die überhaupt jedem Interessierten die Möglichkeit bietet, sich an einer Hochschule zu bewerben
Die Forderung ist zwar nachvollziehbar, aber surreal wenn man sich mal ein wenig aus seiner Musikerblase hinausdenkt.
In unserer Gesellschaft ist es nun mal relativ weit relativ allgemein akzeptiert, dass Kinder, ab dem sie in irgendeiner Ausbildungsinstitution sind, sehr viel Zeit mit rechnen, lesen und schreiben verbringen. Überschlage doch mal, wie viele Stunden du nur durch Schulvorgaben mit einem Stift in der Hand bzw. einem Buch vor der Nase verbracht hast. Deswegen ist z.B. das Argument, Physik kann man einfach studieren beginnen wenn man es bis zur Studienreife schafft und nicht ganz blöd ist, Musik hingegen nicht ja auch nicht ganz fair, weil man bis zu diesem Punkt etwa 12 Jahre lang jede Woche mehrere Stunden Matheunterricht hatte und dazu noch Hausübungen sowie lernen für Tests und Schularbeiten hatte. Stell dir mal vor, in derselben Intensität wärest du an ein Instrument herangeführt worden....
Der (Schul-)Musikunterricht (zumindest den, den ich hatte) war hauptsächlich singen (bzw. eher mitsingen, irgendeine Form von Anpassung/Korrektur/... gab es nicht) und die wichtigsten Geburts/Sterbedaten diverser klassischer Großmeister zum Test zu lernen - obwohl mir da vielleicht etwas fehlt, sollten wir da z.B. mal die Rhythmuspyramide oder so gemacht haben kann ich mir gut vorstellen, dass ich mir das gar nicht gemerkt habe weil ich zu dem Zeitpunkt schon ein paar Jahre Noten vor der Nase hatte. Gut, das braucht man wohl nicht vertiefen.
Jetzt kann man am Schulsystem, am österreichischen wie wohl auch am deutschen, sicher einiges kritisieren (aber wohl nicht hier
) aber wie soll das rein praktisch funktionieren
, jedem Interessierten die Möglichkeit zu bieten? Klar, ich würde es wie wohl die meisten hier enorm begrüßen, würde schon in der KiTa musikalische Früherziehung zum Standard gehören und in jeder Grundschulklasse kommt ein Vorführkonzert um den Kids Instrumente zu zeigen und jeder, der sich für eines interessiert bekommt einmal die Woche ne halbe Stunde an den Regelunterricht drangehängt......
Aber das wäre einerseits mal ein enormer, personell nicht machbarer und selbst wenn schwer zu rechtfertigender Aufwand- denn mit einer ähnlichen Argumentation könnte ja auch jeder Sportler sagen, dass die läppischen 1-2 Stunden Sport/ Woche, zu denen die Schule verpflichtet niemals auf ein gesundes Leben vorbereiten, es gibt so viele Menschen mit Gesundheitsproblemen, die auf zu wenig Bewegung zurückzuführen sind. Da sollte man doch auch schon bei den Kleinen ansetzen? Und will jemand mal Sportwissenschaft studieren muss er ja auch rechtzeitig entsprechend anfangen, um überhaupt die Aufnahmeprüfung zu schaffen - also mindestens 10h Sport pro Woche, damit jeder Schulabgänger nur aus dem, was aus der Schule heraus vermittelt wurde auch die Option auf ein Sportstudium hat? Da wäre dann sogar noch das Argument "Gesundheit kommt doch bitte vor Kunst!".
Was ist mit Englisch? Sollte man da nicht auch noch mehr noch früher ansetzen, gerade in dem Alter wo man Sprachen quasi nebenbei lernt?
Andere Kunstzweige wurden ja auch schon thematisiert. Wenn man Musik diesbezüglich fördert, dann doch auch bildende Kunst? (Nicht zu vergessen, dass die Kids trotzdem noch in gleicher Qualität lesen/schreiben/rechnen müssen).
Und, es gibt ja (zumindest bei uns in Ö) ja zumindest einen Kompromiss, nämlich in Form von Musikgymnasien. Da kommt man zwar auch nicht ganz ohne Vorbau hinein, aber eben mit dem, den man von einem 10 Jährigen erwarten kann (und soweit ich weiß kann man unter natürlich entsprechend angehobenen Bedingungen auch mit 14 in die Oberstufe einsteigen). Und die haben eben explizit das Ziel, dir den Weg ins Konzertfach zu ermöglichen - und zwar, indem genau die vorher umrissenen Prioritäten eben mehr Richtung Musik gelegt werden. In diesem Rahmen geht das ja. Genauso gibt es z.B. Sportgymnasien.
