Zweistimmigkeit - Akkordfremde Töne

H
hugzuck
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
18.12.20
Registriert
08.12.20
Beiträge
4
Kekse
0
Hallo zusammen,

mich quält seit längerem die Frage, wie ich bei einer Akkordfolge eine zweistimmige Melodie mit akkordfremden Tönen richtig harmonisiere. Ich habe bereits öfters gelesen, dass akkordfremde Töne auf unbetonten Zählzeiten auch mit akkordfremden Tönen harmonisiert werden. Der Fehler wird quasi mitgemacht.
Aber gibt es hier nicht eine genaue Definition, wie diese Töne zu harmonisieren sind?

Als Beispiel habe ich die ersten 4 Take der "Südböhmischen Polka" gewählt.
Süböhmische Polka Notenbeispiel.PNG

Im ersten Takt würde ich hier mit der Tonika F-Dur harmonisieren. Der zweite Ton wäre dann ein akkordfremder Ton. Wäre dieser Ton dann mit C7 oder g-Moll zu harmonisieren? Oder würde man hier eher C-Dur mit zusätzlicher None und Undezime nehmen?
Wie würde dann eine dritte Stimme aussehen im ersten Takt? ( c - ? - f - c )

Ich hoffe ihr könnt meine Problematik verstehen.

Grüße
 
Eigenschaft
 
Die Frage ist, was verstehst Du unter "harmonisieren" ?

In Deinem Beispiel IST das ja schon durch das untere System harmonisiert.
Meinst Du davon abweichende Möglichkeiten, oder meinst Du INNERHALB dieser Vorgaben ?

Thomas
 
Habe ich vielleicht ein bisschen falsch formuliert. Ja das obere Beispiel ist schon harmonisiert. Ist ein Auszug aus der Partitur.

Meine Frage geht eher dahingehend, wie ich zu diesem Ergebnis komme.
Wenn ich zum Beispiel im oberen System nur die untere Stimme hätte und möchte hier eine zweite Stimme dazu schreiben. Dann wäre mir klar, weil der erste Takt in der Tonika ist, dass die Töne f -a -c (F-Dur Dreiklang) für die zweite Stimme zu verwenden sind.
Somit:

1. Ton: f --> Oberstimme: a
3. Ton: a --> Oberstimme: c
4. Ton: f --> Oberstimme: a

Aber beim zweiten Ton weiß ich nicht, wie die zweite Stimme aussehen müsste, da hier ein "g" notiert ist.
Welche Töne könnte ich für die zweite Stimme alles verwenden? Würde ein "c" hier auch gehen? Welche Regeln gibt es für die Bestimmung der Zweitstimme bei akkordfremden Tönen?
Bildet man über diese akkordfremden Ton einen separaten Durchgangsakkord?

Grüße
 
Hallo hugzuck,

Erst einmal: Willommen im Board!

Die zugrundeliegenden Harmonien/Akkorde der "Begleitung" würde ich so lassen, wie sie sind. Zu schnelle und häufige Akkordwechsel würden auch den Charakter völlig verändern und sind aus stilistischen Gründen eher unpassend.

Und Du hast ja schon geschrieben, davon gelesen zu haben, unbetonte und betonte Zählzeiten zu unterscheiden.
Genau das scheint mir hier wesentlich: Ein solcher Melodiedurchgang muss nicht nur aus Akkordtönen bestehen - das gilt ja sogar für den Bass am Ende, der problemlos die Tonleiter vom f bis zum c herunterlaufen kann, ohne das durchgängige F-Dur zu "stören".

Kurzzeitige "Disharmonien" sind kein Problem und oft sogar erwünscht, wenn sie nur wieder entsprechend aufgelöst werden.


Zweitstimme

In diesem Fall ist die Zweitstimme ja als Parallelstimme zur Melodie gedacht, deshalb sollte sie sich auch an der Melodie orientieren.
"Austerzen" ist ja schon mal ein guter Ansatz, Akkordfremde Durchgangstöne sind völlig OK, ich würde aber auch ein offenes Ohr für andere Intervalle haben. Sexten sind fast trivial (auch nur oktavverschobene Terzen sozusagen), vor allem aber Quarten und Quinten können sehr schön wirken, weil sie an typische Hornsignale erinnern.
Hier nicht gerade eine Paradestelle, aber im zweiten Takt würde ich z. B. nicht e' g', sondern bewusst die Quinte c' g' setzen, also so:

tenori.png


Das klingt schön horntypisch und durch die ansonsten ist andernorts ja durchaus die Terz e vorhanden, so dass sie niemand vermissen wird.
Ich würde auch glatt C schreiben, denn die Septime kommt ja nur ganz am Schluss auf die "Auftakt-Achtel".

