Hallo liebe Akkordengemeinschaft ,
ich komme aus einem recht musikbetontem Elternhaus , von uns sechs Kindern haben alle Klavier gelernt , dann jeweils drei Oboe und drei Klarinette.
Ein Akkordeon gab es eigentlich nicht , manchmal an den Wochenenden vielleicht Schunkelmusik mit Gesang aus der Nachbarschaft, was aber keine Initialzündung war.
Durch diverse Musikschulorchester und Tanzmusikkapellen versandete die Musik bei fast allen, ein Bruder ist jetzt Studienrat für Musik und Organist,
eine Schwester hat eine Oboistenkarriere zugunsten eines Architekturstudiums aufgegeben.
Ich habe noch bis Anfang 20 Klarinette, Saxophon und Klavier gespielt, dann fehlten mir die Mitmusiker und dann auch die Zeit.
Nach meinem Kunst+Fotografiestudium bin ich irgendwann in Berlin gelandet, wo ich jetzt als freier Fotograf arbeite.
Irgendwann kam der Wunsch wieder musikalisch tätig zu werden und das möglichst unabhängig von anderen.
Nach 20 Jahren Pause war das Klavier etwas fad , ich fand den Anschluß an das alte Niveau nicht mehr.
Das Akkordeon schien mir in seinen orchestralen Möglichkeiten eine gute Alternative.
Man konnte sich selbst begleiten und hatte eine Klangfülle , wie ich sie vom Klavier kannte.
Außerdem reizte es mich , etwas neues anzufangen!
Mitte der 90Jahre gab es hier in Berlin einen Boom ,
wo in den Kneipen und Konzertsäälen viel Klezmer- und Zigeunermusik zu hören war.
Ein großartiges Open Air Konzert des Orchesters um den begnadeten Komponisten
Goran Bregovic brachte dann die Erleuchtung !
Mein erstes Instrument muß aus den 40ern gewesen sein ; völlig unbedarft habe ich mir für 100 DM ein hübsches 120 bässiges
Akkordeon mit schönen Intarsien auf dem Flohmarkt erstanden, von einem älteren Osteuropäer , der kein Deutsch sprach
und dessen einiziges Flohmarktangebot dieses Instrument war.
Sehr euphorisch begann ich zuhause darauf zu spielen. Abgesehen davon , daß die Hälte der Töne nicht ansprach,
wurde meine Begeisterung etwas gedämpft , daß zwei ansehliche Karkalaken aus dem Akkordeon purzelten und in meiner Wohnung das Weite suchten !
Das zweite war ein schrilles Hohner Akkordeon , eine Hohner Lucia ,was mich fast wieder von dem Instrument entfernt hat ( mit Hohner werde ich mich wohl nicht mehr anfreunden können).
Ein paar Tage darauf bekam ich aber per Zufall ein fantastisches Instrument : Ich besuchte einen befreundeten Gitarristen, in dessen Bandproberaum ein wuchtiges
Akkordeon , seit 15 Jahren als Deko an der Wand hing. Sein Vater war Fernfahrer und hatte mal irgendwann das Akkordeon an der deutsch-deutschen Grenze
für irgendeine Gefälligkeit bekommen.
Das Akkordeon war eine Weltmeister S5 , fünfchörig mit Cassotto und einem Lebendgewicht von fast 14 kg.
Hiermit habe ich im Selbstuntericht die ersten 2 Jahre gespielt , viel Klassik , Jazz und Filmmusik , die ich mir teilweise
von Klaviernoten umgeschrieben habe.
Zeitweise hatte ich auch Unterricht bei einem Absolventen der Hans Eisler Hochschule , wo damals noch Akkordeonisten ausgebildet wurden.
Dort habe ich auch diverse Studentenvorspiele gehört, konnte aber mit der ernsthaften Klassik nichts anfangen.
Sie scheint mir bis heute ein Versuch, die doch folkloristischen Wurzeln des Akkordeon zu verleugnen ( trotzdem werden Akkordeonisten in Konzerthäusern von den eitlen Violinisten immer noch verachtet )
...anderes Thema .
Ich fand hier in Berlin, in der damals noch vielfältigen Landschaft mit guten Musikaliengeschäften , ein fast ungespieltes Scandalli Polifonico IV Akkordeon,
das , mit dem weichen Ton und den Saxklappen.
Darauf habe ich einige Jahre begeistert gespielt ... dann kamen 2 Kinder und das Akkordeon hat mehr als nötig pausiert.
Die Kleinkinder fingen immer an zu weinen, wenn "moll" gespielt wurde...und mit einer großen Kiste auf dem Schoß ist man in der Kleinfamilie
nicht wirklich hilfreich.
Erst seit einem Jahr spiele ich wieder richtig viel und beschäftige mich sehr viel mit dem Instrument.
Ich habe verschiedene Italiener ausprobiert und auch einige alte Schätzchen wieder zum Leben erweckt,
letztlich habe ich mein Trauminstrument , bei einem berfeundeten Akkordionisten (heißt hier Meisterklasse454 ) gefunden:
Ein 50Jahre Cassotto Instrument , anscheinend eine Sonderanfertigung aus dem Hause Paolo Soprani für einen amerikanischen Kunden.
Meisterklasse454 hat das Akkordeon in Italien sehr kostspielig generalüberholen lassen , ihm war aber dann der Ton etwas zu schmalzig ,
da er selbst mehr Klassik bevorzugt ( spielt jetzt Cantora , Pigini und Morino 5555 )
Ich muß doch feststellen, daß man nur auf einem Instrument, daß 100% zu einem passt , auch den musikalischen Ausdruck findet,
den man sich wünscht und kann jedem anderen Spieler nur raten , so viele Instrumente, wie möglich auszuprobieren.
Jetzt spiele ich so täglich ,wenn möglich eine Stunde !
Zwar recht ambitioniert , doch werde ich wohl leider über ein amateurhaftes Niveau nicht mehr hinauskommen.
Mein Repertoir besteht aus klassischen Stücken , Bach + polyphonen Kompostionen , dann Jazz und italienische Filmusik ( eher 50er Jahre ).
Da ich eigentlich ein Notenmensch bin , bleibt immer die Suche nach guten Arrangements.
Wann immer weltweit Accordion Noten bei ebay angeboten werden , biete ich mit...teilweise kann man nur den Hut ziehen,
wie technisch anspruchsvoll das Material oft ist.
Immer noch viel Notenmaterial ist vom Klavier entliehen ,
viel wird umgeschrieben, wobei die linke hat möglichst viel Einzeltöne spielt. Manche Sachen lassen sich so abspielen , wie z.B. alte Henry Mancini
Filmmusik aus den 50ern , oder Tom Waits songbooks.
Inzwischen entdecke ich auch viel Originalkompositionen , z.B. von Rudolf Würthner oder französischen Komponisten,
die eher aus der Unterhaltungsmusik kommen.
Soweit, so gut
Gruss,
polifonico