Aus meiner Sicht als Hobbyspieler ist mein Eindruck, die "Systematik" des Fingersatzes anzuwenden erfordert vor allem sehr viel praktische Erfahrung - lege artis, versteht sich.
Literatur gibt es freilich schon dazu, z.B. Rami Bar-Niv, Die Kunst des Klavier-Fingersatzes
http://rami.ybarniv.com/?page_id=71
https://en.wikipedia.org/wiki/Rami_Bar-Niv
Ich kenne das Buch nicht und kann dazu nur auf die Kommentare beim größten Versender verweisen.
Zurück zu Czernys Etüden. Sie zeichnen sich in der Auswahl von Mayer-Mahr überwiegend dadurch aus, dass sie die Spieltechnik über Bausteine der Klaviermusik seiner Zeit vermitteln.
Darin sehe ich einen wesentlichen Unterschied zur Vermittlung von Spieltechnik im Stil von Hanon - wobei es auch bei Czerny einige sehr technische Fingerübungen oder Op. 299 etc. gibt.
Wenn Du "Der praktische Czerny", Band II bereits hast, dann kennst Du das Schema der Zusammnstellung in den Heften.
Bei Mayer-Mahr stehen ausreichend deutlich Fingersätze dabei, es geht schließlich um die "Grundausbildung" der Spieltechnik. Deshalb sind u.a. auch Übungen aus den 100 Erholungen darin gut vertreten.
Fehlende Fingersätze einzutragen ist zunächst der Job des Lehrers als Teil des Unterrichts. Durch Erklärungen zu Komposition, Form, Technik und Fingersätzen im Kontext der schwierigen Stellen lernst Du das, was Du als "Regeln" suchst, im Lauf der (mehrjährigen) Ausbildungszeit nach und nach durch Erfahrungsbildung.
Möglicherwise ging es in den 10 Unterrichtsstunden von Null bis zum A-Moll Walzer von Chopin allzu zügig, dann würde die Spielerfahrung aus vorgelagerten Stücken fehlen.
Z.B. mit den Bänden der Russischen Klavierschule könnte man den klassischen Kanon der Unterstufe ein gutes Stück und vor allem systematisch erarbeiten und damit praktisches Know How erwerben, ich empfehle unbedingt die Ausgaben mit Doppel-CD statt auf Youtube-Videos zu setzen.
Ich übe mich übrigens u.a. durch Gerhard Kölbl, Die 100 wichtigsten Etüden für Klavier.
Die Sammlung umfasst ebenfalls die Elementar- und Unterstufe mit oft sehr bekannten Etüden (z.B. Burgmüller Ballade und Arabesque) und ist nach Grundtechniken thematisch geordnet, ich hatte die Ausgabe im Board schon 'mal angesprochen.
Auch Margret Feils, Einfach Klassik umfasst die ersten Anforderungsgrade mit oft sehr bekannten Stücken wie deinem Chopin Walzer, daneben gibt es aber auch Entdeckungen unter den 85 ansteigend geordeten Stücken.
Eine weitere, von mir ebenfalls schon gelegentlich erwähnte und geschätzte Reihe ist von Dorothy Bradley, Von Stufe zu Stufe bzw. inhaltlich gleich Tuneful Graded Studies.
Im Stoff vergleichbar zu Mayer-Mahr sind in 4 Heften Etüden bekannter Etüdenverfasser zusammengestellt, neben Czerny z.B. Burgmüller, Köhler, Le Couppey, Löschhorn, Lemoine, Bertini, Gurlitt, Stamaty, Duvernoy, Heller, dazu in den ersten beiden Bänden auch Etüden von Bradley selbst.
Diese Reihe ist dank der verschiedenen Komponisten musikalisch natürlich abwechslungsreicher als "Czerny pur".
Hat man sich aus den genannten Titel etwas ordentlich erarbeitet sollte ein selbst zu erstellender Fingersatz bis in die Literatur der Mittelstufe eigentlich kein Problem sein.
Klassisches Klavierspiel ist m.E. für Autodidakten ein ungeeignetes Feld, weil so Vieles gezeigt, kontrolliert, korrigiert und oft auch erklärt werden sollte.
Es gibt aber bekanntlich auf diesem Gebiet sehr gute Lehrer/-innen - ganz nach Neigung didaktisch auf der Höhe der Zeit oder russisch streng mit Schlittenfahrt.
Gruß Claus