Die Phrase mit den "anerkannten Regeln und Stand der Technik" ist ja ohnehin der grauzonen Ausweg aus jeder brenzligen Lage.
Da wirds ja dann ohnehin immer Fall und Richter abhängig.
Da muss ich allerdings widersprechen, auch wenn man das als Nichtjurist so verstehen könnte. Gerade die anerkannten Regeln der Technik bzw. der Stand der Technik (was rechtlich übrigens auch nicht das gleiche ist) sind
keine Auswege oder gar ein Freibrief für den Richter, nach persönlichem Gerechtigkeitsempfinden zu urteilen. Ganz im Gegenteil.
Der Richter wird erstmal auf der rechtlichen Seite prüfen, ob zB eine Ausführung nach dem Stand der Technik geschuldet war. Das kann entweder aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder auch nach allgemein geltenden Gesetzen der Fall sein. Da sind wir auch wieder bei der ursprünglichen Diskussion, denn für einen privaten Verkäufer kann es sehr wohl möglich sein, eine entsprechende Haftuing auszuschließen. Ein von einem Laien selbstgebauter Amp ist zB keineswegs ein nicht verkehrsfähiger Artikel.
Ich sehe nicht, wie man zu einer Haftung käme, wenn hinreichend deutlich darauf hingewiesen wurde, dass der Amp von einem Laien zusammengebaut wurde, nicht den technischen Normen entspricht bzw. auf deren Einhaltung überprüft wurde und in der verkauften Form nicht an das Netz angeschlossen werden sollte. Kitzlig wirds immer dann, wenn diese Aussagen wieder relativiert oder verharmlost werden, also sollte man sich sowas verkneifen wie: "Ich habs aber jahrelang benutzt und nie Probleme gehabt." Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte das alles schriftlich vereinbaren und dabei festhalten, dass vor einem Anschluss eine Überprüfung durch einen dazu berechtigten Techniker erfolgen muss, dass auf das Risiko hingewiesen wurde und die Gewährleistung des Verkäufers für das Gerät definitiv ausgeschlossen ist.
Richtig ist, dass ein gewerblicher Hersteller/Verkäufer das nicht kann. Auch er kann aber zB einen Bausatz oder ein teilaufgebautes Gerät verkaufen, wenn das klar als Kaufgegenstand vereinbart ist und ausdrücklich
kein fertiges, anschlussfähiges Gerät.
Die von Dir genannten Formulierungen "anerkannte Regeln" bzw. "Stand der Technik" kommen erst im zweiten Schritt ins Spiel und stellen das Einfallstor für die technische Beurteilung dar.
Sollte es bei einer Entscheidung darauf ankommen, wird ein Gutachter bestellt, der (nicht zuletzt anhand der geltenden Normen) beurteilt, ob eine Abweichung vom Sollzustand vorliegt. Selbst bei einer Abweichung von Normen ist die Haftung noch nicht automatisch gegeben, schon gar nicht unbegrenzt. Dazu bedarfs es dann noch der Feststellung der Kausalität zwischen Mangel und Schaden.
Im Einzelfall wird man dann wohl zu einer Beweislastumkehr kommen. Es wird demnach angenommen, dass ein Normverstoß, der in einem unfalltypischen Bereich vorlag, auch ursächlich für den Schaden war. Dennoch bleibt dem Hersteller/Verkäufer die Möglichkeit, das zu widerlegen, indem zB ein Sachverständiger eine alternative Ursache findet, wie einen schwerwiegenden Fehler an der Hausinstallation oder einen schweren mechanischen Schaden, der nach dem Kauf durch äußere Einwirkung entstanden sein muss. Unter Umständen kann das Gerät also sogar einen Mangel haben und muss zurückgenommen werden, aber Schmerzensgeld für die Verletzung durch einen Stromschlag gibts keines, weil kein direkter Ursachenzusammenhang besteht.
Ist also alles nicht soo einfach.
Gruß, bagotrix