Um auf die Frage zurückzukommen -
8h am Tag üben? Ich kenne diesen stetigen "Gewissenskampf", bei dem
man sich ständig fragt, warum man selber nicht den Elan hat, sowas
durchzuziehen. Gegenfrage - muss man Lust haben, 8h zu üben?
Ich habe die Antwort für mich gefunden: Nein!
Meine Begründung: Musik ist so viel mehr und setzt sich aus sooo vielen Faktoren
zusammen, wenn man sie als Kunst betrachtet. INSPIRATION ist das Schlüsselwort.
Wenn einen diese Inspiration dazu treibt, etwas unbedingt beherrschen zu wollen,
dann zieht man sowas vielleicht durch, alles andere ist Zwang und hat mit Kunst oder
Musik wenig zu tun.
Ich hatte mal eine Ausbildung zum Profi begonnen, konnte diese aber aus finanziellen
Gründen nicht zu Ende bringen, was seinerzeit schlimm für mich war, obwohl ich
mich dieser reinen Übungs-, Kopier- und Anpassungswelt, als die ich die Schule sah
nie so richtig zugehörig fühlte.
Heute ist mir am allerwichtigsten, dass ich mir meine Inspiration immer bewahren konnte .
Ich kann nicht von meiner Musik leben, aber es ist MEINE Musik, die ich mache.
Ich hatte das Glück, einen guten Job zu finden, so dass ich mir meine Leidenschaft gut leisten
kann, ironischerweise besser als mancher Profi, der nicht meine musikalischen Freiheiten hat
und sich eben mit sog. "Musiknuttenjobs" über Wasser halten muss.
DAFÜR "8h" am Tag üben - nein Danke!
Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute die Musik als Kunst sehen und dass die Musik
ihnen hilft, zu sich selber zu finden. Das ist das, was ich in der Musik suche - Leute, die
etwas zu sagen haben. Wenn man das Spielen eher meditativ als sportlich betreibt,
erreicht man eine viel bessere Artikulation in Form von Ausdruck und wird auch eher gehört.
Wer unglaubliche Sachen mit unglaublicher Geschwindigkeit spielen kann, wird vielleicht betrachtet
und bestaunt, aber - wird er auch gehört, bzw. erhört?
Wie schafft es z.B. ein BB King, einen mit wenigen Tönen fast zu Tränen zu rühren?
Inspiration, inspiration, die man spürt und die sich überträgt. So jemand ist jemand,
der die "Essenz" in sich trägt, der es kapiert hat. Dahin hat sich mein Streben verlagert
und das ist wirklich ein Weg, den man mit 8h Üben am Tag nicht meistern kann.
Petrucci, Vai, Satriani, Gilbert, Malmsteen (früher) sind auch nicht die reine "Freakshow".
Die haben sich wohl definitiv die Finger blutig geübt, ABER - diese Gitarristen haben
auch was geschaffen. Sie sind auch gute Komponisten, die sich, bis auf Ausnahmen,
stets weiterentwickelt haben und sich nie nur über ihr Gitarrenspiel definiert haben.
Das mit den häufig angesprochenen Youtube-Kiddies sehe ich nicht so kritisch.
Das was wir früher stolz beim Kaffeekränzchen dem Onkel oder der Tante
vorgespielt haben, können die halt heute einem weltweiten Personenkreis zugänglich
machen. Man kann auch da von ausgehen, das viele der Lobenden von der
Materie an sich wenig Ahnung haben.
Wer von denen gut ist, wird auch seinen Weg machen, wer nicht, wird in der
Anonymität der Masse bleiben. Dafür 8h am Tag üben...Nö!
Und - nicht Aufregen, ist ja nicht unsere Serverkapazizät...
Mein Fazit - So viel üben, dass man keinen Zwang fühlt und dahingehend üben, dass
man sich "Ausdrücken" kann. Das ganze dann ab und zu in einer Session festigen, bzw.
alleine oder mit einer Band in Songs verarbeiten. Den Rest des Tages einfach Leben
und Erfahrungen sammeln...