pharos schrieb:
Hi,
diese Frage richtet sich in erster Linie an die Leute, die einen richtiges Röhrentop a la Recto, Marshall oder von mir aus auch Bogner und Soldano ihr eigen nennen. Würdet ihr sagen dass (bis auf Lautstäreke) ein Modeller wie Pod, VAmp oder Korg Pandora das selbe kann, oder bietet der Modeller nur einen kleinen Ausschnitt vom echten Amp? Das Vorbild hat ja normalerweise mehrere Kanäle, Gain-Stufen, undterschiedliche Gleichrichter und sonstwas, während der Modeller sich - wenn üeberhaup - mit Gain, Bass, Treble, Mids und Presence begnügt. Ausserdem wird der Modeller vom Dreh am Vol-Poti ja wirklich nur lauter, während der echte dann irgendwann in die Endstufen-Sätigung kommt und seinen Character nochmals verändert.
In einem Satz: Verpasst man viel, wenn man keinen Vollröhrenamp spielt?
Hallo,
schwieriges Thema, aber ich versuch mal, meine Meinung zu schildern.
Ich spiele derzeit einen dreikanaligen Dual Rectifier und einen Rectoverb. Ausserdem habe ich noch einen POD II. Der POD ist für den Notfall da bzw. wenn ich in sehr kleinen Räumen spiele. Ansonsten läuft bei mir der Rectifier.
Davor habe ich live folgendes verwendet (nicht zum Angeben gedacht, nur als Indiz dafür, dass ich die Sounds der Originale und der Modelle in etwa nachvollziehen kann):
POD Pro an einer Marshall 20/20
JMP 1 an einer Marshall 20/20
Marshall TSL 100 und DSL 50
POD direkt in die PA + InEar
Der POD bzw. alle Modeller haben den Vorteil, dass sie i.d.R. relativ günstig sind, und man prinzipiell soundmäßig flexibel ist. Der Auf- und Abbau beschränkt sich auf wenige Minuten und der Mischer kann von einem relativ gleichbleibenden Signal ausgehen. Für die Bühnenlautstärke ist das Gerät auch dienlich, da, wenn man so wie wir mit InEar spielt, die Abnahme, die Lautstärke etc auf der Bühne entfallen. Als beide Gitarren mit POD unterwegs waren, war die einzige Lautstärkenquelle das Schlagzeug. Der Rest lief komplett über die PA. Kürzlich habe ich beim Soundcheck aus Spaß den POD laufen lassen und der Sound war sehr gut! UNd das sage ich , obwohl ich sonst ein "Original" spiele.
Man hat zwar viele verschiedene Modelle (!!!) zur Auswahl, ich habe aber festgestellt, dass ich nie mehr als max vier Sounds verwendet habe. Einmal Clean, einmal Crunch und einmal Vollgas. Ab und zu noch einen vierten, etwas Beatles-mäßiges. Es bringt nichts, tausend verschiedene Sounds am Abend zu verwenden, da irgendwann der Mischer durchdreht und man selbst ein sehr ausgefuchstes System braucht, um alle Programme zu finden. Hinzu kommt, dass das Publikum die UNterschiede i.d.R. nicht hört und es ihnen auch relativ egal ist.
Warum habe ich mich also von der augenscheinlich günstigen und praktischen Lösung verabschiedet?
Ich habe festgestellt, dass es extrem wichtig ist, dass der Mischer mit einem Modeller, der direkt in die PA geht, umgehen kann. Und zwar so, dass das Signal transparent bleibt und man die Gitarre als solche wahrnehmen kann. Und man muss so viel Vertrauen zum Mischer haben, dass der Sound nach vorne raus passt und man an den wichtigen Stellen zu hören ist. Dabei habe ich festgestellt, dass es Mischer gibt, die das können und Mischer, die das nicht können. Ich habe Bands gehört, deren Gitarristen mit POD direkt spielten und einen hervorragenden Sound hatten. Andere Bands hatten einen scheiß Sound.
