Heißt das für Dich, es genügt Dir nicht, eine momentane Stimmung zu beschreiben (und schon allein darin Trost zu finden, sie auszudrücken), sondern es braucht eine neue Idee, eine Möglichkeit der Veränderung, eine Wandlung, eine neue
Ja, so ähnlich meine ich das!
Ich schreibe schon lange keinen Text mehr, der sich nicht über meine feigen Momente, über meine Einsamkeit glaubwürdig hinweg setzt!
Meine Texte dürfen Beichten sein… für einen Gott, der nicht straft, sondern mich mahnt, mir mehr zuzutrauen, meine Skrupel in Alternativen zu verwandeln, meine Situationen im Einklang mit meinen Gefühlen zu zeigen, meine Chance, schreiben zu können und zu dürfen, auf dem gleichen Niveau zu nutzen wie das meine Vorbilder tun! Viele von denen geben ihr Bestes und zweifeln gerade deshalb an sich selber, viel intensiver als die, die im Schutz derer Schatten auf Zufälle lauern!
Werden Künstlern geboren, um letztlich bei anderen zu klauen? Oder werden sie erst Künstler, wenn sie endlich selber beklaut werden?
Ich war vor langer Zeit auf einem Leichenschmaus, wo 20 Gäste 3 Stunden lang über Geschäfte sprachen. Laut Pfarrer war aber gerade ein wahrer Enge begraben worden .
Ich beschloss damals im geschäftlichen Gemurmel der Hinterbliebenen, ein Lied über endgültig gefallene Engel wie mich zu schreiben. Dabei stellte ich mir die Frage, an wessen Grab ich am liebsten und längsten sitzen möchte! Als sich die Feier auflöste, war ich gerade so weit:
He, Fahrgast der
kalten
Tage
und langen
Nächte
Du wirst nicht einsam sein, ich bin bei dir
Gefallene Engel haben magischen Kräfte
Nur Schweigen schärft die Ohren glaube mir
Du würdest lachen könntest du sehen
was du längst hörst, was du längst weisst
Worte singen du schön wie die Krähen krähen
grade Wege gehn immer gerade im Kreis
Ich muss weinen wenn du lachst
und muss lachen wenn du weinst
und ich werde auf ewig dich erwarten
wenn die Sonne nie mehr scheint
He, Fahrgast der
kalten
Tage
und langen
Nächte ….
*Bleib oder leide, weine, werf Steine in den See * Demozeile, um Dynamikwechsel anzudeuten
Hier halte ich mal ein. kann mir noch immer vorstellen, dass mein Vorhaben irgendwann auf meiner Beerdigung landen wird. Allerdings weiß ich noch nicht, ob obige Strophe die erste, zweite, letzte oder noch gar keine Strophe ist. Und was meine ich nun mit der Form?
Ich hatte ein 5-hebige Form gewählt: xXx xXx Xxx Xx Xx
Damit kann man die Dynamik der Sprache ändern, wann immer man will. Was ich in der letzten Zeile mal vordergründig angedeutet habe. ich kann aber auch mit einem einzigen Satzgebilde mal tiefer bohren über 10 oder gar 15 Hebungen. Bewegungsfreiheit berücksichtige ich als erstes, wenn es um Leben und Tod geht. (Zu einem eher humorvollen Lied zwinge ich mich manchmal bereits mit Zeilen, die aus 3 oder gar nur 2 Hebern bestehen.)
Außerdem bietet Langzeilen für rhetorischen Stil-Figuren wunderbare Möglichkeiten, in ein oder zwei Zeilen tolle Punchlines zu entwickeln.
Da ich oben von Dynamik sprach. Ich wähle beim Schreiben gern ein Tempo von 60 b/m und die Silben sind oft gedachte 8tel-Triolen oder 16tel. Wenn ich mit dem Text etwa in der Hälfte bin, baue ich auch gern noch weitere melodische Abwechslungen ein.
Zum Beispiel:
He, Fahrgast der
kalten
Tage
und heißen
Nächte
Du musst nicht einsam sein, ich bin bei dir
Gefallene Engel haben magischen Kräfte
Ihr Schweigen schärft die Ohren glaube mir
Xx Xx Xx A
Xx Xx Xx B
Xx Xx Xx B
Xx Xx Xx A
Wobei die A und B das Reim-Schema meinen! Soweit für heute!
Das finde ich jetzt auch aus psychologischer Sicht spannend. Heißt das für Dich, es genügt Dir nicht, eine momentane Stimmung zu beschreiben (und schon allein darin Trost zu finden, sie auszudrücken), sondern es braucht eine neue Idee, eine Möglichkeit der Veränderung, eine Wandlung, eine neue Richtung?