Viele Grüße
Torsten
 
Bildet man über diese akkordfremden Ton einen separaten Durchgangsakkord?
Kann man machen, muss man aber nicht: Jede Harmonisierung ist von verschiedenen Faktoren abhängig, so auch von Tempo und Stilistik (siehe den vorangehenden Beitrag).
Es wäre aber sinnvoller, wenn du ein Beispiel bringst (4-8 Takte), das nur aus einer unbegleiteten Melodie besteht, damit einmal die grundlegenden Schritte und Begriffe geklärt werden können. Deine Vorlage läßt zu wenig Spielraum.
 
¨Akkordfremder Ton¨ gehört für mich zu dem am meisten missverständlichen Begriffen in der Musiktheorie (also in den Harmonielehren, in denen dieses Wort vorkommt, und das sind leider nicht so wenige).
Denn er ist zum einen ziemlich unsinnig - jeder Ton trägt zum Klang bei, auch die, die nicht als Bestandteil des gerade "gültigen" Akkordes sind, so "fremd" sie auch sein mögen. Zum anderen ist er stark Kontext-abhängig, in einer traditionellen diatonischen Umgebung mag ein H an einer Stelle mit einem C-Dur-Grundakkord "fremd" sein als große Septe, im Jazz z.B. ist die große Septe integraler Bestandteil des dort vornehmlich als "Grundakkord" verwendeten 7-Major-Akkords (bei C also die Töne C-E-G-H, wobei das H dort als B geschrieben wird), "fremd" sind dort eher die einfachen Dur-Akkorde aus nur drei Tönen (also nur C-E-G).
Fehlte nur noch, dass man sie als "Töne mit Migrationshintergrund" bezeichnen würde und dann noch irgend ein Musik-Rassist daher käme, der sie nicht mitklingen lassen möchte ... :bad:

Im Ernst, diese fraglichen Töne sollten besser als im jeweiligen Kontext nicht Akkord-eigene Töne bezeichnet werden, wenn man sie überhaupt in Bezug zur gerade klingenden Harmonie eigens bezeichnen möchte.
Tatsächlich sind in einem stilistisch-harmonischen Kontext wie dem im ersten Post alle diese Töne einfach nur "melodische Durchgangstöne", "Fehler" sind sie auf gar keinen Fall! Und die schon erwähnten Terzgänge sind ein äußerst beliebtes zusätzliches melodisches Element, und dazu ein so allgemeines, dass es ein regelrechtes Stereotyp ist. Dort bei jedem Durchgangston an eine eigene Harmonisierung zu denken ist äußerst abwegig.
In diesem Kontext - zumal in dem kurzen 2-4-tel-Takt - wird man meist einen oder sogar mehrere Takte einer Harmonie zuordnen, wie es in dem Beispiel auch geschieht. Gelegentlich kann es da auch mal vorkommen, einen halbtaktigen Harmoniewechsel vorzunehmen, aber wie gesagt, nur gelegentlich. Um die Durchgangstöne braucht man sich dabei generell nicht zu scheren.

Mit diesem Hintergrundwissen wird man eine zweite Stimme in einem Satz wie im Beispiel üblicherweise halt genau so notieren, wie sie dort notiert ist, wobei statt Terzen auch gerne mal Sexten genommen werden wie schon erwähnt wurde. Und wenn der Terz-/Sext-Ton mal nicht klingt, wenn z.B. die Harmonie wechselt wie in dem Beispiel von @Be-3, dann kommt halt ein anderes, besser passendes Intervall dran, wie in dem Beispiel die Quinte C-G.

In einem rein zweistimmigen Satz könnte man ebenso vorgehen wie beschrieben, das würde auf jeden Fall o.k. und ´korrekt´ klingen, aber vielleicht ein wenig langweilig. In einer reinen Zweistimmigkeit könnte man sich größere Freiheiten und eine größere Selbständigkeit der zweiten Stimme gönnen um es interessanter zu machen. Darauf hier näher einzugehen würde aber erheblich den Rahmen sprengen, das wäre zu komplex, und müsste auch besser an praktischen Beispielen gezeigt werden.
 
