Wie komponieren geniale Musiker ?

  • Ersteller Ex-The Maniac
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Ich habe immer den Eindruck, Musiktheorie wird von vielen als etwas Abstraktes wahrgenommen.

Wenn ich Musik mache, tauche ich in eine Klangwelt ein. Von jedem Akkord, jedem Ton gibt es viele Möglichkeiten, mich in dieser Klangwelt weiter zu bewegen. Aber nur, weil ich die Klangwelt kenne, kann ich mich entspannt und zielsicher darin bewegen. Ich bin nicht festgelegt auf eine bestimmte Richtung und ich muß auch nicht rumsuchen, wie es weitergehen könnte.

Die Theorie beschreibt genau diese Klangwelt. Wenn man einmal die Zusammenhänge, die die Theorie beschreibt, begriffen und sich wirklich klanglich verinnerlicht hat, ist sie auch nichts Abstraktes mehr. Man darf sie aber eben nicht nur intellektuell verstanden haben, denn dann bringt sie nichts.

In meiner Klangwelt ist natürlich noch viel Platz für Neues. Es gibt in der Musik noch viel zu entdecken.

Deswegen kann ich auch nicht verstehen, wieso viele unterscheiden zwischen "Musik nach Theorie" und "Musik mit Gefühl". "Musik mit Gefühl" verwendet die gleichen theoretischen Prinzipien.

Gruß
 
Deswegen kann ich auch nicht verstehen, wieso viele unterscheiden zwischen "Musik nach Theorie" und "Musik mit Gefühl". "Musik mit Gefühl" verwendet die gleichen theoretischen Prinzipien.

Und Musik nach Theorie kann durchaus Gefühlvoll sein... Das wollte ich eigentlich ausdrücken.

Da sich Klang so schlecht in Worte kleiden lässt, wage ich nochmal einen Vergleich. Die Musik ist wie eine Landschaft, die Musiktherie ist wie eine Karte und ein Kompass. Man kann mit diesen Hilfsmittel an sein Ziel kommen, jemand mit guter natürlicher Orientierung auch ohne. Dieser Jemand braucht wahrscheinlich viel länger. Im Gegenzug kommt er vielleicht auf seinen Umwegen zu Orten, die andere mit Navigationsbesteck wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen hätten.
Vielleicht ist der Wanderer, der hin und wieder die Karte zu Rate zieht und sonst seiner Nase folgt auf dem besten Weg.

Ich hab nichts gegen Karten, und als angehender Ingenieur auch überhaupt nicht gegen Systematiken. Allerdings schauen einige lieber auf die Karte und laufen geradeaus, ohne die schöne Landschaft rumherum zu beachten und auch mal einen Ort abseits vom Weg zu anzuschauen.
Das extreme Gegenteil wäre allerdings auch nichts für mich, komplett ohne Theorie zu komponieren wäre auch mir zu zeitaufwändig.
 
Ich finde deinen Landschaftsvergleich sehr passend.

Die niedergeschriebene Theorie entspricht einer Karte. Die Landschaft entspricht der Musik. Die Karte wird dir mit Sicherheit nicht sie Schönheit der Landschaft zeigen. Die Karte sollte jetzt aber auch nicht nur als Wegweiser durch die Landschaft dienen, sondern sie sollte beim Kennenlernen der Landschaft helfen. Wenn du die Landschaft kennst, benötigst du die Karte nicht mehr. Derjenige, der ohne Karte die Landschaft erforscht, wird länger brauchen, um zum selben Ergebnis zu kommen, sofern er auch durchhält.

Für mich wäre "Spielen nach Theorie" nur die Kennlernphase für einen neuen Klang. In dieser Phase wird der neue Klang erst einmal ausgelotet und in Beziehung zu schon bekannten Klängen gebracht. Erst wenn ich ihn in- und auswendig kenne, werde ich ihn auch intuitiv einsetzen können.

Das ist wohl auch das, was gemeint ist bei dem Spruch (sinngemäß): "Lerne die Theorie und dann vergiß sie!"

Gruß
 
ich muß mal kurz was loswerden, bevor ich weiterlese:

Einige von euch schreiben hier schon fast Romane aus dem Stegreif. Das kann man ohne weiteres als Improvisation bezeichnen. Natürlich könnt ihr das nicht einfach wortwörtlich wiederholen, schon garnicht aus dem Kopf. Aber wenn man euch immer wieder die gleichen Fragen stellen würde, hättet ihr früher oder später auch Standardantworten parat, die aber jedesmal neu Formuliert würden. Was bleibt, ist die Aussage, die sich nicht ändert.

