Kurz noch etwas Senf zu diesem Thema "Bias?":
Es gibt drei verschiedene Arten von (Verlust-)leistung an so einer Röhre(nanode):
- Leerlaufleistung
- momentane Leistung bei anliegendem Signal
- durchschnittliche Leistung bei anliegendem Signal.
Warum Leistung?
Die Leerlaufleistung ist ganz einfach das Produkt aus der Anodenspannung und dem Anodenstrom im Leerlauf, d. h. wenn kein Signal anliegt. Dies lässt sich leicht messen und berechnen. P = U * I. Genau das machen die Meisten und ich auch.
Die momentane Anodenleistung ist ebenfalls das Produkt aus der Anodenspannung und dem Anodenstrom
genau wie die Messung des Ruhegleichstromes „nur“ zu einem bestimmten Zeitpunkt, daher die Bezeichnung „momentane“ Anodenleistung. Aus meiner Sicht wird das jedoch schon etwas schwieriger, da sie sich mit der Amplitude des Eingangssignales aufgrund der signalabhängigen Belastung der Anode ändert. Welcher Zeitpunkt ist dann bitte der Gültige? Welche reproduzierbare Signalamplitude liegt dann gerade zum Zeitpunkt x an? Klarer Fall, das kann man mit einem Sinusgenerator selbstverständlich reproduzierbar einstellen. Aber unsere Gitarren liefern keinen Sinus. Betrüge ich mich nicht selbst, wenn ich mit einem Sinus hergehe? Bei einer Leistungsangabe ist das noch verschmerzbar, da es ja immernin noch den Begriff einer "Sinusleistung" gibt, wobei das Marketing bei Gitarrenamps....
Die durchschnittliche Verlustleistung ist das, was bei den meisten Röhrenverstärkern zählt, sagt Aiken-Amps. Strenggenommen müsste man daher eigentlich einen „Gitarrensignalgenerator“ haben, der Gitarrenimpulse generiert und kein sauberes Sinussignal. Nur könnte man dann diese undefinierte Signalform zumindest mit einem normalen Spannungsmesser nicht messen. Analyzer? Wer hat so etwas? Und wieder: Betrüge ich mich nicht selbst, wenn ich stattdessen mit einem Sinus hergehe?
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Sinusmessungen für Bias: Braucht man das wirklich? Also Anschließen aller Prüf- und Meßstrippen an den Amp und an die Geräte, wie Generator, mindestens zwei Voltmeter (egal, ob das moderne oder alte VTVMs sind), Verkabeln der Geräte untereinander, sofern man keinen fertigen Meßplatz hat. Das ist je nach Meßplatz ein ziemlicher Zeitaufwand – für mich jedenfalls.
Nochmal: Wir messen eigentlich einen (Anoden- und Schirmgitter) Strom an der gemeinsamen Kathode. Oder eben im übertragenen Sinn die negative Gittervorspannung, die ja den Strom bestimmt, der durch die Röhre fließt und somit die Anode (Schirmgitter jetzt mal außen vor) belastet, wenn ein Hersteller dies "blöderweise" so vorgibt, wobei er sich dabei schon was gedacht hat!
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Bei der Bestimmung eines maximalen „sicheren“ Betriebsbereichs für eine Röhre sind also, was unsere drei obigen Punkte bezüglich Leistung angeht, stets drei Dinge zu berücksichtigen:
- die Anodenspannung
- der Ruhestrom (oder eben - wenngleich etwas unschöner, aber praktikabel - die negative Gittervorspannung) und
- die Last (Primär-) impedanz, an der die Röhre arbeitet: der Ausgangsübertrager mit seinem Übersetzungsverhältnis, mit seinem angeschlossenen Speaker; rückwirkend auf die Primärseiten.
Die ersten beiden bestimmen die statische oder Leerlauf-Verlustleistung, wie oben beschrieben. Alle drei bestimmen die durchschnittliche aktive Anodenverlustleistung unter einem Signal.
So. Wenn aber die Primärimpedanz nicht bekannt ist? Und nicht nur die. Sondern dazu das Übersetzungsverhältnis des OT, der Speaker, dessen "Eigenleben" wiederum mit einem Gehäuse korrespondiert. Bei welcher Frequenz? Resonanz? All das wirkt zurück auf die Primärimpedanz. Wer kennt also die Primärimpedanz genau? Ich wage jetzt mal fast zu schreiben: sehr oft bis meistens kaum jemand. Der Hase liegt genau hier im Pfeffer, dass man dann eigentlich Entwicklungsunterlagen für so einen Amp haben muss, die bis ins fachliche Detail vorgeben müssten, was man tun muss. Also den Amp mangels solcher Unterlagen nicht annehmen zur Justage?
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Ich meine, für einen Class-AB-Verstärker ist die Bias-Einstellung des Ruhestromes anhand „Faustformel“ auf 70 % der maximal zulässigen Anodenverlustleistung in der Regel ein völlig sicherer und eben
vor allem ohne großen Aufwand (idealerweise nur ein Volt- und mA-Meter!)
praktizierbarer Wert. OK, man muss die Datenblätter der betreffenden Endröhren kennen und man muss etwas rechnen bezüglich der 70%!
Steinigungen, Korrekturen und Kommentare gern gesehen.