Zum einen hat der THreadersteller schon lange nicht mehr in diesen Thread geschaut und hört wahrscheinlich längst Country und Western, weil er sich nicht entscheiden konnte
... zum anderen - sind wir ehrlich - lag der Fehler bereits in den Anfängen:
Die Überschrift / der Threadtitel lautete: Brauche mal
richtigen Punk
Bereits danach folgte der erste Widerspruch: Ich höre sonst Nirvana (Grunge), aber die sind mir zu soft geworden. Ich will auch nicht son HauDrauf, sondern was Melodisches.
Kurz darauf in einem weiteren Beitrag: Ich höre auch gerne Greenday (PunkROCK), sowas in der Richtung wäre also auch gut.
Da wird doch ziemlich schnell klar, dass der User eigentlich gar keinen richtigen Punk möchte, sondern einfach nur schnelle, laute, gradlinige Rockmusik mit Punk-Atitüden.
Zur ewigen Debatte von "Trueness" im Musikbiz:
Möglich, dass Punk - wie hier mal gesagt wurde - seinen Ursprung in den 50-60er Jahren hatte. Am Ende hatte aber jede Musikrichtung ihren Ursprung irgendwann anno Dazumal. Das spielt aber gar keine Rolle. Eine Rolle spielt bei solchen Klassifizierungen nur, ab wann es im Musikbiz so genannt wurde. Wann es sein "Ettikett" bekommen hat, sein eigenes Fach im Plattenladen und damit zu einer übergreifenden, bekannten Bewegung wurde. Den Namen für die Musikrichtung geben sich zu Anfang eines neuen Sounds in den seltensten Fällen die Bands und Musiker selbst (die machen einfach nur so Musik, wie sie es für richtig halten und wie sie eben können). Meist tun das Musikjounalisten und Marketingmenschen. Und das war nun mal bei Punk in den späten 70ern und 80er Jahren. Die Basis war aber in der Tat ähnlich der einiger R&R-Vertreter in den 50er-60er (Louie Louie, The Kingsmen).: jeder kann Musik machen, man braucht keine musiktheoretische Ausbildung und keine professionelle Technik, man muss nicht schön singen können und man provoziert das Establishment (obwohl ich sogar das nur für ein unbewusstes Merkmal halte).
Wer also "richtigen" Punk hören will, muss sich in der Zeit Ende der 70er bis 80er Jahre umhören. Einige Vertreter wurden hier bereits genannt (Slime usw). Wenn er bis dahin aber eher Nirvana oder Greenday gehört hat und etwas ähnliches erwartet, muss er seine Hörgewohnheiten ein wenig umstellen - nicht nur, weil die Produktionsbedingungen der ersten Punk-Scheiben ungünstiger als heute waren, sondern auch, weil die damalige Experimentierfreude, gemischt mit einem gesunden musikalsichen Anarchismus halt nichts für Hörer heutiger Punk-Gernerationen ist. Deswegen sind Greenday und Konsorten aber nicht gleich zwangsläufig "Pfui".
Wichtig dabei ist, dass die meisten "Urväter" oder "Erfinder" einer bestimmten Musikrichtung sich in der Regel nicht darüber bewusst waren, was sie dort tun. Sie haben sich nicht in den Proberaum gestellt und gesagt: "Los, wir werden eine Punkgruppe." Das kommt erst hinterher, wenn man danach gefragt wird oder es tun dann diejenigen, die über diesen "neuen Sound" schreiben - und der entsteht zufällig und unbewusst, oft in Einklang mit einer bestimmten Grundhaltung und einem Kleidungsstil. Oft aus Unvermögen oder ganz einfach bestimmten wirtschaftlichen Vorrausetzungern ("ich konnte mir keinen ordentlichen Amp leisten und auch nur eine Schrottgitarre. ").
Wenn nun ein Name oder ein Ettikett für einen Musikstil einmal vergeben und bekannt gemacht wurde, wird er mit diesem Namen übernommen und kopiert. Der Unterschied: Bands nachfolgender Generationen
entscheiden sich bewusst dazu, etwas zu machen, was sich PUNK nennt und was sie darunter verstehen. Und kombinieren es (automatisch) mit Einflüssen ihres eigenen Lebens, ihres sozialen Milieus und sind dabei auch von ihren eigenen Fähigkeiten abhängig usw, können sich schlimmstenfalls auch noch vernünftige Instrumente leisten und diese auch noch stimmen. Gibson? Ach Du schande. Wie untrue!