Es ist ja nicht schwer, das auf Musik zu beziehen, ich lasse es einfach so stehen.

Fertig gelesen.

Ich hätte noch was zur Theorie zu sagen: Natürlich gibt es Leute, die intuitiv die richtigen Wege einschlagen und Musik erfinden, die sich genauso an die Theorie hält wie die von Komponisten, die die ganzen Regeln kennen. Ein paar Regeln werden häufig gebrochen, die Theorie ist ja nicht perfekt. Die Theorie ist halt keine Sammlung von Hirngespinsten sondern sie beschreibt klipp und klar, warum etwas für uns nach Musik klingt oder nicht. Durch die ständige Entwicklung hängt die Theorie natürlich etwas hinterher aber ich glaube in der Harmonielehre ist praktisch nichts aus der abendländischen Musik beschrieben, was Johann Sebastian Bach nicht schon ausprobiert hätte und die meiste Rock- und Popmusik kommt über etwas komplexere Liedformen nicht hinaus (wozu auch, ist ja ideal dafür).

Wer sich also entscheidet, zu komponieren (oder Songs mit der Band zu erarbeiten, zu improvisieren, weiß der Geier wie noch), der wird sich eine Menge Zeit und Frust ersparen, wenn er sich auch mal mit Musiktheorie beschäftigt. Das ist so effektiv, wie ein Satz Schraubenschlüssel anstelle einer Rohrzange - wenn es um das Festziehen von Muttern geht - eigentlich noch effektiver, denn beim Resultat sieht man bei diesem Beispiel als Unterschied nur die Schäden an den Muttern, die die Rohrzange verursacht hat. Es gibt natürlich auch Leute, die mit solchen rohen Methoden zufrieden sind.
 
Erstmal ist es nicht komponieren sondern Improvisieren, was hier gemeint ist...

:) sie spielen Versatzstücke, die sie irgendwann mal eingeübt haben und lassen es so aussehen, als sei es frei erfunden :)

das passt auch zu meinem Vorredner... für die flüssigen Verwendung unserer Sprache haben wir auch unendlich viele Muster und Versatzstücke eingeübt... und die kombiniert unser Gehirn zu immer neuen Endprodukten... toll so ein Rechner!
Mit Musik geht das auch...
 
Erstmal ist es nicht komponieren sondern Improvisieren, was hier gemeint ist...
:) sie spielen Versatzstücke, die sie irgendwann mal eingeübt haben und lassen es so aussehen, als sei es frei erfunden :)

Zwischen Komponieren und Improvisieren besteht ein viel kleinerer Unterschied als manche denken, ich sehe da überhaupt keinen.

Was du wohl meinst, ist der Satz, das Arrangement usw. - das braucht Zeit.

Gut, es gibt wirklich den seltenen Fall, wo Satz und Komposition gleich sind, aber meist ist das nicht so. Ein weites Feld mit vielen Streitpunkten, oft diskutiert..

Das mit den Versatzstücken... da liegst du falsch, wenn du das auf alle Musiker überträgst.
Du mußt mal unbedingt ein paar gute Musiker hören...

Selbst wenn der Versatzstücke aneinanderreiht, was ist daran minderwertig? Wenn du den klassischen Kirchensatz nimmst, sind die Satzmöglichkeiten doch genauso eingeschränkt, sie sind doch auch immer gleich, wo ist da ein Unterschied? Nur weil man 2 Minuten überlegen muß, was der Improvisateur in 2/100 Sekunden macht? OllaOlla, das Argument is ja wohl gar nicht...

Zudem, ich darf darauf hinweisen, daß unser Tonvorrat, und noch mehr unser Melodievorrat, begrenzt ist.

Sonst hätten wohl auch nicht alle unsere Tonabstände Namen, nicht?

Du kannst sicher sein, daß alle möglichen Akkorde und Melodien bereits gespielt wurden, zumindest die wesentlichen wichtigen Teile davon.

Zum Handwerkszeug einer guten Improvisation gehört auch das Zitat, nämlich das Zitat, das der Improvisation genau den (Gefühls-)Charakter verleiht, der notwendig ist.