Danke schon mal für die hilfreichen Antworten.
Wie sieht es denn generell bei Durchgangstönen aus. Bewegt sich hier die Zweitstimme gleich wie die 1. Stimme? (in dem Fall mit Terzabstand)
Kann die Zweitstimme jeden beliebigen Ton verwenden?

Also wenn ich mir den Abschnitt anhöre, dann hört sich die Zweitstimme auch gut an. Aber ich vermisse hier ein bisschen die Regel.
 
Kann die Zweitstimme jeden beliebigen Ton verwenden?
Nichts ist verboten.
Es gibt althergebrachte Tonsatzregeln, es gibt im Jazz "Avoid Notes", die man besser meiden sollte.
Aber im Grunde zählt am Ende nur, ob es gut klingt oder nicht.

Dennoch lassen sich für Zweitstimmen gewisse Richtlinien aufstellen:
  • Die Zweitstimme sollte möglichst einen eigenen Sinnzusammenhang haben und nicht wahllos umherspringen.
    Das ist in der Praxis nicht immer machbar, habe ich gerade jetzt in Corona-Zeiten bei Mini-Konzerten auf dem Balkon erlebt: wenn man nur drei Stimmen hat, bei denen eine den Bass, eine die Melodie und die andere "etwas dazwischen" spielt, muss letztere Stimme manchmal Lückenbüßer sein.
  • Am Singen orientieren: möglichst nachvollziehbare Intervalle, größere Sprünge vermeiden oder dann möglichst Quinten oder Oktaven wählen.
  • Parallelbewegung zur Melodie als Ober- oder Unterstimme (da spielen auch Lautstärkeverhältnisse eine Rolle)
  • oder melodische und/oder rhythmisch eigenständige "Gegenmelodie".
  • Unisono kann auch mal passend sein
  • Bei schnellen Läufen Tonwiederholungen in einer Stimme vermeiden, wenn die andere Stimme weiterläuft (hängt aber auch vom speziellen Fall und den eingesetzten Instrumenten ab).
  • Bei Intervallen auch immer die Oktavlage beachten (zu kleine Intervalle von zu tiefen Tönen vermatschen).
Das alles aber ohne Anspruch auf Vollständigkeit, nur so aus dem Stegreif, was mir gerade eingefallen ist.

Am besten wäre es, sich viele Beispiele der betroffenen Musikrichtung anzuhören und/oder die Partituren anzuschauen, denn es geht vor allem, die jeweils stiltypischen Konventionen zu lernen.
Instrumentierung ist auch ein interessantes Thema.

Viele Grüße
Torsten
 
...Instrumentierung ist auch ein interessantes Thema...
nicht zu vergessen, der Tonumfang vom Instrument, und davon wieder welche Töne gut/angenehm zu spielen sind, bzw. gut klingen.
 
nicht zu vergessen, der Tonumfang vom Instrument, und davon wieder welche Töne gut/angenehm zu spielen sind, bzw. gut klingen.

Genau. Wenn man auch nicht immer alle Instrumente spielen kann, muss jeder Arrangeur genau deren Besonderheiten kennen, deren Klangeigenschaften in den verschiedenen Registern, ob sie dort warm, weich, voll, hohl, schrill usw. klingen, ob die Töne gut ansprechen und kontrollierbar sind (in welchem Dynamikbereich?) usw.

Zu Beginn praktisch jeden Buchs über Arrangement findet man eine Übersicht der Instrumente mit ihren charakteristischen Eigenschaften.


Ganz einfach: alles was gut klingt ist erlaubt !
Eben:
Aber im Grunde zählt am Ende nur, ob es gut klingt oder nicht.

Aber um "Regeln" lassen sich leichter brechen, wenn man sie kennt.
Und manche dieser Richtlinien haben auch ihren Sinn und sie gelten schon seit Jahrhunderten. Beispielsweise die Gegenbewegung von Melodie und Bass aus alten Zeiten wird immer noch gerne beachtet. Auch in Jazz-Arrangements.
 