Ich habe mehrmals die Erfahrung gemacht, dass die Gitarren bei uns nicht in dem Maß vertreten waren, wie ich es mir gewünscht hätte. Wenn nach dem Gig dann Leute kommen, die fragten, wo denn die Gitarren waren, dann stimmte da was nicht.
Mir ist mein Amp aus folgenden Gründen lieber:
ich habe direkten Einfluss auf meinen Sound, da ich höre, was rauskommt und die Lautstärke selbst beeinflussen kann. Dabei geht es mir nicht darum, alles nieder zu brüllen.
Das Spielgefühl unterscheidet sich mMn deutlich. Beim POD fällt es mir leicht, schnelle Soli zu spielen, da der Ton einfach kommt, egal was man macht. Bei meinem Amp bin ich gezwungen, sauber und deutlich zu spielen.
Dabei geht es auch nicht um Druck oder sowas. Das relativiert sich in eiem Biezelt mit einer Kapazität von 2000 oder 3000 sehr schnell.
Ich habe vor einiger Zeit bei einer CD mitgewirkt und die Gitarre mit einem TSL 601 aufgenommen. Das merkt kein Mensch, dass das "nur" ein kleiner Amp mit nur einem 12"-Speaker war.
Zu der Frage, ob der Modeller den Amp gut darstellt und ob man was verpasst, wenn man keinen Röhrenamp spielt:
Modeller kann man nicht verallgemeinern. Man kann, so wurde es ja bereits angemerkt, keinen V-Amp mit einem Zentera vergleichen.
Wenn ich die Rectifier-Simaulation mit dem Original vergleiche, stelle ich eine Ähnlichkeit fest. 100% Übereinstimmung gibt es definitv nicht! Es spielen einfach zu viele Faktoren eine Rolle. Die genauen Einstellungen, die verwendete Box, die Abnahme mit einem Mikro, der Raumklang etc.
Ob das gut oder schlecht ist, lasse ich dahingestellt, es kommt auf das Einsatzgebiet an und den persönlichen Geschmack. Manche wollen einen Modeller, um an das Original zu kommen, andere wollen, dass es so ähnlich klingt, anderen ist es egal, Hauptsache der Sound passt.
Ich verteufle Modeller auf keinen Fall, sie haben ihre Berechtigung! Sei es zum Üben oder für Gigs. Für falsch halte ich es, einen Modeller zu kaufen mit dem Hintergedanken, damit eine Vielzahl von "Amps" zu haben. Das kan nicht funktionieren.
Ich bin auch nicht der Meinung, dass ein Röhrenamp das Maß der Dinge ist. Mich regt es immer wieder tierisch auf, wenn hier jedem ständig ein (i.d.R.) sündhaft teurer Röhrenamp empfohlen wird. Es gibt auch gute Transistorverstärker oder Hybridamps. Ich habe z.B. mit einem Laney Linebacker 30 Watt angefangen (Transistor). Dann kam ein Hughes/ Kettner ATS 60, dann 900er Marshalls usw. Irgendwann hab ich mir für zu Hause einen Spider besorgt.
Für mich ist der Amp, den ich derzeit verwende einfach die Lösung, da ich drei Kanäle habe (vgl. meine Sounds beim POD) und er auf mein Spiel reagiert. Dabei ist die Marke absolut unwichtig. Eine bestimmte Marke zum Angeben zu verwenden ist schwachsinnig.
Langer Rede kurzer Sinn:
Ein Modeller bietet einen Ausschnitt. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle.
Man versäumt nichts, wenn man keinen Röhrenamps spielt, es gibt genügend andere gute Möglichkeiten, seine gitarre laut zu bekommen. Letztlich hängt das vom Geschmack, vom Einsatzgebiet und auch vom Geldbeutel ab.
Alle Formen der Verstärkung haben ihre Daseinsberechtigung. Es gibt keine guten oder schlechten Lösungen.
Matze