Gestern schaute ich nach monatelanger freiwilliger Abstinenz (über deren Grund ich wohl nicht viel sagen muss) mal wieder hier rein. Ein Artikel über „
Social Bots“ hatte mich an dieses berüchtigte Unterforum erinnert (sind hier auch schon welche unterwegs?) und dadurch kam ich auch gleich zu diesem Thread. Viel scheint sich ja nicht geändert zu haben!
Zuvor ein wenig Geschichte:
Vor ziemlich genau 70 Jahren wurde in Nürnberg ein Mann hingerichtet, von dessen Aktivitäten dieser Tage viel die Rede war. Die britische Schriftstellerin und Journalistin
Rebecca West hatte ein paar Wochen zuvor über ihn
geschrieben: „He is a dirty old man of the sort that gives trouble in parks“ - Er ist ein schmutziger, alter Mann, von der Sorte, die Ärger in Parks macht - und dieses Bild trifft meiner Meinung nach sehr gut die Vorgänge in besagtem Board-Forum!
Um es gleich vorweg zu sagen: Natürlich kann man die beiden Dinge in ihrer Bedeutung nicht wirklich gleichsetzen und über die Todesstrafe müssen wir selbstverständlich kein Wort verlieren, aber jeder kann die Parallelen sehen und das Bild des Parks kann man gut für das Musiker-Board nehmen.
Julius Streicher hetzte in seinem Blatt „
Der Stürmer“ (Untertitel: Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit) mit aggressiven, rassistischen und primitiven Parolen gegen eine Minderheit und schürte mit erfundenen Geschichten Hass. Er appellierte an niedrigste Instinkte, seine Hetze war vulgär, sexualisiert und pornografisch, geprägt von absurden Weltverschwörungsfantasien. Der Mann wurde damit zum Millionär, aber irgendwann wurden seine Aktivitäten sogar seinen Mitstreitern zu widerwärtig und peinlich.
Wer da nicht an besagten Thread denken muss.
Kommen wir zum Bild:
Ein Park, der für Blumen- und Pflanzenfreunde geschaffen wurde, wo sich die Liebhaber treffen um zu entspannen und die Pflanzenpracht zu geniessen, um über ihre grünen Pfleglinge zu reden, sich gegenseitig Tipps und Hinweise zu geben und die Welt ein wenig „grüner“ zu machen. - Und in der einen Ecke dieses Parks treiben sich besagte „alte, schmutzige Männer“ (in der Tat sind es fast ausschliesslich Männer) herum!
Die überwiegende Mehrheit der Parkbesucher möchte nichts mit ihnen zu tun haben, aber der Parkbesitzer findet, es bringe zusätzliche Besucher, auch wenn diese sich nicht für Pflanzen interessieren. Man kann natürlich auch annehmen – und dafür gibt es gute Gründe - dass auch eine gewisse Sympathie für deren Einstellung dahinter steckt.
Ob sich diese Haltung wirklich „lohnt“?
Da gibt es Leute, die sich um die Pflanzen kümmern, die Blumen giessen und die Wege kehren, damit die Besucher sich wohl fühlen. - Und auf der anderen Seite sind ein paar Wenige, die sich darüber lustig machen, die Pflanzen in „gut“ und „schlecht“ einteilen und die Entfernung ihnen nicht genehmer Arten fordern.
Ich kannte bei meiner Anmeldung das besagte Unterforum nicht, ich brauche es nicht und würde es nicht vermissen.
Wenn ich dort zuletzt noch geschrieben habe, dann in der vergeblichen Hoffnung, Aussenstehenden zu zeigen, dass dort nicht die Mehrheit der Nutzer vertreten ist. Allerdings ist meine (Frei-) Zeit (offensichtlich im Gegensatz zu manch anderem Nutzer) begrenzt und wenn ich im eigentlichen Musikbereich geschrieben hatte (so sorgfältig wie möglich, damit die Aussagen auch noch länger lesbar sind), dann konnte ich im OT, meist noch viele Seiten schnell dahin geschriebenen, bösartigen Unsinn durchlesen. Und darauf noch ausführlich antworten?
Wie wohl die meisten Nutzer habe ich mich der Musik wegen angemeldet und nicht, um mich mit Hetzern auseinanderzusetzen. Das ist nicht meine Aufgabe! In einer solchen Umgebung fühle ich mich nicht wohl.
Ich persönlich finde es sehr befremdlich, dass in diesem Sommer zum Beispiel kein Mensch auf den 100. Geburtstag von Charlie Christian eingegangen ist, ein Musiker, der eine einzigartige Bedeutung für die Gitarre, vor allem in ihrer elektrisierten Form, besitzt, während an diesem Tag wahrscheinlich wieder unzählige „Beiträge“ über die Minderwertigkeit mancher Menschengruppen, hinsichtlich ihrer Herkunft und Religion, verfasst wurden. In einem Musikerforum!
Meiner bescheidenen Ansicht nach hätte es gereicht, wenn der Chef des Forums einmal klipp und klar erklärt hätte, dass undemokratische und menschenfeindliche Ansichten in diesem Forum nichts zu suchen haben. Oder wie es der Bundesinnenminister
Dr. Thomas de Maizière kürzlich sagte:
Demokratie ist nicht nur ein Verfahren, das sich alle paar Jahre wiederholt, sondern zuallererst eine Haltung, die man hat und zeigt. Dazu gehört der Stolz auf unsere Freiheit – die Freiheit des eigenen Denkens und Entscheidens genauso wie der Respekt vor der Freiheit und der Meinung der Anderen, solange sie nicht die Würde von Menschen in Frage stellt.
Aber der Minister ist für einige Leute sicher schon ein Linksradikaler!
Als Betreiber eines Portals, das sich vor allem an die Jugend richtet, sollte man sich im Klaren darüber sein, dass man damit auch seinen Teil Verantwortung trägt und Vorbild sein sollte, um junge Menschen von den Vorteilen der Demokratie zu überzeugen. Dafür darf man das Feld nicht einer rabiaten Minderheit überlassen, die hier zweifellos am Werk ist.
Demokratie bedeutet auch Debatte, Streit, Auseinandersetzung. Demokratie bedeutet nicht, dass auch der Letzte zugestimmt hat. Vor lauter Minderheitsschutz darf man nicht vergessen, dass in der Demokratie die Mehrheit entscheidet. Und trotzdem gibt es Grenzen der demokratischen Auseinandersetzung.
sagte de Maizière und
Ich denke aber, dass im Rahmen jeder Diskussion eine verantwortungsbewusste Einschätzung darüber erforderlich ist, welche Position in einer Demokratie auszuhalten ist und welche sich im Bereich eines nicht mehr zu tolerierenden Extremismus bewegt – egal ob von links oder von rechts.
Dann kann oder muss ein Gespräch auch mal beendet werden. Diese Entscheidung ist sicher nicht leicht – gerade in einer auf Auseinandersetzung ausgerichteten Gesellschaft. Aber auch in einer Demokratie muss man nicht über alles diskutieren. Bei Hass und Gewalt hört die demokratische Debatte auf. Auch Demokratie hat eine Würde. Zu ihr gehört eine die Menschenwürde achtende Streitkultur.
Und das dürfen Demokraten nicht der Polizei überlassen!
Rebecca West schrieb übrigens im ganzen Satz (und das passt an dieser Stelle gut):
He is a dirty old man of the sort that gives trouble in parks, and a sane Germany would have sent him to an asylum long ago.
- ein normales/vernünftiges Deutschland hätte ihn schon längst ins Pflegeheim geschickt.
Davon ist man hier sehr weit entfernt und ich befürchte, dass sich das auch nicht mehr ändern wird, denn
Entweder das wird hier konkret, oder wir schließen die Diskussion.
und das ist ja nun wirklich