Hans_3 schrieb:
@Ulf: Neues Thema: PUs.
Unausweichliche Frage: Das Resonanzverhalten der CS ist ja schon mal über jeden Zweifel erhaben. Attack und Sustain überall reichlich vorhanden, wie es bei sehr hochwertig gebauten Gitarren sein muss. Aber wie "gut" (---< blöde Frage) sind eigentlich die Protomatic V ? Sie klingen auf eine bestimmte Resonanzfrequenz sehr stark zugespitzt. Tendenz: Betonung durchsetzungsfähiger Mitten. Das bringt einerseits eine gewisse Charakteristik und Durchsetzungskraft, andererseits: Neugier, wie sich die Git. mit einem Seymour Duncan 56 verhalten würde. Any suggestions?
Einen SD-56 habe ich weder in meiner Datenbank, noch bei SD gefunden. Bin ich blind oder meintest Du einen 59er?
Und jetzt kommen die unausweichlichen Kurven.
Die Übertragungscharakteristik eines Protomatic-V
Hier noch einmal die Übertragungscharakteristik der drei von mir gemessenen Protomatic-V:
Wie ist diese Kurve jetzt zu verstehen?
Dieses Bode-Diagramm wird häufig auch als "Frequenzgang" bezeichnet. Korrekterweise müsste es allerdings "Amplitudengang" oder "Amplitudenstatistik" heißen.
Hier wird dargestellt, wie "gut" oder "schlecht" einzelne Frequenzen von einem System übertragen werden. 0 dB bedeutet, daß die Frequenz ungeschwächt übertragen wird. Positive Werte bedeuten eine Verstärkung, negative Werte stehen für eine Dämpfung. Drei Dinge sind jetzt festzustellen:
- Frequenzen bis 700Hz werden so gut wie gar nicht beeinflußt. Eine Anhebung der Bässe erfolgt nicht!
- Frequenzen von 1kHz bis 3kHz werden verstärkt. Das Maximum liegt ungefähr bei 2,3kHz. Die Frequenzen in diesem Bereich werden betont. Der "Klang" der Saitenschwingung wird also in diesem Bereich eingefärbt.
- Oberhalb von 3kHz setzt eine Dämpfung ein. Man kann sagen, daß Frequenzen oberhalb dieser Frequenz nicht mehr übertragen werden.
Die exakte Lage der Resonanzfrequenz ist allerdings nicht so wichtig. Sie wird sehr stark durch das verwendete Kabel beeinflußt. 700pF entsprechen einer Länge von 6m bis 8m. Macht man das Kabel länger, sinkt die Resonanzfrequenz und die Spitze wandert weiter nach links. Ein kürzeres Kabel verschiebt die Kurve nach rechts.
Vergleich mit anderen Tonanehmern
Wie sind die Protomatic-V nun im Vergleich zu anderen Tonabnehmern einzuordnen?
Ich habe einmal verschiedene PUs von SD zusammen mit einem Protomatic-V simuliert. Das Ergebnis sieht man im nächsten Bild. Dabei ist der Protomatic sowohl als Humbucker als auch als Single-Coil dargestellt:
Allerdings sind diese Kurven mit Vorsicht zu geniessen, denn leider sind die Daten bei SD nicht immer vollständig, sodas ich teilweise gewisse Annahmen und statistische Näherungen zur Bestimmung der Daten anwenden muß. Ich habe diese Methode mit mir bekannten PUs validiert und kann das Ergebnis als brauchbar bezeichnen.
Die Protomatic sind in blau dargestellt, wobei die gestrichelte Linie dem Single-Coil-Betrieb entspricht.
Man erkennt nun mehrere Dinge:
- Der SH-6 in der Neck-Version entspricht ziemlich exakt dem Protomatic-V.
- Es gibt viele SD-PUs, die sehr ähnlich klingen müssen (hoppla!)
- Die Resonanzfrequenz der Protomatic-V liegen im mittleren Ende der SD-Frequenzen, aber oberhalb der PAF's (Siehe Guitar-Letter II).
Einen Protomatic-V als sehr "hellen" PAF zu beschreiben, ist daher gar nicht mal so verkehrt.
Ein Tonabnehmer beeinflußt nicht die Bässe!
Was man noch sehen kann, ist, daß keines der gezeigten PUs die Übertragung der tiefen Frequenzen beeinflußt! Diese oft verbreitete Feststellung ist daher schlicht und ergreifend falsch!