Ich hab mal versucht aus dem Beispiel eine dritte Stimme zu erstellen.
Würdet ihr hier komplett anders verfahren?

E9D95222-A175-4F39-9CA0-923BDCA33545.jpeg


Die mittlere Stimme im oberen System war die Hauptmelodie.

Grüße
 
Würdet ihr hier komplett anders verfahren?

Sicher nicht KOMPETT anders ... aber es geht schon auch etwas anders:

Dein Vorschlag verläuft recht parallel, alles geht immer in die selbe Richtung hinauf oder hinunter.
Es kann mitunter flüssiger und harmonischer klingen, wenn auch mal ein Ton liegen bleibt ... das gibt
den (notwendigen) Sprüngen dann auch ein bestimmtes Gewicht.

Notenbeispiel.jpg

Thomas
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich hab mal versucht aus dem Beispiel eine dritte Stimme zu erstellen.

Würde ich nicht machen.

Es geht hier immerhin um eine typische Polka. Und stiltypisch ist es eben, dass zwei (!) (Tenor-)Hörner eine solche Melodielinie in Terzen (o. ä.) spielen - genau so, wie es ursprünglich dasteht.
Und Dein Bass erfüllt auch nicht die Erwartungshaltung - denn da hätte man einen simplen knackigen Wechselbass unter der zartschmelzenden Hornlinie erwartet.

Dann eben noch die Klarinetteneinwürfe/Wiederholungen/Zitate/Antworten eine Oktave höher (auch zweistimmig), der Rest spielt evtl. dezent Akkorde im Nachschlag.
Die Hörner bleiben jedenfalls immer zweistimmig, später können z. B. noch die Trompeten die Melodie doppeln usw.

Viele Grüße
Torsten
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Allerdings ist der Rat von Be-3 musikalisch begründet, das finde ich für @hugzuck hilfreicher als eine rein technische Ausführung.

Grundsätzlich ist ein vierstimmiger Satz in so traditioneller Musik schnell erstellt. Das benötige Wissen kann man sich sich bei Interesse ziemlich leicht selbstständig erarbeiten und das macht sogar Spaß!

Mein Tip für ein geeignetes Arbeitsbüchlein ist Lisl Hammaleser, es war nach Willy Schneider vor Jahrzehnten meine zweite Lektüre zur allgemeinen Musiklehre und mein Einstieg in die Harmonielehre:
Lisl Hammaleser, Übungsprogramm Musiklehre compact
https://www.alle-noten.de/Musiktheorie/Uebungsprogramm-Musiklehre-compact.html
Willy Schneider, Was man ueber Musik wissen muss
https://www.alle-noten.de/Musiktheorie/Was-man-ueber-Musik-wissen-muss-Standard.html
Alternativ zur allgemeinen Musiklehre von Willy Schneider ein Tip von Lobomix:
Christian Nowak, Elementare Musiklehre und Grundlagen der Harmonielehre
https://www.alle-noten.de/Musiktheo...ehre-und-Grundlagen-der-Harmonielehre-nr.html

Gruß Claus
 
Du vielleicht nicht. Es war aber die Frage des TE:

Schon. Aber @hugzuck fragte auch nach "Regeln".
Da Regeln immer kontextabhängig (hier: eine typische Blasmusik-Polka) lautet diese Regel aus meiner Sicht: "Zweistimmig, meist in Terzen oder Sexten."
Sogar meine eingangs erwähnten "Hornquinten und -quarten" würde ich da nicht einsetzen, wenn man das typische Klangbild erreichen will.

Also: Frage nach dritter Stimme und Regeln.
Antwort: Die Regeln sagen: lass die dritte Stimme weg, denn sie zerstört den typischen Klangeindruck, der dritte Füllton wäre zu viel.

Deshalb war meine Aussage als Antwort auf die Frage
Würdet ihr hier komplett anders verfahren?
gemeint:
Ja, ich würde hier komplett anders verfahren: nämlich die dritte Stimme weglassen.
Ist meiner Meinung nach eine legitime Antwort.

Viele Grüße
Torsten
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
... die Beispiele enthielten dumme Flüchtigkeitsfehler. Mache ich bei Gelegenheit mal neu ...

Daher hier gelöscht.
 
Zuletzt bearbeitet:
... und das geht so im Bass auf dem Akkordeon? :confused:

Gruß Claus
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben