur" bezeichnet.
Das wäre nun sogar ein Argument dafür, dass Bach mit seinem Wohltemperierten Klavier doch die gleichschwebende Temperatur gemeint hat. Dass er die Paradoxal-Discourse gekannt hat, ist höchst wahrscheinlich. Die aber plädieren dafür, das pythagoreische Komma gleichmäßig auf alle 12 Quinten umzuverteilen.

Bei meiner Lesung in Leipzig im Museum für Musikinstrumente spielte die Cembalistin Lu Wollny auf verschiedenen historischen Instrumenten. Auch sie trat entschieden dafür ein, dass Bach NICHT gleichschwebend gestimmt habe. Es sei einfach so viel schöner, das Wohltemperierte Klavier mit einer ungleichschwebenden Temperatur zu spielen. Und die Tonartencharakteristiken ... etc.

Ich glaub's. Aber man spürt auch das Wunschdenken. Bach DARF einfach nicht gleichschwebend gestimmt haben.
Und wenn er es doch getan hätte? Wenn es gerade sein Ehrgeiz gewesen wäre zu zeigen, dass die Tonartencharakteristik trotz gleichschwebender Stimmung noch gilt, wenn man nur gut genug komponiert?
Stephan Mickisch ("Tonarten und Sternzeichen") jedenfalls, der Pianist, der in Bayreuth und anderswo die wunderbaren Gesprächskonzerte gibt, würde sagen, was habt Ihr denn, hört doch mal her, die Tonartencharakteristik ist doch noch da.

@ radobo
1. In meinem Roman spricht Werckmeister mit den Worten aus den Paradoxal-Discoursen, empfiehlt also doch die gleichschwebende Temperatur.
2. Richtig spannend finde ich Deine Frage:
"Was mag dazu geführt haben, dass die gleichstufige Stimmung die anderen de facto verdrängt hat?"
Man kann die Frage ja noch rückwärts verlängern: Warum haben die Lautenisten Zarlino und Vincenzo Galilei keinen Siegeszug der gleichstufigen Stimmung eingeläutet, obwohl sie die Stimmung doch schon ausgetüftelt hatten? Ich vermute, es gab ideologische, religiöse Hemmungen. Auch Werckmeister musste die gleichschwebende Stimmung ja noch mit dem wahren Christentum begründen. Und danach, mit zunehmender Aufklärung und dem parallel verlaufenden Siegeszug der Wissenschaft hat man dem Himmel und der Weltharmonik den Rücken zugekehrt und den Weg der Normierung beschritten. Wie auf anderen Gebieten ja auch.
 
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Hallo nochmal,
@Jens Johler: ich habe jetzt dein Buch nochmal hervorgeholt und sehe, dass die Begriffe gleichschwebend (Seite 331) und wohltemperiert enthalten sind, allerdings nicht differenziert werden. Als ich dein Buch las, hatte ich im Kopf, dass die wohltemperierte Stimmung eine alte, nicht mehr gebräuchliche Stimmung ist, die gegenüber den vorherigen Stimmungen den Vorzug hatte, dass alle Tonarten spielbar waren. Daher habe ich den Begriff gleichschwebend irgendwie überlesen. Nach der aktuellen Beschäftigung mit dem Thema bin ich etwas sattelfester geworden, ich muss es jetzt mit etwas mehr Verstand nochmal lesen.

Die Begriffe wohltemperiert und gleichstufig sollte man auseinanderhalten, denke ich. Meine derzeitige Erkenntnis ist, dass der Begriff "wohltemperiert" von Werckmeister/Bach in die Welt gesetzt wurde und wir heute darunter solche Stimmungen verstehen, die mehr reine Intervalle enthalten als nur die Oktave, aber trotzdem ein Spiel in allen Tonarten zulassen. Zum Unterschied von der gleichstufigen Stimmung, bei der nur die Oktave rein ist. Der gemeinsame Sammelbegriff ist "temperiert" und bezeichnet alle Stimmungen, die von der reinen Stimmung abweichen, die Oktave aber rein ist (was die die pythagoreische Stimmung auschließt). Wenn das nicht stimmt, bitte ich um Klarstellung - ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass ich nur interessierter Laie bin und dies aufgrund diverser Lektüren zusammengereimt habe.

Nachtrag: Bei http://www.fres.ch/bd/content/music/bach.html lese ich die Auffassung, "Als "wohltemperiert" bezeichnet werden können deshalb alle um Ausgleich im ganzen Quintenzirkel bemühten, ungleichstufigen sowie gleichstufigen temperierten Stimmungen". Das finde ich verwirrend; wenn das so wäre, dann würden auch die mitteltönigen Stimmungen darunter fallen. Es ist doch allemal besser, dort begrifflich klare Grenzen zu ziehen.