Oder so:
Der eine übt Sequenzen, Licks und Wendungen, der andere das Spitzen des Bleistifts und die geordnete Aufstellung bestimmter Töne.

Wobei auch hier mein Leitsatz gilt:

GUT GEKLAUT IST BESSER ALS SCHLECHT KOMPONIERT!

Jaja!

Ich verstehe auch nicht, warum sich sogenannte Komponisten und Improvisateure so gegenseitig anpissen, das geht mir echt nicht runter, das passiert selbst im Spaß und oft genug wird aus Spaß Ernst, und der ist heute drei Jahre alt und schon sooooo alt....

Wo man doch auch immer vom Anderen lernen kann... ;)
 
Was du wohl meinst, ist der Satz, das Arrangement usw. - das braucht Zeit.

Gut, es gibt wirklich den seltenen Fall, wo Satz und Komposition gleich sind, aber meist ist das nicht so. Ein weites Feld mit vielen Streitpunkten, oft diskutiert..


GUT GEKLAUT IST BESSER ALS SCHLECHT KOMPONIERT!


Ich verstehe auch nicht, warum sich sogenannte Komponisten und Improvisateure so gegenseitig anpissen, das geht mir echt nicht runter, das passiert selbst im Spaß und oft genug wird aus Spaß Ernst, und der ist heute drei Jahre alt und schon sooooo alt....

1. ich weis ja nicht was du unter "satz" verstehst, aber ein 4 stimmiger satz lässt sich wunderbar nach allen regeln in 10min schreiben. und ne periode auch. nur , wenn manns wie beethoven macht, dass der vordersatz und nachsatz jeweils aus sätzen bestehen und die weiterführung in den einzelnen sätzen wieder aus sätzen bestehen:rolleyes: ... könnte "etwas" länger dauern..

2. das versteh ich jetzt nicht, wenn du ein satz schreibst, IST das eine komposition. wieso soll das nicht so oft sein? soll das etwa ein schokoriegel sein?

3.gut geklaut bleibt gut geklaut und schlecht komponiert bleibt schlecht komponiert. jedoch seine eigenen sachen im stück zu "klauen" bzw zu variieren, ohne dass es langweilig wird ist kunst.

4.ich hab noch nie ein improvisateur mit einem komponisten streiten gehört. außerdem, um imho GUT improvisieren zu können braucht man sehr sehr viel ahnung vom komponieren und deswegen in fast allen fällen auch ein komponist.
 
1. ich weis ja nicht was du unter "satz" verstehst, aber ein 4 stimmiger satz lässt sich wunderbar nach allen regeln in 10min schreiben. und ne periode auch. nur , wenn manns wie beethoven macht, dass der vordersatz und nachsatz jeweils aus sätzen bestehen und die weiterführung in den einzelnen sätzen wieder aus sätzen bestehen:rolleyes: ... könnte "etwas" länger dauern..

Satz - setzen...
Wenn du 10 Minuten für 8, 16 oder 32 Takte brauchst, wartet das Publikum sicher nicht gerne, bis du das vorspielen kannst... ;)

2. das versteh ich jetzt nicht, wenn du ein satz schreibst, IST das eine komposition. wieso soll das nicht so oft sein? soll das etwa ein schokoriegel sein?

Natürlich ist das eine Komposition, sonst würde man das ja Improvisation sagen, nicht...? Du drehst das falsch hin, was ich sage: Es kann sehr gut sein, daß man auch während einer Improvisation komponiert...

3.gut geklaut bleibt gut geklaut und schlecht komponiert bleibt schlecht komponiert. jedoch seine eigenen sachen im stück zu "klauen" bzw zu variieren, ohne dass es langweilig wird ist kunst.

Es ist immer Kunst, wenn man Tonmaterial richtig bearbeitet. Das ist nicht nur bei einer Komposition so, sondern gerade bei der Improvisation so.
Wenn man hört, wie schlecht manche "Musik" gemacht ist, wünsche ich mir, sie hätten es besser geklaut als so schlecht selbst "erfunden"...

4.ich hab noch nie ein improvisateur mit einem komponisten streiten gehört. außerdem, um imho GUT improvisieren zu können braucht man sehr sehr viel ahnung vom komponieren und deswegen in fast allen fällen auch ein komponist.

