Oder war es vielmehr so, dass der seine Zieltaste ansteuernde kleine Finger wie von selbst ein Öffnen der ganzen Hand bewirkte? Dass diese sog. "Anweisungsmotorik", in diesem Fall des kleinen Fingers, also eine Weite in die Hand brachte, die aber keine gespannte Weite oder Streckung war, sondern mit einem eher aktiven und dennoch weichem, entspannten Ausdruck verbunden war?
Wie empfandest du deine Hand denn selber bei diesen Übungen?
Bei den ersten Sprüngen dachte ich:
Zauberei, und fühlte die kleine Freude, die uns seit Kindheit vertraut ist, wenn etwas Neues gleich/schnell gelingt. Die Frage, wie das die Hand macht, kam erst zum Schluß, eher retrospektiv (bei der Entdeckung der Daumenarbeit).
Es ist auch für mich schwierig, mich selbst und meine Bewegungen zu analysieren, weil ich ein Teil des beobachteten Systems bin, und allein durch die (aufmerksame) Beobachtung entziehe ich dem System (also auch den Händen) wichtige Ressourcen, wodurch sich die Bewegung der Hände verändern kann (im Vergleich zu Nicht-Beobachtung). Mitunter sind meine Hände
mir gegenüber nicht so sehr gesprächig.
Aus dem Nachhinein-Blickwinkel habe ich
dieses Gefühl: Ich hatte dem Kleinfinger nur die Anweisung gegeben:
Hier fängst du an, da ist die Zieltaste, hüpf dahin. Der Kleinfinger ist losgeflogen und hat die ganze Hand mitgenommen, der Daumen blieb an der Startposition zurück (das führte zur Öffnung der Hand) und hat die Fluglänge abgemessen/kontrolliert, vermutlich auch die Information zum Anhalten/Landen an den Kleinfinger gegeben.
Auch wenn ich solche Blindflüge nie geübt hatte (zumindest nicht bewußt) und ein notorischer Fingergucker bin, denke ich, daß meine Hände viel besser blind spielen können, als ich es überhaupt ahne.
Gestern habe ich bei dem Präludium-Blindversuch
erfahren, daß die Hände auch ohne Blickkontrolle zurechtkommen, ohne daß die Spielsicherheit darunter leidet. Allerdings handelt es sich um ein
sehr leichtes Stück und der Blindversuch dauerte nur 11 Takte. Natürlich werde ich das Blindspiel auf das ganze Präludium ausweiten, aber selbst wenn das ganze Stück blind gelingen sollte, ist damit das Blindspielen (generell) noch lange nicht erlernt, oder gar der Blick auf die Tasten verzichtbar.
Mein Blick auf die Tasten ist eine wichtige
Hilfe für das Gedächtnis, denn ich spiele (fast) alles auswendig, ohne aktiv/bewußt wahrzunehmen, welche Noten ich spiele, und diese Information kann ich während des Spielens nicht mehr von außen nachliefern (nicht mal beim Blick ins Notenblatt; also nicht so schnell, ich müßte das Spiel unterbrechen).
Die Hände kennen ihre Bewegungen und die der einzelnen Finger, die Augen helfen mit dem Spielbild/-muster auf den Tasten;
das optische Muster der gespielten Tasten ist für mich das, womit ein routinierter Kammerspieler sein
Gedächtnis aus dem Notenblatt
stützt. Bloß - ich brauche diese Stütze viel häufiger.
Beim Blick auf die Tasten beobachte ich meist nur eine Hand, die andere spielt blind. Welche der beiden Hände beobachtet wird, ist auch ein "fester" Teil des Spielprozesses. Die Wahl der Hand, die beobachtet wird, ergibt sich aus dem Bedarf der Hände, ich selbst habe darauf keinen Einfluß. Ich stelle nur fest - da beobachte ich die LH und dort die RH, aber warum das so ist, entscheidet sich in dem Lernprozeß, wenn ich das Stück einlese und übe/erarbeite.
Vor diesem Hintergrund könnte die Fertigkeit meiner Hand, blinde Sprünge auf den Tasten sicher durchzuführen, den Blick auf die Tasten nicht vollständig ersetzen, weil in dem optischen Muster der gespielten Tasten ein Teil meines Notenblattes abgespeichert ist.
Nichtsdestotrotz empfinde ich es
sehr bereichernd, das Blindspieltraining in den Übungsplan zu integrieren, und werde das Blindspielen nach und nach auch in die schwierigeren Stücke, die ich aktuell spiele, zumindest streckenweise einflechten. Denn
das Schließen der Augen öffnet weite Räume, die man sowohl zum Spielen als auch zum Wahrnehmen nutzen kann.
Gruß, Bert