Obwohl es damals in den 90ern auch schon diese "Single-Hörer" gab. Ich und meine Freunde haben vorwiegend Rock-, Metal- und sonstige Gitarrenmusik gehört. Für uns standen hauptsächlich die einzelnen Alben im Vordergrund. Eine Single hat man sich eigentlich nur geholt, wenn man scharf auf die B-Seiten war (nicht etwas irgendwelche unnötigen Liveaufnahmen, sondern "Previously Unreleased Tracks") oder wirklich nur an dem einen Song interessiert war.
Wenn ich bei Leuten aus meinem Umfeld zu Besuch war, die man wohl als "Mainstream-Hörer" bezeichnen würde, hat man in den Regalen hauptsächlich Maxi-CDs oder Sampler gefunden. Alben eines einzelnen Künstlers/Band/von der Straße gecasteter Person wurden nur dann gekauft, wenn man wirklich Fan war.
Im Prinzip hat sich das Hörverhalten dieser Personen nicht von denen unterschieden, die heute ellenlange Playlists erstellen und im Shuffle-Modus abspielen. Wenn möglich, sollen auch keine zwei Songs vom gleichen Act hintereinander gespielt werden, da das langweilig ist.
Seit Ende der 90er (Nerds haben damit wohl schon früher angefangen
) ist es möglich Musik aus dem Internet runterzuladen. Zuerst noch nicht so wirklich legal auf irgendwelchen dubiosen Seiten oder Tauschbörsen, später auch offiziell. Die Mp3-Technologie ermöglichte kleine Dateigrößen bei akzeptabler Qualität und Internetanschlüsse sind auch immer häufiger anzutreffen gewesen. Dazu kamen dann noch die Flatrates, die es einem ermöglichten die Verbindung pausenlos laufen zu lassen, ohne gleich Pleite zu sein.
Zu der Zeit standen einzelne Songs wirklich vermehrt im Fokus. Oft wurden nämlich nur einzelne Songs angeboten. Ein Album musste man sich erst zusammensuchen. Heute hat man iTunes oder Amazon und man bekommt ein ganzes Album per Knopfdruck. Der positive Nebeneffekt dieser Zeit war, dass man die verschiedensten Bands einfach mal antesten konnte, ohne gleich etwas zu kaufen. Bei uns konnte man die Alben nicht vorm Kauf anhören und Alben eher unbekannter Bands musste man teilweise importieren oder teuer in kleinen muffigen Plattenläden erstehen. Mit etwas Glück kannte man jemanden, der es hatte. So konnte ich meinen Geschmack auch erweitern und neue Bands kennenlernen oder endlich mal die Bands hören, von denen man vorher nur gelesen hat.
Heutzutage haben wir es sehr einfach. Wir können auf legalem Wege innerhalb kürzester Zeit die Musik hören, die wir wollen.
Für mich persönlich stehen Alben immer noch im Vordergrund. Wenn mir eine Band gefällt, möchte ich auch mehr Songs von ihnen hören. Auch meine Playlists beinhalten oft ganze Alben am Stück. Der typische Shuffle-Playlist-Hörer bin ich nicht.
Ich glaube auch nicht, dass Alben wirklich aus der Mode gekommen sind. Im großen Mainstreambereich vielleicht schon, aber im Rock- und Metalbereich sieht das meinen Erkenntnissen nach noch anders aus.
Es gibt Musik, die funktioniert für mich nur als Album, andererseits gibt es auch viele Songs, die für sich alleine stehen.
Ein Nachteil, den diese Ich-höre-alle-möglichen-Songs-bunt-durcheinander-gemischt-Mentalität mit sich bringt ist der Loudness War. Den würde es wahrscheinlich auch so geben, aber wenn man so viel querbeet hört, will man als ein Künstler von vielen auch besonders hervorstechen. Das Resultat sind Produktionen, die jegliche Dynamik vermissen lassen, aber hauptsächlich "laut" und "druckvoll" klingen (Bass, wir brauchen Bass...
). Wenn es zu digitalen Verzerrungen kommt (z.B. Death Magnetic von Metallica oder Californication von den Red Hot Chili Peppers), ist es dem Durchschnittshörer anscheinend auch egal.
"Gute" Radiosender erkennt man daran, dass sie November Rain komplett spielen
. Ich finde es schrecklich, wenn der Song nur auf den Balladenteil reduziert wird, dabei gehört der rockige Teil einfach zum Song.
Witzig fand ich damals auch, als NDR2 die St. Anger-Tour von Metallica promotet hat und "passend" dazu Mama Said gespielt hat.