Doch, doch, sie streiten oft...Meinung über das "GUT improvisieren" können liegst du genau auf meiner Wellenlänge.
 
Zwischen Komponieren und Improvisieren besteht ein viel kleinerer Unterschied als manche denken, ich sehe da überhaupt keinen.

naja im besten Fall ist das eine Echtzeit-Komponieren und das andere Viel-Zeit-Komponieren :)
Ich stimme dir jedoch in großen Teilen zu!
Die Trennung hat in meinen Augen auch eine andere Funktion, sie grenzt zumindest das musikalische Handeln des einen vom anderen deutlich ab! :)
Außerdem muss man ja beim Improvisieren sehr schnelle entscheidungen treffen, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen, wenn sie klanglich exponiert worden sind. Beim Komponieren ist das anders - man hat mehr Zeit und kann verwerfen und neubauen, solange man lustig ist :)

Das mit den Versatzstücken... da liegst du falsch, wenn du das auf alle Musiker überträgst.
Du mußt mal unbedingt ein paar gute Musiker hören...
Selbst wenn der Versatzstücke aneinanderreiht, was ist daran minderwertig?

Höre sehr viel gute Musiker und wollte nur auf einen bestimmten Aspekt musikalischer Improvisation hinweisen. Nämlich den automatisierten Zugang. Ich sag ja nicht, dass das alles ist, aber es ist eine Tatsache, dass die zumeist sehr virtuosen, formal geschlossenen Teile einem von mir aus auch unbewussten Repertoire entspringen.

Dass das minderwertig sei, habe ich nun wirklich niemals behauptet. Ganz im Gegenteil. Das unterstellst du mir und ich bitte dich, das zurück zu nehmen. :)
Ich hab es ja mit der Sprache verglichen und daran ist nichts minderwertiges - lediglich effizient und größtenteils unbewusst ist es... das ist doch das faszinierende.
Und es passt zu dem was du sonst noch "an Phrasen abgelassen" hast :)

Ach und an der Stelle, wo du von musikalischen Zitaten sprichst, fiel mir auch auf, dass das musikalische Gedächntis so ählich ist, wie das sprachliche Phrasengedächtnis:
einer sagt was und ein anderer greift den Kern der Aussage zitathaft auf, um seine Thesen zu untermauern o.a.

Das ist dann wohl doch alles Improvisation.

Beim Komponieren gehts doch um ganz andere Dinge, als die Klangproduktion in Form und Farbe


Ich verstehe auch nicht, warum sich sogenannte Komponisten und Improvisateure so gegenseitig anpissen, das geht mir echt nicht runter, das passiert selbst im Spaß und oft genug wird aus Spaß Ernst, und der ist heute drei Jahre alt und schon sooooo alt....

Wo man doch auch immer vom Anderen lernen kann... ;)

Das ist mir völlig unbekannt, dass sich Komponisten und Improvisationskünstler der Art bekämpfen. Ich habe das bisher ganz anders - nämlich produktiv, konstruktiv und inspirierend - erlebt...
Das kommt wohl ganz auf die Erziehung an :)
 
ich kenn eigentlich auch nur die bassisten-gitarristen kämpfe xD
 
naja im besten Fall ist das eine Echtzeit-Komponieren und das andere Viel-Zeit-Komponieren :)
Ich stimme dir jedoch in großen Teilen zu!
Die Trennung hat in meinen Augen auch eine andere Funktion, sie grenzt zumindest das musikalische Handeln des einen vom anderen deutlich ab! :)
Außerdem muss man ja beim Improvisieren sehr schnelle entscheidungen treffen, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen, wenn sie klanglich exponiert worden sind. Beim Komponieren ist das anders - man hat mehr Zeit und kann verwerfen und neubauen, solange man lustig ist :)

Das ist das erste Mal, daß ich dieses Argument so höre. Und da muß ich dir voll und ganz recht geben.
Allerdings kenne ich aus der Praxis heraus die Tatsache, daß sich mit einem vermeintlich falschen Entschluß (setze ich hier mal gleich mit "Verspieler") oft wunderbare Ergebnisse erzielen lassen, auf die man ohne diesen "Zufall" sicher nicht gekommen wäre. Rückgängig machen lassen sich diese Entscheidungen nicht, aber durchaus korrigieren. So etwas kann sich sogar zum Kernpunkt einer Improvisation entwickeln...
Kennst du sicher selbst, so schätze ich dich mittlerweile zumindest ein...

Höre sehr viel gute Musiker und wollte nur auf einen bestimmten Aspekt musikalischer Improvisation hinweisen. Nämlich den automatisierten Zugang. Ich sag ja nicht, dass das alles ist, aber es ist eine Tatsache, dass die zumeist sehr virtuosen, formal geschlossenen Teile einem von mir aus auch unbewussten Repertoire entspringen.

Ja, bis oben beschriebenes Phänomen eintritt... ;)
In seltenen Momenten, wenn das Hirn mitmacht, entwickelt es auch freie Improvisationen - ohne Zusammenhang mit einem unbewussten Repertoire. Dann küßt einen die Muse...

Dass das minderwertig sei, habe ich nun wirklich niemals behauptet. Ganz im Gegenteil. Das unterstellst du mir und ich bitte dich, das zurück zu nehmen. :)
Ich hab es ja mit der Sprache verglichen und daran ist nichts minderwertiges - lediglich effizient und größtenteils unbewusst ist es... das ist doch das faszinierende.
Und es passt zu dem was du sonst noch "an Phrasen abgelassen" hast :)

Wenn so ist, nehme ich das gerne zurück, das muß ich dann mißverstanden haben.
"an Phrasen abgelassen" - Hehehehehehehehe....

Kompliment - du hast eine recht gute Beobachtungsgabe... :D

Ach und an der Stelle, wo du von musikalischen Zitaten sprichst, fiel mir auch auf, dass das musikalische Gedächntis so ählich ist, wie das sprachliche Phrasengedächtnis:
einer sagt was und ein anderer greift den Kern der Aussage zitathaft auf, um seine Thesen zu untermauern o.a.

So entwickeln sich Gespräche, nicht...?

Das ist dann wohl doch alles Improvisation.

Oder manchmal "Komposition"? :D
 
Wo wird denn heutzutage noch öffentlich improvisiert? Im jazzkeller, an der kirchenorgel. Viel häufiger wird konserviert, play-back gemacht und endlos auf tonträgern heruntergedudelt.
Wenn ich mich ans klavier setze, überlege ich, soll ich meinen gedanken und fingern freien lauf lassen, entscheide mich aber meistens, den niederschriften anderer und ihren ideen zu folgen, wobei mir noch viel spielraum für eigenes bleibt.
Das improvisierte theater stieß an grenzen und kam über stereotype themen und szenen nicht hinaus, es wurde erst bedeutend, als bedeutende stücke geschrieben wurden. Nicht jeder schauspieler ist ein dichter, nicht jeder musiker ein komponist.
Für das klavier wurde so viel schönes geschrieben, dass ein menschenleben nicht ausreicht, alles zu spielen, allein das gesamtwerk von Bach ist schier unerschöpflich. Die neuzeit weiß mit dem klavier wenig anzufangen, es fehlen ihm die farben, strukturell mögen heutige komponisten nicht denken und spielerisches vergnügen findet man kaum.
Auf der anderen seite stehen heute mittel zur verfügung vom sinuston zur opulenten, all-intervall- klangfläche.
Die große zeit der italienischen renaissance-malerei war kurz: bewundernswerte anfänge im frühling des quattrocento, die beherrschung der perspektive, die virtuosität, der höhepunkt im sommer und - - - - -der niedergang im herbst des manierismus des späten cinquecento, und dann wurde es winter.
Für den, der alles hat und alles kann, wird es schwierig.
 
Günter Sch.;2926329 schrieb:
Wo wird denn heutzutage noch öffentlich improvisiert? Im jazzkeller, an der kirchenorgel. Viel häufiger wird konserviert, play-back gemacht und endlos auf tonträgern heruntergedudelt.

Ja, aber das soll den Musiker nicht davon abhalten, sein Publikum zu ERZIEHEN. Das meine ich ernst. Wenn es so etwas nicht hören will - Tschüsssss.... Selbst schuld.
So ein Publikum verdient keinen Musiker (i.S.v. Künstler), sondern einen Chip im Kopf, der das Hirn den ganzen Tag bedröhnt...

Mein Lieblingsspruch: Wer alle erreichen will, muß auf Inhalte verzichten.
Ich für meinen Teil KANN nicht auf Inhalte verzichten...

Günter Sch.;2926329 schrieb:
Wenn ich mich ans klavier setze, überlege ich, soll ich meinen gedanken und fingern freien lauf lassen, entscheide mich aber meistens, den niederschriften anderer und ihren ideen zu folgen, wobei mir noch viel spielraum für eigenes bleibt.

Es ist genauso wichtig, daß es Leute gibt, die die Musik anderer INTERPRETIEREN können. Zweifellos kann eine gute Interpretation mit einer guten Improvisation verglichen werden, ich möchte da mal die Aufnahmen von Artur Schnabel verweisen.

Die Frage ist doch, für wen man spielt. Wenn man für sich selbst spielt, braucht man sich solche Gedanken nicht machen, sondern spielt das, wonach einem zumute ist.

Günter Sch.;2926329 schrieb:
Die neuzeit weiß mit dem klavier wenig anzufangen, es fehlen ihm die farben, strukturell mögen heutige komponisten nicht denken und spielerisches vergnügen findet man kaum.
Auf der anderen seite stehen heute mittel zur verfügung vom sinuston zur opulenten, all-intervall- klangfläche.

Zu viele Werkzeuge schränken das Denken ein: Man denke heute nur an den exzessiven Gebrauch von Rechnern, Navigationsgeräten, Handys (Nummernspeicher)...

Daß derlei Dinge nicht die Kreativität fördern, zeigt sich in diversen Stilrichtungen, ich nenne da mal exemplarisch Techno, bzw. Hiphop. Diese Musik zeichnet sich genau dadurch aus, daß durch ein kurzes, unverändertes Motiv ein ganzes Stück geschaffen wird. Der Geistesblitz wird durch den Loop-Faktor verlängert, das Licht ist jedoch schon aus und wird durch die Erinnerung verdrängt ("Der neue Song ist ja sooooo cooool" - mit viel Glück ist der ein 1625 in der100.000 Auflage).

Künstlerisch sind wir in den Massenmedien bereits am Boden angekommen - ich bin mir sicher, demnächst hören wir Meldungen wie: Grundwasser steigt täglich, Gefahr der Verseuchung durch Fäkalien gestiegen (Bushido?)...

Das ist jedoch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wenn man denn überhaupt noch von EINER Gesellschaft reden kann. Selbst das Staatswesen krepiert, ist es doch in Teilen dieser Republik nicht mehr in der Lage, die Sicherheit durch die Ordnungskräfte zu gewährleisten - das sind die Auflösungserscheinungen eines Staates und keiner merkt irgendwas.

Warum also sollte eine Gesellschaft, die nicht mal merkt, daß sie den Ast (über einer Schlucht...) absägt, auf dem sie selbst sitzt, überhaupt irgendeinen künstlerischen Anspruch stellen wollen? Kunst wird heute wie ein Brötchen serviert, und wenn´s nicht schmeckt, kommt´s in die Tonne.

Wenn die öffentlich-rechtlichen bereits einen Musical-Superstar küren, was soll man da noch sagen...

Dekadenz pur...
 
Ja, was dan mer denn da? (reminiszenz aus meiner mit wienern verbrachten zeit).
Das publikum erziehen ? Das schlechteste publikum sind die eigenen kollegen, die es eigentlich besser wissen müssten, aber immer alles besser wissen, "na da wollen wir mal sehen, ob der/die überhaupt klavierspielen/singen kann", und wo schon alles entschieden ist, wenn einer das vertrackte 1/16 in Chopins c-moll étude op.10 nicht kurz genug nimmt. Ich zitiere aus meinem erfahrungsschatz.
Ich habe immer bedauert, dass die "wohlmeinenden" nie zusammenfinden, um an den beklagten zuständen etwas zu ändern, im lauf der jahre habe ich eingesehen, den lauf der welt wenig beeinflussen zu können. Der "status quo" ist nun mal das maß aller dinge, dem wir ins auge sehen müssen, ob in natur, politik, gesellschaft, kunst.
 
Die besten Ideen entstehen allerdings spontan, würde ich behaupten.
Das liegt daran, dass wirklich gute musikalische Ideen, sprich: MELODIEN keinesfalls kompliziert sind.
Gerade im Grunde einfache, prägnante und doch zutiefst emotionale Melodien sind es, die wir z.B. bei Mozart so lieben.

Dennoch, ich denk nicht dass das unbedingt heissen muss dass die besten Ideen spontan entstehen.... ist doch wie bei der Dichtung, man nehme z.B. Goethe und Schiller, Goethe kam alles grad "fertig" in den Sinn, Schiller musste ewig dran arbeiten... Dennoch beides geniale Dichter. Ich glaube in der Musik ist das ähnlich,liegt halt in der wesensart des Musikers, ob er die wirklich guten Sachen einfach spontan aufschreiben kann oder er aus nem simplen anfang mit viel zeit und arbeit ein geniales stück komponiert
 
Goethe kam alles grad "fertig" in den Sinn

Was "fertig" schien, war meist lange vorbedacht und vor-formuliert . In ihm arbeitete es ständig, und er hatte die gute gabe, seine einfälle zu bewahren und zur gegebenen zeit abzurufen.
Goethe schob vieles vor sich hin, "es würde immer besser" meinte er, aber für die "Wanderjahre" war es dann zu spät, da musste eine notlösung ran, "Faust II" wurde so gerade eben noch fertig.

Mozart hatte ein phänomenales gedächtnis und arbeitete seine werke im kopf aus, bevor er sie niederschrieb. Ihm fielen komplexe musikalische strukturen ein, nicht simple melodien, nachträglich harmonisiert und mit begleitung versehen, allerdings war das orchester und damit eine partitur zu seiner zeit noch überschaubar (streicher, doppelte bläser). Aber auch in volkstümlichen werken ("Kleine nachtmusik") spart er nicht an satztechnischen kunststücken.
 
Sind wir jetzt wieder beim Komponieren oder doch noch beim Improvisieren?
Man sieht ja den Wald vor Bäumen nicht.
Erst nehmen wir hier eine sorgfältig bedachte Trennung der beiden Begriffe vor und schon werden aus Mozarts Kopfgeburten niedergeschreibene Improvisations-Kompositionen. Hin - her - hin - her hi-hin he-her... ist ja wie Steve Reichs Musik :)
Da PVaults mich so gut zu kennen scheint, muss ich doch etwas loswerden:

JA - Ich bin aus Magdeburg.
JA - die Stadt hat gemeinhin einen schlechten Ruf.
ABER - in der Industriebrache hat sich eine farbenprächtige Idylle am Strande der Elbe metropolisiert und JA - hier wird improvisiert.
Ich selbst - unbedeutender Musik-Wicht - gestalte regelmäßig übervoll gefüllte Konzerte mit improvisierter Musik.
Und Ja - es sind die Stellen, an denen uns als Musiker die Muse küsst, die die Improvisation erst so richtig zum Leben erwecken und uns und die Zuhörer und Zuschauer elektrisieren - so angenehm schräg es auch gelegentlich sein mag.
Und - JA - ich mache auch keinen Hehl daraus - in dem, was ich da tue, bin ich ganz und gar Musikpädagoge. Ich kümmere mich nicht darum, ob das, was ich mache, etwas vollkommen neues, unerhörtes ist. Mir gehts immer um den musikalischen Gedanken, der sich in die zeitliche Hülle ergießt und das Hören der Menschen "regeneriert" - na im besten Falle erzieht !!! :)
JA - was kümmerts mich, ob jetzt die eine Stelle so ein bisschen wie Shostakovich oder Messiaen, Bartock oder Ligeti klingt und beim nächsten FORDISSIMOOO in reinste zuckersüße Jazzballaden mündet? Mir doch egal! Es ist Improvisation und nicht Komposition.
Wer improvisiert hat gar keine Zeit die Vergangenheit auf Podeste zu heben und die Gegenwart zu verteufeln. Wer improvisiert hat gar nicht die Zeit musikalische Vorbilder durch Einverleibung zu überwinden. Wer improvisiert kann einfach nur machen und sichs und anderen gut gehen lassen.
Toll!
Welche Befreiung des Geistes!
Welch emotionales Feuerwerk!
Welche Verantwortung!
Welche Anspannung und gleichzeitig: welche Gelöstheit.
Es gibt nicht schöneres als die gerade aufleuchtende musikalische Idee dem Publikum vor den Latz zu knallen: "Da nimms doch...!" :)
Toll!
Welche Freude!
Zucker ist das!

ach dabei fällt mir ein: Ich hasse Musik. Ihr auch? :)


