In welchem Kontext geht es um Prozente, in welchem Kontext geht es um Erfolg und woran ist er zu messen?
Viele Kinder und Jugendliche finden einen Zugang zu einem Instrument, erproben sich, gehen ihrer Neigung nach. Für viele ist das eine tolle Erfahrung und wer jemals an einem Lagefeuer saß und ne Klampfe und ein paar Bongos waren dabei, kann nachvollziehen, dass es um was ganz anderes geht. Musik, Texte und Musikkultur haben viel mit Identität und Identitätssuche, mit Zugehörigkeit und Abgrenzung zu tun, viel damit, dass man seinen Gefühlen Raum läßt, viel damit, sich mit einer Mischung aus Spaß, Neugier und Ehrgeiz auf den Tanz mit einem Instrument und seinen eigenen Fähigkeiten einzulassen, viel damit, sich auszuprobieren.
Ob daraus folgt, dass man dem länger folgt, dass es einen festen Platz in seinem Leben einnimmt oder ob daraus ein Hobby oder ein Beruf wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Kinder und Jugendlichen den Weg zu einem Instrument zu ebnen, sie dabei zu unterstützen, herauszufinden, was es für sie sein und bedeuten kann, halte ich für wichtig. Und das bezieht sich nicht nur auf die Ebene des Handwerks, der Musiktheorie und den Notenlesens, sondern auch auf die Ebene der Motivation, auf die Unterstützung dabei, seinen eigenen Weg zu finden, seine eigenen Erfahrungen zu machen. Und sich im Bandkontext auf andere Musiker und Menschen, ihre Vorstellungen und Ziele einzulassen.
Aus dieser Sicht ist für mich schon ein Erfolg, wenn das gelingt. Ganz unabhängig davon, was ein reales oder fiktives Publikum davon hält.
Das Publikum hat seine eigenen Möglichkeiten, ein Feedback zu geben und das erfahren alle, die sich auf diese Erfahrung einlassen, die beileibe nicht nur aus reinem Vergnügen besteht. Wem eine zeitlang ein Instrument etwas gegeben hat, für den ist es eine positive Erfahrung und ein Erfolg. Auch die Erfahrung, sich von Träumen zu verabschieden, ist eine wichtige Erfahrung und kann aus meiner Sicht als Erfolg verbucht werden - wenn die Chance besteht, damit persönlich gut klar zu kommen und das für sich gut verbacken zu kriegen. Wer Musik als Hobby weiter verfolgt und damit eine gute Zeit hat - kein Erfolg?
Zur Wahl, das Hobby oder die Leidenschaft oder die eigenen Fähigkeiten zum Beruf zu machen, gehört auch eine realistische Sicht auf die Aussichten, in diesem Beruf bestehen zu können. Das ist in jedem Beruf so - ob als Arzt, Schornsteinfeger oder Musiker.
Bei diesen Entscheidungen und in diesem Kontext halte ich es für wichtig, den Jugendlichen zu ermöglichen, die Chancen und Risiken für sich gut einzuschätzen und planvoll an die Sache heranzugehen - wie in jedem anderen Beruf auch. Dazu gehört auch die Kenntnis darüber, dass es nur wenige zum Star schaffen, dass viele, die es als Beruf gewählt haben, sich darauf einstellen müssen, an sich und den eigenen Fähigkeiten ausdauernd zu arbeiten, viele Erfahrungen zu machen, flexibel zu sein, notfalls oder im Regelfall mit diversen Brotjobs zu agieren, kontaktfähig zu sein, sich nicht über den Tisch ziehen zu lassen und immer wieder Entscheidungen zu treffen, welchem Weg zu folgen ist - und sich vor allem bewußt zu machen, dass es nicht nur von den eigenen Fähigkeiten abhängt, ob der Durchbruch gelingt und dass man zwar das Seine dazu beitragen kann, die Bedingungen für eine Karriere zu schaffen, dass diese jedoch nur begrenzt (wenn überhaupt) planbar ist.
Und auch da wieder bestimmt jede/r für sich, was Erfolg ist. Ich habe etliche gute Musiker kennengelernt, die sich in wechselndem Maß durch Bands mit eigener Musik, Top-40-Bands, Projekte, als Studiomusiker, durch Nachhilfe und jobs wie Ausfahren für Apotheken über Wasser gehalten haben, mal mehr und mal weniger (kommerziellen) Erfolg gehabt haben - und die um nichts in der Welt mit jemand tauschen wollten (obschon sie sich durchaus bessere Verhältnisse vorstellen können und sie anstreben). Ich habe Musiker getroffen, für die von Anfang an klar war, dass es darum geht, ihr Ding zu machen und die bereit waren, ihren Preis dafür zu zahlen, aber dafür auf das verzichten wollen, auf das sie gerne verzichten: einen normalen Bürojob zu machen. Ich habe Musiker getroffen, die sich bewußt für Musik als Hobby entschieden haben - manche haben es bereut, manche nicht. Und ich habe Musiker getroffen, die ganz gut davon leben können. Ich habe auch Musiker getroffen, die es eine Weile ernsthaft und mit Leidenschaft versucht haben und dann, als eine eigene Familiengründung anstand, den sicheren Weg in einem anderen Beruf gewählt haben, weil das für sie wichtiger war - ebenfalls mit unterschiedlichem Fazit.
Und dann gibt es halt immer wieder welche, die es schaffen, nach ziemlich weit oben; die meisten für eine Weile, manche für ziemlich lange, wenige dauerhaft.
Natürlich haben viele Kinder und Jugendliche vor allem die letztgenannten vor Augen, wenn sie sich mit einem Instrument und Musik versuchen und Bilder ihrer Träume zulassen.
Es geht doch im Leben immer um Träume und Realität und wie man mit beidem gut für sich umgehen kann.
Und für mich geht es in Bezug auf Kinder, Jugendliche und eigentlich alle Menschen darum, sie darin zu unterstützen, beides anzuerkennen und diesen eigenen Weg für sich zu finden.
x-Riff