Grundsätzlich stimme ich Jens zu und halte für wahrscheinlich, dass Bach auch die gleichstufige Stimmung ausprobiert hat. Er war ja offenbar an den Stimmungen interessiert, sonst hätte er nicht das Werk "Das wohltemperierte Klavier" komponiert. Jedoch komme ich von meiner vorgefassten Meinung nicht ab, dass es bei diesem Werk nicht um die gleichstufige Stimmung geht. Ich behaupte und es kann nicht anders sein: auf Instrumenten mit fixierten Tönen wie dem Klavier klingen die Tonarten bei gleichstufigen Stimmung alle gleich. Da kann es allenfalls quasi homöopathische Unterschiede geben, also solche, die man zu hören glaubt; physikalisch sind sie nicht vorhanden. Das müsste sich doch in einem Blindtest verifizieren lassen? Wieso also hätte Bach dann für jede Tonart ein anderes Stück komponieren sollen? Ist nicht viel wahrscheinlicher, dass er zeigen wollte, dass es mit der neuen "wohltemperierten" Stimmung 2x12 Tonarten mit unterschiedlichen Charakteren gibt und den Charakter jeder einzelnen Tonart mit jeweils einer eigens dafür erstellten Komposition verdeutlichte? Wenn ich der Welt den Vorzu der gleichstufigen Stimmung beweisen wollte, würde ich mich hinsetzen und ein beliebiges Stück in jede gewünschte Tonlage transponieren. Aber was sage ich, das ist gängige Praxis!

Damit komme ich nochmal zu meiner Frage "Was mag dazu geführt haben, dass die gleichstufige Stimmung die anderen de facto verdrängt hat?". Die Antwort von Jens ist verlockend, sie entspricht auch dem, was z. B. Werckmeister dazu sagte, dass er von "etlichen Ignoranten verfolgt" wurde und "leiden" musste. Aber bei nochmaligem Nachdenken erkenne ich, dass die Frage unvollständig ist. Sie muss lauten: was ist der entscheidende Vorteil der gleichstufigen Stimmung, der ihr im 19. Jahrhundert zum Durchbruch verhalf? Ich denke, und bitte: korrigiert mich!, es ist die Chromatik. Wenn ich nicht nur ein bischen moduliere, sondern quer durch alle Tonarten komponiere, den Tonartenbezug gar hintenanstelle, dann ist die Tonartencharakteristik hinderlich. Der Zuhörer soll nicht mehr erkennen bzw. heraushören, in welcher Tonart theoretisch eine Passage steht, sondern einen musikalischen Fluss erleben.

Ich hoffe, hiermit nicht gänzlich falsch zu liegen. Viele Grüße, Reinhard

PS noch ein lustiger Link zu diesem Thema: http://kamelopedia.net/wiki/Wohltemperierte_Stimmung
 
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Lieber Jens Johler,

Ich habe mich von Klaus111 und seinem Wikipedia-Zitat noch einmal ins Bockshorn jagen lassen (leider kann ich die Zitatfunktion nicht...
Dem kann ich natürlich nicht zustimmen und erläutere daher die Sichtweise von Wikipedia, die durch neuere wissenschaftliche Arbeiten gestützt wird und der ich mich im wesentlichen anschließe.

Zunächst zur Zitatfunktion: Wenn Du auf "Zitieren" drückst (unter dem jeweiligen Beitrag), so wird der gesamte Beitrag zitiert. Überflüssige Textpassagen können gelöscht/editiert werden.
Bei Klick auf "Erweitert" öffent sich ein großes Fenster (übersichtlicher) mit weiteren Funktionen.
Möchtest Du mehrere Zitate im Deinem Beitrag unterbringen, so markiere die entsprechenden Beiträge mit "Beitrag zum Zitieren auswählen" (rechts neben "Zitieren"). Danach auf "+Antworten" drücken (links). Im großen Fenster überflüssiges streichen.


In der Zeit von Bach und Werckmeister löst man sich von der mitteltönigen Stimmung mit reinen Terzen.

Im Orgelbau wurde sie in Deutschland bis weit in das 18. Jahrhundert als Standardstimmung verwendet - in einzelnen Regionen noch darüber hinaus -, weshalb in Orgelbauverträgen und Prüfungsberichten (Abnahmeberichten) die Stimmung nicht bezeichnet zu werden brauchte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mitteltönige_Stimmung#Geschichte

Werckmeister kennt die gleichstufige Stimmung, die seit spätestens 1588 in Europa bekannt ist (Laute).
Er untersucht sie und befindet sie für gut:

... wenn die Temperatur also eingerichtet wird/daß alle Quinten 1/12 Commat: ... schweben, und ein accurates Ohr dieselbe auch zum Stande zu bringen und zu stimmen weiß/so dann gewiß eine wohltemperirte Harmonia, durch den gantzen Circul und durch alle Clavis sich finden wird." (1707: Paradoxal-Discourse, S. 110)

Er schreibt, daß er sie seit 30 Jahren kennt, also seit 1677 (überliefert durch Gottlieb Staden (1607-1655) bzw. Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658)). Damals erkannte er zum ersten Mal die "Unrichtigkeit", daß die "Tertien maj. rein sein müsten".

Er temperiert daraufhin ungleichschwebend, indem er den gebräuchlichsten Tonarten noch die meiste Reinlichkeit (Terzen) überlässt:

... habe die gar grausamen Dissonantien, sonderlich im H. und dis / welche über 2. Commata schwebeten / ein wenig gelinder / und habe dem generi Diatonico, die meiste Reinigkeit noch überlaßen / aus denen erheblichen Uhrsachen / weil sehr wenig Organisten aus denen so genannten Semitoniis oder Modis fictis ihre Lieder tractiren können: da ich nun die Tertien in dem genere Diatonico etwa 1/2 oder 2/3 Commatis nachschweben laßen

Er lässt die Terzen etwa um 1/2 oder 2/3 schweben. Er macht keine Angabe darüber, ob er das synthonische oder das pythagoreische Komma meint , die sich leicht unterscheiden: 21,51 Cent gegenüber 23,46. Aus anderen Stellen geht hervor, daß er den geringen Fehler manchmal vernachlässigt.