Das ganze ist letztendlich eine Frage der Relativität. Ein Tonabnehmer mit einer sehr ausgeprägten Resonanzspitze wird als "höhenlastig" empfunden. Betrachtet man diesen Frequenzbereich als Referenz, so sind die Bässe wesentlich leiser. Verringert sich nun die Höhe der Resonanz, so sinkt der "Abstand" zwischen Höhen und Bässen. Kompensiert man den entstehenden Verlust an Lautstärkeeindruck durch eine zusätzliche Verstärkung, so sind die Bässe im Verhältnis zu den Höhen lauter geworden. That's it!
Wer also einen Tonabnehmer mit "weniger" Bässen braucht, der muß nach einem Sensor mit ausgeprägterer Resonanz suchen, oder diese durch schaltungstechnische Maßnahmen (Potis mit größerem Widerstand, Impedanzwandler, State-Variable-Filter) erhöhen.
Was der Protomatic alles kann
Betrachten wir nun einmal die "klangliche" Breite der Protomatic-V. Im nächsten Bild wurden die drei Betriebsarten Humbucker Seriell, Humbucker Parallel und Single-Coil simuliert. Zusätzlich wurden die gleichen Modi mit zugedrehtem Tone gemacht. Hier das Ergebnis:
Man erkennt, daß im Parallelbetrieb durchaus eine Resonanzfrequenz bis 4,2kHz zu erreichen ist. Damit würde das Ergebnis schon fast als "akkustisch" bezeichnet werden können. Die Spitze der Resonanz ist mit über 11dB sehr hoch und der Klang wird eventuell schon als "spitz" empfunden werden.
Als Single-Coil kann man den Protomatic-V sehr gut mit einem typischen Strat-PU vergleichen (Fender Custom '54 strat pickup for bridge position). Lage und Ausprägung der Resonanz sind fast identisch. Das es trotzdem nicht wie Strat klingt, hat andere Ursachen.
Der "Klang" der Reihenschaltung wurde schon weiter oben beschrieben
Dreht man die Tonblende ganz zu, so ergeben sich neue Resonanzen, die speziell für die Reihenschaltung einfach als dumpf bezeichnet werden können. Benutzt man jedoch einen kleineren Kondensator für die Tonblende (3,3nF) zu ergibt sich für die Reihenschaltung dann eine Resonanz bei 1kHz, was IMHO viel brauchbarer ist!
Die Protomatik-V sind aufgrund ihres Anschlusses leider nicht in der Lage im Parallelbetrieb gefahren zu werden. Man muß sich dann die pinkfarbenden Kurven wegdenken.
Der gleiche Tonabnehmer wurde von Aria allerdings unter der Bezeichnung "Smooth Crash Humbucker" mit einem Vieraderanschluß versehen und in den Prototypes (PE-Serie) eingesetzt.
Andere Tonabnehmer für die CS-400
Macht es Sinn, ein anderes PU in der CS-400 einzusetzen?
Diese Frage läßt sich nur eindeutig mit ja beantworten, wenn man noch mehr "Höhen" haben möchte. Betrachtet man den SH-55, so liefert er mit 2,9kHz Resonanzfrequenz an dieser Stelle ein gutes Maß an mehr. Er klingt also deutlich brillanter, liegt aber immer noch unter dem Protomatic im Single-Coil-Modus.
Aufgrund der Konstruktion der CS-400 (Ahorn-Hals mit Esche-Korpus) kann man mit dem SH-55 der CS sicherlich noch einige "Höhen" mehr entlocken, vor allen Dingen dann, wenn er auch splitbar ist. Die alte Verhältnisse kann man mit Hilfe eines parallelen Kondensators leicht zusätzlich zur Verfügung stellen. Wie es geht, habe ich sehr genau im Guitar-Letter II beschrieben.
Ich persönlich sehe keinen Grund einen Protomatic-V zu ersetzen, da sie von Haus aus schon sehr flexibel sind.
Aufgrund des verwendeten Keramikmagneten wurde hier ein Tonabnehmer produziert, der ausreichend "Höhen" anbietet und trotzdem ausreichen Reserven hat, um einen Röhrenverstärker gut zu übersteuern. Eine solche Kombination ist mit AlNiCo viel schwerer zu erreichen.
BTW:
Hat jemand das Gefühl, die CS-400 auf Hans Aufnahme würde "harsch" klingen? Ich denke nicht. Diese Klangeigenschaft wird von Gitarristen mit "Scheuklappe" gerne Tonabnehmern mit Ceramics zugeschrieben, die deshalb AlNiCo als das alleinige Heilmittel propagieren. Das es auch anderes geht beweisen die Protimatic-V ganz deutlich!
Ulf