Röhren wird es solange geben, wie es einen Markt dafür gibt. Schon aktuell ist der Markt sehr klein und es erstaunt, dass z.B. Reichelt, der alles andere als ein Spezial-Röhrenhändler ist, immerhin 255 Artikel unter Elektronenröhren listet [
https://www.reichelt.de/elektronenr-hren-c8788.html?&nbc=1].
Überschlägig betrachtet sehe ich als potentielle Käufer für Elektronenröhren neben den hier zur Debatte stehenden Röhrenamp-affinen Gitarristen noch Leute aus der HiFi-Ecke, wo bekanntlich mancher bereit ist, horrende Summen für´s Equipment hinzublättern, und schließlich Sammler und Reparateure historischer elektronischer Geräte wie z.B. alter Röhrenradios. (Spezialanwendungen wie Senderöhren oder mögliche Röhren-Nischen im militärischen Bereich wo sie wegen ihrer EMV-Unempfindlichkeit noch lange Zeit eine Rolle spielten lasse ich hier außen vor, zumal ich in den letzteren Bereich keinerlei Einblicke habe und dort nicht recherchieren kann.)
Für die Hersteller von Elektronenröhren sehe ich Vorteile, die auch auf lange Sicht eine Produktion rentabel machen - denn rentabel muss es sein, sonst produziert keiner etwas. Die Konstruktionsdetails der (gängigen) Röhren sind bekannt und ausentwickelt, Entwicklungskosten fallen schon mal nicht mehr an. Dann war der Anteil der Handarbeit schon in den Zeiten der Massenfertigung schon recht groß (hier interessantes historisches Filmmaterial von Mullard wo das gut zu sehen ist:
Mullard), was ich für eine Kleinserienproduktion eher zuträglich sehe. Denn mehr als Kleinserien sehe ich langfristig nicht am Horizont, denn der Markt wird sicherlich schrumpfen, da meiner Einschätzung nach die Nachfrage die bisherigen Nischen nicht mehr überschreiten wird, sondern diese eher noch kleiner werden.
Das wird auf lange Sicht die Preise steigen lassen, aber wer ein Fan seines Röhren-Amps ist, sei es Gitarrist oder HiFi-Freak, der wird gerne etwas anlegen für sein "Schätzchen".
Daher denke ich, dass sich auch bei Kleinserien die Produktion von (Standard-)Elektronenröhren noch lange lohnen wird.
Im Übrigen finde ich es erstaunlich, dass es für die Wartung und Reparatur von rund 80 Jahren alten Geräten immer noch die passenden Röhren zu kaufen gibt!
Bei digitalen Geräten sieht das bekanntlich gänzlich anders aus. Ich erinnere mich, dass die NASA seinerzeit um die Wartung der in die Jahre gekommenen Space-Shuttle fortführen zu können, weltweit bestimmte Intel-Prozessoren aus Lagerbeständen aufgekauft hat, die in den Shuttles verbaut waren, von Intel aber schon länger nicht mehr produziert wurden. Bei dem aufwändigen Herstellungsprozess von Chips aller Art ist eine Wiederaufnahme der Produktion ausgelaufener Chip-Linien einfach zu teuer, vor allem, wenn es nur um relativ kleine Stückzahlen geht.
Ich selber besitze eine über 40 Jahre alte elektronische Omegan-Kirchenorgel, die hat noch eine analoge Klangerzeugung und auf den Platinen wimmelt es von Chips. Die wären sogar fast alle noch erhältlich, eigentlich sogar alle, bis auf einen Chip, der aber für die Klangerzeugung zentral ist. Wenn der mal kaputt gehen sollte, wäre die ganze Orgel Schrott. Kein Hersteller der Welt käme auf die Idee, mir den fraglichen Chip nachzubauen, bzw. würde der eine Chip wahrscheinlich mehrere Größenordnungen mehr kosten als eine funkelnagelneue Digital-Kirchenorgel der gehobensten Kategorie.
Das sehe ich wie gesagt bei Elektronen-Röhren anders, da sie sich meiner Einschätzung nach auch in Kleinserien herstellen lassen. Wenn auch wahrscheinlich mit einem höheren Einsatz an teurer Handarbeit, aber immerhin.
Röhrenfreaks sollten daher meiner Meinung nach ganz entspannt in die Zukunft schauen können, auch langfristig.