Die gleichstufige Stimmung würde um 0,65 schweben, falls das synthonisches Komma gemeint ist (oder um 0,60, falls er das pythagoreische Komma meint).

Wie auch immer, er wählt jedenfalls eine ungleichstufige Stimmung.

Er macht in seinem "musicalischen Memorial" und anderen Schriften Meldung von dieser Temperatur und darüber hinaus den ersten Vorschlag "wie alle Consonantien in gleicher Schwebung mechanicè stehen könten". Denn er hat auch diese "gleichschwebende Stimmung" untersucht und "für gut befunden". Daraufhin wird er von "etliche Ignoranten verfolget".
Als er Rückendeckung von Neidhardt bekommt, kann er die "Wahrheit nicht länger verhehlen", daß es sich bei der gleichschwebende Stimmung (ebenfalls) um eine gute Stimmung handelt.

Er beklagt, daß er von den "Wölffen der Ignoranz gar zerrißen worden" wäre, wenn er früher für die gleichschwebende Temperatur eingetreten wäre. (Das heißt noch lange nicht, daß es seine favorisierte Stimmung ist.)

Es heisst weiter:
Darum ist es schwer / einen Irrthum also bald / und auf einmahl aus zu tilgen / und ist mir lieb / daß ich von rechtschaffenen Leuten secundiret werde.

Mit "Irrtum" ist m.E. der Irrtum der mitteltönigen Stimmung gemeint, die ja zu Zeiten von Werckmeister und Bach für Orgeln so selbstverständlich war, daß sie nicht näher bezeichnet werden musste (s.o.).

Nun kommt eine Aussage, welche Stimmung Werckmeister für die beste hält:

Indeßen bin ich doch nicht ungeneigt / und bleibe dabey / daß man die diatonischen Tertien etwas reiner laße / als die andern so man selten gebrauchet / es giebet auch gute Veränderung...

Ein klares Statment für eine ungleichschwebende wohltemperierte Stimmung. Er hat mehrere davon erfolgreich bekannt gemacht.
Die gleichschebende Stimmung dürfte für ihn der Extremfall sein, der zwar gut klingt, für dessen Verbreitung er aber nicht eintritt, wohl aber gegen seine Verteufelung, denn auch sie befindet er für gut.

Zu Deinen Fragen:

1. Ist gleichstufig und gleichschwebend wirklich dasselbe? Die Meinungen darüber gehen nämlich auseinander. Und
2. Ist die von Werckmeister zuletzt favorisierte Temperatur, die "also eingerichtet wird, daß alle Quinten 1/12 Commat: die Tert: maj 2/3 die min:3/4 Comm schweben" eine gleichschwebende (bzw. gleichstufige)??

1. Gleichstufig und gleichschwebend kenne ich nur als Synomyma, wobei "gleichschwebend" immer relativ zu sehen ist, also ausgedrückt in Bruchteilen des Kommas, wie es Werckmeister immer wieder erwähnt. Kannst Du andere Meinungen belegen?
2. Werckmeister bleibt explizit bei einer ungleichschwebenden Stimmung (s.o.). Bei einer Temperatur, bei der die "Quinten 1/12 Commat: die Tert: maj 2/3 die min:3/4 Comm schweben" handelt es sich näherungsweise um die gleichstufige Stimmung.

Bach kann durchaus die gleichstufige Stimmung gebraucht haben, doch ich erwähnte bereits einige Gründe, die dafür sprechen, daß er eine ungleichschwebende Stimmung verwendet hat.

Aber die legendären 15 Minuten Stimmgeschwindigkeit überzeugen mich überhaupt nicht. Das ist doch sowieso ne ziemlich vage Aussage. Wie war das Klavier vor diesen 15 Minuten gestimmt? Mitteltönig? Na, dann Topp - die Wette gilt!

Die 15 Minuten Stimmgeschwindigkeit halte ich bei Bach durchaus für möglich und zwar aus folgenden Gründen:

Ein typisches Clavichord in dieser Zeit hatte z.B. 45 Tasten, wie das hier abgebildete.

Ein geübter Gitarrist stimmt seine sechs Saiten in ca. 30 Sekunden. Warum soll Bach die 45 Saiten nicht in 15 Minuten gestimmt haben? Wenn man genau weiß wie es funktioniert, dann kann es auch sehr schnell gehen. Als praktischer Mensch auf dem Gebiet der Stimmung ist es durchaus plausibel, daß er nach einem sehr praxistauglichen Verfahren gestimmt hat, das man aus seiner Girlande herauslesen kann:

Legen der Temperatur innerhalb einer Oktave:

1. Starte mit C (249 Hz)
2. Stimme die darüberliegende Quarte (F) um eine Schwebung/sec zu weit.
3. Stimme die darüberliegende Quarte (B) um eine Schwebung zu weit.
4. Stimme die darunterliegende Quinte (Es) um eine Schwebung zu eng.
5. Stimme die darüberliegende Quarte (As) rein.
6. Stimme die darunterliegende Quinte (Des) rein.
7. Stimme die darüberliegende Quarte (Ges/Fis) rein.
8. Stimme die darüberliegende Quarte (H) um zwei Schwebungen zu weit.
9. Stimme die darunterliegende Quinte (E) um zwei Schwebungen zu eng.
10.Stimme die darüberliegende Quarte (A) um zwei Schwebungen zu weit.
11.Stimme die darunterliegende Quinte (D) um zwei Schwebungen zu eng.
12.Stimme die darüberliegende Quarte (G) um zwei Schwebungen zu weit.
(Nach John Charles Francis BSc (Hons.), MSc, PhD (2005) Das Wohltemperirte Clavier, S.7)

Stimme die übrigen 33 Saiten in reinen Oktaven.

Ergebnis: Wir kommen mit dieser einfachen Anleitung auf eine wohltemperierte Stimmung.

Das fett gedruckte Zahlenmuster (rein= null) findet sich in der Girlande in Form der Zahl der inneren Kringel:

Anhang anzeigen 337569
Start-1-1-1-0-0-0-2-2-2-2-2-Ende
(Quelle der Girlande: Joachim Mohr in http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:B...tegirlande.gif)

Außerdem ist zu berücksichtigen, daß sich sicherlich nicht alle Saiten seit dem letzten Stimmen wesentlich verstimmt haben. Die 15 Minuten halte ich daher bei Bach für glaubwürdig, dem übrigens auch ein absolutes Gehör nachgesagt wird.
Bach wird wahrscheinlich verschiedene Temperaturen ausprobiert haben, doch er hat sie bestimmt nicht ständig gewechselt.

Und auch das endlich entdeckte Geheimnis der Girlande finde ich wenig plausibel. Warum, zum Teufel, sollte Bach eine so kryptische Flaschenpost verschickt haben, die erst rund 250 Jahre nach seinem Tod aus dem Meer der Möglichkeiten gefischt wird und deren Code dann mühsam geknackt wird?

Die Girlande war natürlich nicht als Flaschenpost gedacht. Seinen Schülern war die Bedeutung wahrscheinlich bekannt, doch es hat sich eben keiner schriftlich darüber ausgelassen. Die Stimmungsspezialisten waren ja Werckmeister, Neidhardt u.a.. Selbst bei denen wäre es besser gewesen, wenn noch mehr überliefert worden wäre, wie unsere Diskussion zeigt.

Ich habe mir inzwischen die entsprechenden Wikipedia-Artikel nochmal angesehen und bemerkt, dass die Differenzierung, die sich da durchsetzt, falsch oder zumindest unvollkommen ist.

Das finde ich viel zu übertrieben ausgedrückt. Man kann allenfalls darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, die gleichstufige Stimmung zu den wohltemperierten zu zählen. Werckmeister hat es getan, doch heute, wo sie Standard ist, wäre es aus systematischen Gründen vielleicht günstiger, man würde sie nicht zu den historischen wohltemperierten Stimmungen zählen (weniger Missverständnisse?).

Ich betrachte die Differnzierung zwischen gleichstufiger und wohltemperierter Stimmung im Lichte neuerer Erkenntnisse jedenfalls als angemessen. Ich denke, sie wird auch von zeitgenössischen Autoren, die Du zitiert hast, geteilt. Nicht nur von Martin Geck:
In der Praxis dürfte Bach nicht vollkommen, sondern im Wortsinn ‚wohltemperiert' gestimmt haben.
Sondern auch von Siglind Bruhn:
Bei der "wohltemperierten" Stimmung eines Instruments erklingen die Intervalle gegenüber ihrer natürlichen Größe leicht verändert;

Hier wird keineswegs "wohltemperiert" mit "gleichstufig" gleichgesetzt.

Nach Martin Spitzer ist die Gleichsetzung auf einen falschen Eintrag in "Grove's Dictionary of Music" (Ende 19. Jahrhundert) zurückzuführen. Ein entsprechender Eintrag war später auch im Brockhaus zu finden.

Wenn es gerade sein Ehrgeiz gewesen wäre zu zeigen, dass die Tonartencharakteristik trotz gleichschwebender Stimmung noch gilt, wenn man nur gut genug komponiert?
Stephan Mickisch ("Tonarten und Sternzeichen") jedenfalls...

Wir gleiten jetzt hoffentlich nicht in die Astrologie ab und sollten uns lieber an Wissenschaftler halten:

Kelletat (1982) weist nach, daß auch die Komponisten der Wiener Klassik Tonarten aufgrund ihrer verschiedenen Klangcharkateristika auswählten. Dies ist nur bei ungleichschwebender Stimmung möglich. In Lehrbücher für Klavierbauer findet man erst seit 1917 (!) eine Methode zur gleichschwebenden Klavierstimmung beschrieben (Jorgensen 1991).
Quelle: Manfred Spitzer: Musik im Kopf, S. 93 Schattauer, F.K. Verlag (2002)

Es kann m.E. vernünftigerweise nicht bestritten werden, daß die Tonartencharakteristik auf Tasteninstrumenten durch eine gleichstufige Stimmung eingeebnet wird.

Zur weiteren Information sind an neueren wissenschaftlichen Arbeiten zu der Thematik zwei Diplomarbeiten online abrufbar, die beide die Darstellung in Wikipedia unterstützen:

David Menke (HMDK Wien, 2009) Musikalische Aspekte von Intonation
Robert Schröter (HMT München, 2002) Die Stimmung von Tasteninstrumenten

Es sind zwar "nur" Diplomarbeiten, doch die betreuenden Professoren der beiden renommierten Hochschulen werden darauf geachtet haben, daß in diesen Fragen der Stand der Wissenschaft beachtet wird.

Viele Grüße
Klaus
 
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Lieber Klaus111,

zunächst mal: Großes Kompliment für diese außerordentlich klare und auch klärende Darstellung. Ich bin dadurch – und überhaupt durch diese ganze Diskussion – gerade noch zu einer neuen Pointe für meinen Roman „Die Stimmung der Welt“ gekommen. Dazu komme ich am Schluss. Zunächst mal:

Was ich jetzt begriffen habe, ist:

Es gibt eine moderne Sprachregelung inbezug auf den Begriff „wohltemperiert“.
Die Konvention, die sich in der Musikwissenschaft durchgesetzt hat, ist:

Wohltemperiert ist ungleichschwebend.
Gleichschwebend/gleichstufig ist nicht wohltemperiert.

Daneben gibt es noch den historischen Andreas Werckmeister, der die gleichschwebende Stimmung ebenfalls „wohl temperirt“ nennt. Aber da er damit ihre mühsam errungene Differenzierung in Gefahr bringt, bleibt die Musikwissenschaft bei ihrem Konzept.

Das kann sie natürlich. Der Nachteil ist nur, dass sie einen historischen Roman, in dem Andreas Werckmeister auftritt und mit seinen eigenen Worten die gleichschwebende Stimmung als „wohl temperirt“ anpreist, dann nicht mehr versteht. Oder falsch findet. Oder ihn verdächtigt, er wolle die feinen Unterschiede verwischen.

Ich lese übrigens den Schluss der Paradoxal-Discourse mit dem „ich bleibe dabey“ anders als Du (siehe Beitrag #25), aber let’s agree that we disagree.

Ob gleichschwebend = gleichstufig? war vielleicht wirklich eine spitzfindige Frage. Es gab mal auf einer Amazon-Diskussionsseite Streit darüber, aber was soll’s. Ich war bloß immer unsicher, weil das eine mit Cent definiert wird und das andere mit Saitenverhältnissen auf dem Monochord.

Du zitierst Manfred Spitzer, der mich bei der Arbeit an „Die Stimmung der Welt“ natürlich auch ins Schwitzen gebracht hat. Dick angestrichen in meinem Exemplar ist der Satz: „Leider ist nicht direkt überliefert, welche Temperatur Bach in seinen Cembali bevorzugte.“ (S.91)
Aber das sagst Du ja auch.

Nun aber noch einmal zu „Die Stimmung der Welt“und dazu, dass ich gerade die Möglichkeit für einen neuen Schluss entdeckt habe.
Der Roman handelt ja davon, dass Bach eine Stimmung sucht, in der er alles spielen kann; dass er dann Werckmeister begegnet, der ihm das Geheimnis der gleichschwebend-wohltemperierten Stimmung als das „wahre Christentum“ offenbart; und dass er, nachdem das Wohltemperierte Klavier vollendet ist, in einen abgrundtiefen Zweifel gerät, weil ...
- es keine reinen Intervalle mehr gibt
- die Tonartencharakteristik zumindest abgeschwächt wird
- man dazu „nicht singen kann“, wie Anna Magalena sagt (ein Argument, das ich in Sulzers Lexikon gefunden habe)
- man damit die Verbindung mit der Obertonreihe kappt
- man damit das Konzept der Weltharmonik aufgibt.
In meinem Roman wendet sich Bach nach seiner tiefen, drei Tage währenden Verzweiflung der Johannes-Passion zu.
Und was geschieht mit dem Wohltemperierten Klavier?
Das bleibt im Roman offen. Eine schöne Lösung im Sinne der neueren Theorie wäre, das ist mir jetzt bei der Lektüre Deines wirklich großartigen Beitrags eingefallen: Bach stimmt sein Clavichord um, führt doch wieder ein paar reine Intervalle ein und zeichnet auf das Titelblatt des Manuskripts – eine Girlande.:)

Herzliche Grüße
Jens
 
Hmmmmm - Spannend!
Und warum malt er eine Girlande und schreibt das nicht in einer klar lesbaren Anweisung/Liste/oder.. auf? :gruebel:
War das so etwas wie eine Art "Betriebsgeheimnis"? :confused:

Vielen Dank für die interessanten Beiträge!

Lisa
 
In der Tat, spannend! Die Erläuterung der Stimmung nach Girlande hört sich absolut plausibel an. Beim ersten Post dazu hatte ich das noch nicht kapiert. Warum er eine Girlande malt? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, sagt man, aber eine Erläuterung hätte Bach schon spendieren können.

Nun sind wir hier ein wenig auf die Romandiskussion umgeschwenkt. Das alternative Ende - ja, hört sich gut an. Ich denke das in dem Kontext, dass zu Bachs Zeiten die mitteltönige Stimmung üblich war als einzige spielbare und an der reinen Stimmung orientierte Stimmung. Die war gut und für den musikalischen Alltag ausreichend. Der Bedarf, auch andere Tonarten zu spielen, war vermutlich kaum vorhanden nach dem Motto "wozu denn, wir haben 3-4 Dur- und Moll-Tonarten, das reicht doch aus, damit kann man auch schön modulieren. Nun war Bach aber jemand, der sein Publikum verschreckte. Ich erinnere mich an eigene Erfahrungen als jugendlicher Aushilfs-Orgelspieler. Ich präludierte bei den Vorspielen für den Gemeindegesang wunderbar vor mich hin und bekam hinterher einen Anschiss, ich solle mich doch an die Noten halten und nicht so Bach-mäßig spielen. Wie krass mag das zu Bachs Zeiten gewesen sein, wenn man mal etwas ungewohntes probieren wollte.

Insofern, um zum Faden zurückzufinden, die Revolution bestand darin, dass Bach mit den Werckmeister-Stimmungen experimentierte und diese sämtlich auf taube Ohren stießen, unsingbar etc. Sein "wohltemperiertes Klavier" würde ich generalisiert sehen, nicht auf eine bestimmte Werckmeister-Stimmung bezogen. Wobei er es wohl eher anhand der ersten Entwürfe komponierte, dann aber vielleicht auch feststellte, dass es sich mit der gleichstufigen Stimmung noch besser anhört, aber diese dann auch für ihn selber sich zu weit von der Weltharmonie entfernte. Wie schön man damit wirklich komponieren konnte, war auch für Bach jenseits der Vorstellungskraft, daher komponierte er in den 24 Tonarten, aber ohne die Modulationsmöglichkeiten und Chromatiken voll auszuschöpfen. Damit bliebe der Plot des Buches erhalten, aber eben am Ende nur um Zurückscheuen vor der absoluten Lösung verändert. Der Hinweis auf die Girlande wäre da natürlich super.

Aber anders machen kann man es immer, der Plot ist auch so gut und verständlich, das Buch ist ja nicht für Musikwissenschaftler geschrieben. Wie Bach mit sich ringt und an der Berechtigung der neuen Stimmungen zweifelt, ist realistisch angesichts der Anfeindungen, der sich Werckmeister nachlesbar ausgesetzt sah. Egal ob wohltemperiert oder gleichstufig.

Und damit präsentiere ich nun mein vorläufiges Endergebnis in der Hoffnung, alle Einwände berücksichtigt und unsichere Aussagen und Vermutungen entsprechend kenntlich gemacht zu haben. Ich bin jetzt anderthalb Wochen in Urlaub und werde erst danach wieder an der Diskussion teilnehmen können. Viele Grüße, herzlichen Dank an alle, Reinhard

Mod-Anmerkung: Die Version wurde am 17.04.2014 aktualisiert (siehe Beitrag #1).
 
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...aber eine Erläuterung hätte Bach schon spendieren können.
Vielleicht hat er das ja, man weiß es nicht. :nix:

Nach mehreren Jahrhunderten mit schlimmen Verwüstungen durch Kriege kann zwangsläufig nur ein Bruchteil einstiger Dokumente erhalten sein, abgesehen vom zufälligen Untergang und Aufräumaktionen der Erben(-Generationen).

... Damit bliebe der Plot des Buches erhalten, aber eben am Ende nur um Zurückscheuen vor der absoluten Lösung verändert. Der Hinweis auf die Girlande wäre da natürlich super.

Schönes Schlussbild, falls sich z.B. Degeto einer Verfilmung des Romans annimmt. :)

Gruß Claus
 
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Lieber Jens,

danke für die freundlichen Worte. Unsere unterschiedliche Sichtweise in manchen Punkten möchte ich jedoch noch etwas beleuchten.

Daneben gibt es noch den historischen Andreas Werckmeister, der die gleichschwebende Stimmung ebenfalls "wohl temperirt" nennt. Aber da er damit ihre mühsam errungene Differenzierung in Gefahr bringt, bleibt die Musikwissenschaft bei ihrem Konzept.

Das kann sie natürlich. Der Nachteil ist nur, dass sie einen historischen Roman, in dem Andreas Werckmeister auftritt und mit seinen eigenen Worten die gleichschwebende Stimmung als "wohl temperirt" anpreist, dann nicht mehr versteht. Oder falsch findet. Oder ihn verdächtigt, er wolle die feinen Unterschiede verwischen.

Werckmeister verwendete den heute nicht mehr geläufigen Ausdruck "wohl temperirt" sicherlich ohne Hintergedanken, einfach im Sinne von "gut temperiert" und konnte künftige Begriffsverwirrungen nicht ahnen. "Gut" war auch die gleichstufige Stimmung. "Wohl" und "gut" war eine Stimmung, die für alle 24 Tonarten verwendbar war. Entsprechend schreibt Robert Schröter in seiner Diplomarbeit (S. 22), daß ungleichstufige Temperaturen später auch einfach "gute Temperaturen" heißen.

Da sich heute die gleichstufige Stimmung durchgesetzt hat, ist es nun sinnvoll, die ungleichschwebenden Stimmungen stärker von ihr abzugrenzen, auch wegen der vielfachen falschen Gleichsetzung von wohltemperiert und gleichstufig in der Vergangenheit.

Am Besten wäre es wohl, man würde den Begriff "wohltemperiert" vermeiden, wie Amon in seinem ausgezeichneten "Lexikon der Harmonielehre" (Verlag Metzler, J B, 2005)
Die temperierten Stimmungen werden dort aufgeteilt in ungleichschwebende und die gleichschwebende (= gleichstufige)- fertig.

Er schreibt übrigens auch auf S. 260:
...ANDREAS WERCKMEISTER (1645-1706), dem lange Zeit die "Erfindung" der gleichschwebenden Temperierung zugeschrieben wurde.

weiter in einer Randnotiz:
Das "Wohltemperierte Klavier" von J.S.Bach. das Stücke in allen 24 Dur- und Molltonarten enthält, geht nicht von einer gleichstufig temperierten Stimmung aus, denn auch in allen ungleichstufigen Temperierungen (z.B. den Stimmungen von J.P.KIRNBERGER) war das Spielen aller Tonarten möglich - jedoch mit der damals unverzichtbaren Tonartencharakteristik.

Ich lese übrigens den Schluss der Paradoxal-Discourse mit dem "ich bleibe dabey" anders als Du (siehe Beitrag #25)...

Betrachten wir das Zitat noch einmal:
Indeßen bin ich doch nicht ungeneigt / und bleibe dabey / daß man die diatonischen Tertien etwas reiner laße / als die andern so man selten gebrauchet / es giebet auch gute Veränderung...
und Deine Interpetation:
Bei den Terzen lässt er aber vorerst noch mit sich handeln und gibt sich damit zufrieden und "bleibt dabey", dass man einige Terzen "etwas reiner" stimmt. Die schweben dann also nicht mehr alle gleich. Na schön. Aber "etwas reiner" ist doch wohl nicht "rein", oder?

Werckmeister bespricht vor dem o.g Zitat die gleichstufige Stimmung. Bei ihr sind die Terzen sehr unrein und genau das findet er nicht so gut. Deshalb bleibt er dabei, die "diatonischen" Terzen etwas reiner zu stimmen als bei der gleichstufigen Stimmung. Damit meint er die großen Terzen der C-Dur/A-Moll-nahen Tonarten, die am häufigsten verwendet werden.
M.E. gibt es für ihn zwei Grenzfälle: die gleichstufige Stimmung und die die mitteltönige mit reinen Terzen.

Vergleich der großen Terzen:

400 Cent: gleichstufige Stimmung
386 Cent: reine Stimmung

z.B. die bekannte Werckmeister III-Stimmung:

390 Cent: c-e, f-a (fast reine Terzen)
396 Cent: g-h: , d-fis, b-d (fast gleichstufige Terzen)
402 Cent: es-g, a-cis, e-gis, h-dis (noch näher an der gleichstufigen Stimmung)
408 Cent: as-c, des-f, fis-ais (unreine Terzen, so wie die pythagoreische Terz)

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wohltemperierte_Stimmung

Sergio Martínez Ruiz (Universitat Autònoma de Barcelona) hat 2011 eine Doktorarbeit verfasst mit dem Thema:

TEMPERAMENT IN BACH'S WELL-TEMPERED CLAVIER
A historical survey and a new evaluation
according to dissonance theory

(Als PDF abrufbar)

Sein Fazit:
The results obtained show that the Total Dissonance for all preludes and fugues in major keys from the Well-Tempered Clavier by Johann Sebastian Bach can be minimized using Kirnberger II temperament.
(Kirnberger war Bach-Schüler und gebrauchte ungleichschwebende Stimmungen.)
Auch Ruiz kommt mit seiner Untersuchungsmethode zu dem Ergebnis, daß Bach eine ungleichschwebende Stimmung verwendete.

Ruiz macht übrigens von S. 124 bis 132 umfangreiche Angaben zu neuerer wiss. Literatur: "References on Bach's temperaments"
Die darin enthaltenen Kenntnisse über die damalige Zeit sollte man heute natürlich berücksichtigen.

Bach stimmt sein Clavichord um, führt doch wieder ein paar reine Intervalle ein und zeichnet auf das Titelblatt des Manuskripts - eine Girlande.

Das wäre dramaturgisch ein schöner Schluss. Doch Romane über bekannteste historische Personen (z.B. Bach) wären m.E. dann ideal gelungen, wenn sie den wissenschaftlichen Kenntnisstand berücksichtigen - wenn sie also nur durch Verdichtung der Geschehnisse und plausible Ausschmückung von Unbekanntem spannend gestaltet werden.

Von daher würde ich Werckmeister und Bach eher über die gleichstufige Stimmung diskutieren lassen, dann aber die Vorteile der ungleichwschwebenden Temperatur betonen, die Du aufgeführt hast. Die "Harmonie" bleibt weitgehend für die gebräuchlichsten Tonarten erhalten, Anna Magdalena kann wieder dazu singen. Werckmeister hat nun das Gelände auch der entferntesten Tonarten für die Komposition erschlossen, auf dem Bach Meisterwerke gedeihen läßt.
Die "wohltemperierte Stimmung" schafft gegenüber der gleichstufigen Stimmung ein zusätzliches Ausdrucksmittel, indem Nähe und Ferne von Tonarten auch klanglich wahrnehmbar genutzt werden können.

M.E. wäre eine ungleichschwebende Temperierung auch heute für sehr viel Musik ideal, aber eben nicht für alle. Und wir haben es gerne flexibel und einfach. Zudem sind wir kaum eine reine oder mitteltönige Stimmung gewohnt.

Geschichtlich betrachtet fand im Spätbarock ein klangästhetischer Entwicklungsprozess statt. Die Position von Bach und seinem Umfeld dürfte dabei von dem Bedürfnis geprägt gewesen sein, allen 24 Tonarten benutzen zu können, ohne auf ziemlich reine Intervalle verzichten zu wollen. Dies zeigen die zahlreichen ungleichschwebenden Temperaturen, die zu Bachs Lebzeiten und danach erstellt wurden.
Die Tonartencharakteristik, die sich durch diese Stimmungen ergeben, wurde wohl eher als zusätzliches Ausdrucksmittel gesehen und wird auch vom Musikwissenschaftler und Publizisten Klemens Hippel betont:
Johann Sebastian Bach hat sein "Wohltemperiertes Klavier" jedenfalls nicht für eine moderne gleichschwebende Stimmung geschrieben. Sondern für eine Stimmung, in der jede Tonart eine eigene Klangcharakteristik hat. Vergleichen Sie es einfach! Hören Sie sich einmal das "Wohltemperierte Klavier" auf einem solchen an, nicht auf einem gleichschwebend temperierten Flügel. Lauschen Sie einer damals ungewöhnlichen Tonart wie im b-moll-Präludium im 1. Band. Und vergleichen Sie den Klang mit dem a-moll-Präludium. Dann wissen Sie, was wohltemperiert bedeutet!
http://www.kultiversum.de/Musik-Partituren/DUMM-GEFRAGT-Was-heisst-eigentlich-wohltemperiert.html

Und warum malt er eine Girlande und schreibt das nicht in einer klar lesbaren Anweisung/Liste/oder.. auf?

Vielleicht, weil er in erster Linie Komponist war und das "Wohltemperierte Klavier" natürlich keine musiktheoretische Schrift sondern ein Werk mit 24 Kompositionen ist? Die verwendetet Stimmung war ihm in dem Werk aber eine Girlande wert, deren Erklärung möglicherweise verloren gegangen ist.

War das so etwas wie eine Art "Betriebsgeheimnis"?

Das ist nicht völlig abwegig. Bach wird z.B. begründet nachgesagt, daß er Zahlenmystiker war und daß in manchen seiner Stücke Botschaften versteckt sind.
Natürlich hat das Thema seine "Fans", die bei der Suche z.T. auch übertrieben haben. Doch man schaue einmal die Beispiele auf dieser Seite an. Darin wird erklärt, warum besonders die Zahl 14 für Bach offenbar eine große Rolle gespielt hat.

In diesem Zusammenhang noch eine "Entdeckung", die ich nach Studium der o.g. Stimmungssystems, das aus der o.g. Girlande abgeleitet wurde, gemacht habe:

Zählt man die Anzahl der einzustellenden Schwebungen, so kommt man auf die Zahl 13. Doch wieviel Schwebungen enthält das Kontrollintervall G-C, wenn alles richtig gemacht wurde? Eine Schwebung! (siehe S. 7)

Wir kommen also auf eine Gesamtzahl von 14 hörbaren Schwebungen bei Verwendung dieses Systems.

Natürlich kann die Girlande auch anders für ein wohltemperiertes Stimmungssystem interpretiert werden und es handelt sich wahrscheinlich nur um einen bemerkenswerten Zufall. Keiner weiß es genau und das Feld ist offen für die Spekulation.

Vielleicht könnte man jedoch eine zahlenmystische Anspielung in einem Roman/Film/Schlussbild wirkungsvoll einsetzen?

Viele Grüße
Klaus
 
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Die Tonartencharakteristik, die sich durch diese Stimmungen ergeben, wurde wohl eher als zusätzliches Ausdrucksmittel gesehen...

Das war gewiss so. Ich würde es auch gerne mal hören, tue mich aber leider schon bei den zahlreichen Hörbeispielen im Internet schwer, überhaupt Unterschiede herauszuhören. Als problematisch nehme ich wahr, dass es nicht nur eine ungleich schwebende Stimmung gegeben hat oder gibt. Jede wird wahrscheinlich zu einer leicht veränderten Tonartencharakteristik führen. Praktisch müsste der Komponist immer dazu schreiben, wie denn die Instrumente zu stimmen seien, richtig? Demgegenüber hat die gleichschwebende Stimmung den Vorteil, eindeutig zu sein.
 
Hmmmm - Ich verstehe nicht, was Du in diesem Zusammenhang mit "eindeutig" meinst.

Wenn ich das bislang alles richtig verstanden habe, fehlt bei der gleichschwebenden/gleichstufigen Stimmung die bei anderen Stimmsystemen festzustellende Tonartencharakteristik fast völlig. Der einzige verbleibende Unterschied ist ein (ich nenne es mal) charakteristischer "Helligkeitswert", der allerdings abhängig ist vom gewählten Stimmton. A war und ist ja nicht immer 440 Hz.
In den anderen Stimmsystemen ergeben sich dagegen beim Transponieren zusätzlich zum Helligkeitswert genau genommen unterschiedliche Leiterstrukturen, weil die Leiterstufen z.B. in E-Dur in einer anderen Entfernung zum Grundton E stehen, als die Leiterstufen in C-Dur zum Grundton C. Vielleicht nicht alle 7 Stufen, aber ein Teil. Und je mehr # oder b die Tonart enthält, um so größer werden die Unterschiede (siehe vorausgegangene Diskussion). Daraus ergit sich dann der Schluss: in ungleich schwebenden Stimmungen ist Dur nicht gleich Dur und moll nicht gleich moll etc. In gleichstufigen Stimmungen gibt es zwar verschieden helle Dur- und Moll-Leitern, ihre Strukturen hinsichtlich der Intervallgröße sind aber stets identisch. Meinst Du diese Gleichheit mit "eindeutig"?

Gruß
Lisa
 

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