Moin Thomas et al.
@Sascha: Definiere "geil gespielt"...
Nee, genau das wollte ich vermeiden. Ich hatte anfangs überlegt, meinem Posting ein paar Soundbeispiele zuzufügen, es dann aber deshalb gelassen, weil die "Geilheit" ja, wie so vieles andere auch, im Auge des Betrachters (bzw. im Ohr des Hörers) entsteht.
Aus dem Grund habe ich dann auch lediglich versucht, die für mich (! - muss man ja immer sagen...) relevantesten "Geilheits-Parameter" aufzulisten.
Und ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass diese Parameter in punkto "Geilheit" von deutlich höherer Wichtigkeit sind als bspw. das Erlernen einer weiteren Skalen-Lage. Ferner habe ich die Erfahrung gemacht, dass relativ viele meiner Mitmusiker (und auch Schüler) dem mehr oder minder zustimmen. Natürlich gibt es Stilistiken, bei denen die Prioritäten ein wenig anders gelagert sein mögen, als Beispiel führe ich mal so Metal-Geshredder an, da kommt man ohne ausreichende Skalenkenntnisse vermutlich wirklich nicht zum Ziel. Aber letztendlich werden mMn auch diese Flitzefingergeschichten nur dann gut klingen, wenn die anderen von mir aufgezählten Parameter stimmig sind. Und für mich kommen diese Parameter eindeutig an erster Stelle - für mich selbst, bei der Beurteilung anderer Spieler, beim Unterrichten.
Weitere Skalen, tolle Licks und Tricks - das kann ich fast jederzeit dazulernen. Aber ich halte es für immens schwer, wenn man sich schon eine ganze Weile abgemüht hat, diese für mich essentiellen Dinge quasi nachträglich einzubauen. Ich gehe sogar noch weiter, und behaupte nicht nur, dass das ziemlich kontraproduktiv ist, sondern sogar an doppelte Zeitverschwendung grenzt. Es ist schließlich ein alter Hut, dass sich einmal eingeschliffene "Fehler" (in Anführungsstrichen, weil ich bei allem, was mit Musik und speziell Improvisation zu tun hat, eher ungerne von "falsch" und "richtig" rede) sehr viel schwieriger ausmerzen lassen, als wenn man sie von vornherein vermeidet.
So, und was dann die "Wertung" der von mir Aufgezählten Kriterien angeht, die "Geilheit" also: Das muss in der Tat jeder für sich selber entscheiden.
Mir geht es nur darum, dafür ein Bewusstsein zu etwickeln.
Ich habe übrigens, nachdem ich mich eine ganze Weile mit der Materie beschäftigt habe, sowohl mein eigenes Üben wie auch meinen Unterricht mehr oder minder radikal umgestellt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eben "weniger, aber geil" für mich auch methodisch-didaktisch der bessere Ansatz als "erstmal viel Kram lernen, dann gucken wie's wirklich genau geht" ist. Für mich persönlich wünschte ich, dass ich da deutlich früher drauf gekommen wäre, denn ja, ich musste in der Tat, nach vielen Jahren des (streckenweise sogar schon professionellen) Spielens einige Sachen umstellen.
Nur am Rande als zwei Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrung:
- Ich hatte zwar nie wirkliche Probleme mit dem Wechselschlag, aber das Timing war anscheinend sehr durchwachsen. Und plötzlich stand ich dann mit einer sehr groovigen Band im Studio und der Drummer meinte sowas wie "Alter, spiel doch mal nicht immer so vorne" - da gab's erstmal die drei Fragezeichen. Die Problematik anzugehen hat mir wirklich unfassbare Mühe bereitet, schlicht und ergreifend, weil sich schon gewisse Abläufe in meine Motorik eingebrannt hatten.
- Irgendwann habe ich mal Live-Aufnahmen einer Fusionband (ohgottohgott...), in der ich mitspielte, gehört. Mir fiel auf, dass eigentlich alle meine Vibratos zu weit und zu schnell waren. Das hat mich regelrecht angekotzt, auch weil ich eben total auf so Spieler mit ganz bewusstem Vibrato stehe - und auch, weil ich eigentlich dachte, das ginge schon ganz gut bei mir. Fehlanzeige. Naja, auch da war's 'ne höllische Mühe, den Kram so hinzubiegen, dass ich selber damit einigermaßen zufrieden war/bin.
Wäre ich mir all dieser Sachen schon vorher bewusst gewesen, hätte ich unfassbar viel Zeit und Mühe sparen können.
Allerding stört ja jede noch so kleine Abweichung z.B. im Time das Gesamtbild, so dass es dann keine drei geil gespielten Noten mehr sind... Und manche nehmen mehr davon wahr, manche weniger.
Aber wer hat nun Recht?
Wie hoffentlich oben schon klar wurde, geht es mir nicht um "Recht" oder sowas. Es geht für mich um das Bewusstsein ob der erwähnten Dinge. Und um das Bewusstsein, dass (zumindest mMn, aber die teilen schon recht viele Leute...) diese Dinge so essentiell sind, dass man sie von vornherein zumindest irgendwie beachten muss.
So, und nun möchte ich mich bereits vorher ausdrücklich dafür entschuldigen, wenn ich jemandem zu nahe trete, aber: Was ich dann in diesem Thread streckenweise wirklich sehr erstaunlich finde ist, dass sich einige Leute durchaus der von mir erwähnten Kriterien bewusst sind, man sich dann aber doch lieber um andere Sachen zu kümmern scheint. Und aus den oben erläuterten Gründen, nämlich dass man so eigentlich wertvolle Zeit "verschwendet", speziell im Hinblick darauf, dass man sich ja irgendwann vermutlich doch um die angesprochenen Dinge wird kümmern müssen (was einem dann um so schwerer fallen wird), wundere ich mich einfach.
Schon mal eine Gänsehaut vom eigenen Spiel gehabt? Oder schonmal sich selbst abgehört und das Gefühl gehabt, dass das a) geil ist und b) jemand anderer gespielt zu haben scheint? Das ist das Ziel. (ich behaupte jetzt nicht, dass das bei mir so ist.. aber manchmal passiert das tatsächlich)
Genau darum geht es mir. Man muss sich eben "geil" finden.
Nun gut, vielleicht ist das ja bei allen Teilnehmern in diesem Thread der Fall. Aber aus den durchaus nicht selten bereits im Vorfeld vorgebrachten Äußerungen a la "ich weiß, das ist nicht so richtig super", "schimpft bitte nicht zu doll" und dgl. ergibt sich für mich eher der Eindruck, als wenn das nicht der Fall wäre. Das ist doch bedauerlich, oder?
Wie dem auch sei, meine Herangehensweise an die Materie scheint ein ganz andere zu sein als die, welche in diesem Thread "en vogue" sein mag. Und das ist auch nicht schlimm. Gerade wenn es um Musik geht, gilt es fast mehr als in jedem anderen Bereich: "Jedem Tierchen sein Pläsierchen".
Nur habe ich eben das Gefühl, dann eben an dieser Stelle nichts Konstruktives mehr beitragen zu können. Und auch das ist überhaupt nicht schlimm.
Gruß
Sascha