Gleichzeitig muss man auch eingestehen, dass eine gute Improvisation auch ordentlich vorbereitet gehört.
Es ist doch sehr viel zu bedenken und man muss meist auch geradezu philosophisch an die Arbeit gehen.
JA - zu gern würde ich euch einige Mittschnitte meiner Impros vorspielen, aber erstens kann man euch "Aaßgeiern" nichts unbekümmert und ungestraft vorsetzen und zweitens hab ich zu wenig Konserven von meinen Musiken.
So ist das mit der Improvisation. Ist sie weg, ist sie weg, ist sie weg. :)
das musikalische Gedächtnis und das Können reichen indes nicht aus, um es nochmal so hinzukriegen :)
 
Wer improvisiert hat gar keine Zeit die Vergangenheit auf Podeste zu heben und die Gegenwart zu verteufeln.

Was hat der Improvisateur und der Polizist gemeinsam???

Na, beide müssen spontan entscheiden und handeln, worüber dann andere jahrelang urteilen können...

Fugato, du sagst es genau so, wie es ist, du sprichst mir aus dem Herzen.
Es ist nicht notwendig, Neues zu erfinden. Es ist aber notwendig, genau das dann zu spielen, wenn es gebraucht wird, und das ist eine ganz, ganz hohe Kunst...

Alle Harmonielehre ist gut zum Lernen, jedoch ein Klotz beim Improvisieren.
Alle Theorie ist eben notwendige Theorie, aber längst keine Praxis.

Mach dir keine Gedanken, ich brauche nichts weiter, um dir zu glauben, daß du gut spielen kannst - das merkt man an diversen Bemerkungen, die man nur dann so losläßt, wenn man was kann...

Übrigens mußte ich lachen, als ich deine Bemerkungen zu Mozart gelesen habe - hehehe...
 
@PVaults

Schön, dass wir uns so gut verstehen. :)

Schade nur, dass die eigentliche Frage noch so offen scheint.
Wie gehen denn die guten vor?
Lange eingeübt und dann zur richtigen Zeit abgeschossen?
oder
gut vorbereitete Kopfgeburten des Moments?
oder
Eingebung - musikalische Erleuchtung?
oder
doch Komposition?
 
@PVaults
Wie gehen denn die guten vor?
Lange eingeübt und dann zur richtigen Zeit abgeschossen?

Es gibt ein gewisses Maß an Figuren, die ein Improvisationsmusiker einüben muß.
Je mehr Figuren der improvisierende Musiker beherrscht, desto abwechslungsreicher sein Spiel - logisch.

Da das statische Abfeuern von Figuren/Licks nicht sonderlich geistreich und schon gar nicht besonders unterhaltsam ist, versteht es der gute Musiker, diese Figuren den musikalischen Gegebenheiten anzupassen, also Harmonik, Melodik, Rhythmik und Stilistik zu berücksichtigen. Um diese Stufe der Improvisationskunst zu errreichen, braucht es bereits etliche Jahre fleißigen Übens.

Wenn er richtig gut ist, versteht er nicht nur es, diese Figuren an die Gegebenheiten anzupassen. Er fängt an, diese vollständig in sein Spiel einzubauen und Teile verschiedener Figuren in Echtzeit miteinander zu verbinden.
So entstehen aus einem relativ kleinen Grundpool Tausende an Möglichkeiten der Variation, die das zentrale Thema bei der musikalische Bearbeitung ist.

oder gut vorbereitete Kopfgeburten des Moments?
Wie gesagt, das sehe ich als weitere Stufe der einfachen Phrasendrescherei an...

oder Eingebung - musikalische Erleuchtung?
Selten küßt den Musiker die Muse, würde er sich doch den ganzen Tag von ihr gerne Verwöhnen lassen. Weil´s oft nicht so ist, gibt´s Sex, Drugs, Rock´n´Roll...

oder doch Komposition?
Da müßte man schon wieder unterscheiden zwischen Komponisten und Tonsetzern, nich...? :D

Von daher sage ich, der improvisierende Musiker komponiert(lat. componere - zusammensetzen, wenn ich mich noch recht entsinne...), aber setzt nicht oder nur selten, und das kaum fehlerfrei, es sei denn, er ist sauuuugut. Solche Leute soll´s tatsächlich geben...
 

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