Direkte Nachkommen von Punk sind wohl Fun-Punk (Punk ohne politisch-soziale Botschaft, oft mit lustigen Texten), PunkROCK (melodischer als Punk) - eijngängiger und poppiger, aber es ist deswegen trotzdem Punk. Eben die eigene Interpretation von Punk. So wie Punk früher eine eigene Interpretation von R&R war. Immer so lange, bis ein paar Schlaumeier daher kommen und dem Kind wieder einen neuen Namen geben, damit man der wissbegierigen Welt da draußen möglichst einfach und plakativ erklären kann, was die jungen Leut hier in den Übungkellern für verrückte Sachen machen.
Alle neueren bekannten Punkbands sind ebenfalls Mischformen. Das hat aber nichts mit "UNTRUE" zu tun. Eine Band nimmt sich vor, Punk zu spielen. Jeder tut sein bestes, bis es gut klingt und alle sind glücklich. Dann kommt jemand und sagt: da klingt so schäbig und dreckig wie punk, aber langsamer, eingängiger. Also nennen wir es Grunge (=Schmutz). Genauso ging es den uralten Punkbands. Sie wollten Rock & Roll spielen, aber es klang irgendwie anders. Da kommt jemand und sagt: das klingt wie Rock & Roll, aber irgendwie total schäbig - also nennen wir es Punk (=schäbig, armselig).
Fazit: "Untrue" ist nur etwas, bei dem man seine Herkunft, sein Mileu verleugnet. Wenn zB der hier viel zitierte Gymnasiast mit gut verdienenden Eltern so klingen möchte, als käme er direkt aus einem Londoner Vorstadt-Slum und dabei auch noch singt: wir wollen hier raus aus dem Dreck. Das wäre "untrue". Es ist ihm aber dennoch erlaubt, schnelle, schäbige Musik mit rauhen Gitarrenpowerchords zu spielen. Auch ist ihm erlaubt, sozialkritische Texte zu fabrizieren - aber er wird es in seiner eigenen
gymnasial-geprägten Sprache tun. Er darf es trotzdem Punk nennen, wenn er meint, diese beiden Eigenschaften sind das Wesentliche beim Punk. Was andere dazu sagen, entzieht sich seiner Kontrolle.
Ansonsten müsste jeder, der sich das Etikett "True Punk" auf die Stirn schreibt (sofern trueness von der Authentizität abhängig ist, die wiederum mit dem Milieu verknüpft ist,), dies mit der Vorlage seine B-Scheines oder seiner Hartz-4-Abrechnung nachweisen. Ebenfalls dürfte er nur Equipment minderer Qualität benutzen, bestenfalls in einem tristen Vorort einer Großstadt wohnen.. Das wäre ein bißchen albern und würde den dynamschen Entwicklungsprozess von Musik arg hemmen.
Und übrigens: viele bekannte Vertreter der deutschen Punk/Punkrock - Szene der 80er waren Kinder gut situierter Eltern aus dem Bildungsbürgertum. Der Konsum von Drogen aller Art und der Punk waren wohl auch Auflehnung gegen die eigene Sippe und Herkunft. Sind deswegen alle Untrue?
Zusatz:
Jeder, der über True/Untrue spricht und dies auch mit einer Kommerzialisierung von Musikstilen gleichsetzt, muss sich über eines im Klaren sein: Seit der Erfindung von preisgünstig vervielfältigbaren Tonträgern ist Musik ein Industriezweig, der zum Verkauf gedacht ist. Platten werden gepresst, um sie zu verkaufen. Die Begriffe, die Einteilung in "neue" Stile und Namen sind verkaufsfördernde Maßnahmen. So wie auch der Begriff "Rock & Roll" von Beginn an eine Verkaufsstrategie war, da sich "eine Mischung aus Country, Blues und Hillbilly, aber etwas schneller und lauter, dargeboten von wild aussehenden jungen Männern in engen Hosen aus schlechter gestellten Milieus" einfach viel zu schlecht promoten ließ..
Wer wirklich "true"-Musik hören will, frei von Kommerz, Plattenverkäufen und globalen Entwicklungungen, muss sich an überlieferte Traditionals und Volksweisen halten. Und diese auch bestenfalls in den Dörfern der Urvölkern vor Ort und live genießen.