Wenn du so eine Schule machst, dann wird es mit dem vorher angesprochenen Physikstudium allerdings zumindest deutlich schwieriger werden weil dir ziemlich viel abstrakte Denkübungsarbeit fehlt (in der du dafür dich eben mit Musik beschäftigt hast). Aber es ist nicht unmöglich, du könntest es natürlich trotzdem probieren.
Ich z.B. war ab Oberstufe in einer Schule mit technischen Schwerpunkt, ich konnte am Ende statisch unbestimmte Systeme berechnen, aber hatte vom Alter 14-19 keine einzige Wochenstunde Bio/Musik/irgendwas künstlerisches und nur 1h Geographie in der 1. und 2. Klasse dieser Schule. Dafür jeweils so etwa 5 Fächer, in denen die Anforderungen in punkto Mathematik und Abstraktion so hoch waren, dass wohl die allermeisten, die die ersten 3 der 5 Jahre erfolgreich geschafft haben wohl schon das Mathe-Abi einer normalen, allgemeinbildenden Schule ohne Vorbereitung geschafft hätten.
Worauf ich hinauswill:
Es ist illusorisch, jedem jungen erwachsenen Interessierten alle Möglichkeiten zu bieten, weil es in der heutigen Zeit viel zu viele Möglichkeiten gibt. Wenn man weiß, was man will gibt es ja entsprechende Möglichkeiten, das zu fokussieren. Aber weiß man das nicht und erwartet, allgemein alle Möglichkeiten haben zu wollen, wenn man mit Ende der Schulzeit zu überlegen beginnt, wohin es denn weitergehen soll dann verkennt man nunmal, dass man dafür nicht nur viel gelesen, geschrieben und gerechnet haben muss, sondern auch die ganze Zeit im Sportverein aktiv gewesen sein muss, ein Instrument gelernt haben muss, eine Sammlung eigener bildender Kunstwerke erstellt haben muss, 3 Sprachen sprechen gelernt hat, sich soviel für Bio/Geographie/... interessiert haben muss, dass man tatsächlich eine Idee hat, was man da eigentlich studieren will wenn man in diese Richtung geht uswuswuswusw......
(Mal umgekehrt formuliert, eigentlich hat man doch eh verdammt viele Möglichkeiten, wenn man's mal einfach nur planlos bis zu Studienreife schafft - und auch abseits davon sei natürlich der Vollständigkeit halber erwähnt -, zu bekriteln, nicht ausnahmslos
alle Möglichkeiten zu haben kann man durchaus auch als vermessen bezeichnen, mindestens aber als realitätsfern)
Das geht nicht, die Zeit der Universalgenies, als ein Mensch tatsächlich das Wissen der Menschheit so +- in sich vereinigen konnte sind schon etwas länger vorbei - und dann ist da noch die kleinsten gesellschaftliche Zelle, die Familie. Natürlich mal der elterliche Vorbildfaktor und viele wegweisende Entscheidungen werden nun mal eher von den Eltern als den Kindern getroffen, wie eben z.B. die Wahl der Schule. Jetzt kann man natürlich einerseits sagen, dass es kein Mensch verdient hat, mit der Inkompetenz seiner Eltern bestraft zu werden und von öffentlicher - bzw. in dem Fall schulischer - Seite da trotzdem soweit möglich ein erfüllter Lebensweg ermöglicht werden muss, andererseits, wo sollte da der Kernfokus liegen? Da ist man wieder bei den Kernkompetenzen lesen-schreiben-rechnen und dann kommt alles andere - und da ist Musik nunmal ein Nebenschauplatz von vielen, wenn da kein Eigenantrieb in diese Richtung kommt kann man schwer vom System erwarten, dass es das "für einen erledigt".
Ist man in der Form mit dem Elternhaus gestraft, dass das Problem nicht darin liegt, das Kind nicht fördern zu können oder gar zu wollen, sondern es in eine falsche Richtung zu zwingen (egal ob "wia san alle Hackler, niemand von uns geht auf eine Uni, wennst 16 bist such dir ne Arbeit" oder "Natürlich studierst du Jus!") - was soll ich sagen, ganz wird man Darwin niemals mit einem noch so modernen Staat ausgleichen können.