Dabei war und ist Musik immer meine größte Leidenschaft gewesen. Doch scheint es mir gerade unmöglich, das mit meinem restlichen Leben in Einklang zu bringen. Hätte ich lieber Musik studieren sollen, hätte ich Profimusiker werden sollen?
Ich studiere Elektrotechnik, und abgesehen von Gitarrenverstärkern ist das Studium, so sehr es mich interessiert, doch sehr fern meiner Leidenschaft.
Kennst Du diesen Witz?: Kind: "Mama, wenn ich erwachsen bin, möchte ich Musiker werden!" "Mama: "Du musst Dich schon entscheiden!"
OK, Scherz beiseite, ich denke, es ist verwandt aber irgendwie andersrum: Erwachsen werden heißt, dafür zu sorgen, dass es einem gut geht. Und praktisch gesehen heißt das: Dafür zu sorgen, dass man das hat, was man braucht und das tut, was gut tut. Vor allem letzteres! Für viele heißt Erwachsen werden allerdings, das zu haben, was man halt hat und das zu tun, was man halt tut - weil sog. Erwachsene das so machen. Daraus resultiert meiner Meinung nach die Aussage vieler, sie möchten gar nicht erwachsen werden. (So viel dazu, weil das Thema beim OP vorkam.)
Es sagt nun ja keiner, dass man das arbeiten muss, was man studiert hat. Was nicht heißt, dass man unbedingt Musiker sein muss, als Alternative. Ich für meinen Teil bin irgendwann in einem seltsamen Brotjob gelandet, den ich soeben auf 40% reduziert habe. Es gibt noch andere persönliche Gründe dafür, aber letztendlich mache ich mehr Musik denn je – nun mit Ende 30 also mehr als mit Mitte 20, als ich noch Student war.
Das ist nicht die Lösung für alle Probleme, aber es ist
eine Möglichkeit. Man muss dann damit leben, weniger Geld zu haben. (Außer man spielt in dieser Top40/Faschings/Schlager-Band, jaja OK). Aber es ist eben legitim, das so machen zu wollen. Ich lebe in einer schönen WG mit netten Leuten, habe einen alten Fiat, ... also weder eigenes Haus noch Fahrzeug mit Stern... aber an den guten Tagen bin ich in meinem eigenen Musikzimmer/Tonstudio und (er)schaffe. Oder auf Bühnen.
Das andere ist, und das kenne ich selbst mit Teilzeitjob: Entspannung, sich in die Musik fallen lassen können, Zeit zum Üben und Relaxen finden... eine Herausforderung! Ich spiele in einem Projekt (unter anderem), wo wir nur freie Impro machen, oder fast nur. Das Mysterium ist, dass man dabei um so mehr bekommt, je weniger man möchte. Schnelle Läufe und alles was man so "können muss" sind nicht notwendig. Ich finde das befreiend. Und zugleich ist es eine große Herausforderung nach einem anstrengenden Tag im Büro, am eigenen Schreibtisch, im Auto, usw. – in dem Punkt bin ich selbst auf der Suche.
Abschließend möchte ich einen Rat geben, auch wenn ich mir mit Ratschägen für andere Leute schwer tu: Denk über Deinen Alltag nach. Wie soll er aussehen? Zu welchem Beruf passt das? Zu welchem Anteil musikalischer Tätigkeit? Was macht man da so jeden Tag im Büro, in der Werkstatt, im Außendienst, oder wo auch immer? Als ich Mitte 20 war, hab ich darüber nicht nachgedacht… und mehrmals daneben gegriffen in der Berufswahl. Aber das Leben besteht nunmal ganz viel aus Alltag. Wenn viel Musik im Alltag glücklich macht, dann kann es eine gute Idee sein, ihr den Platz einzuräumen.
Man kann natürlich auch schwäbischer Pietist sein und sich am Leiden durch Arbeiten aufgeilen. Aber wir haben ja zum Glück Religionsfreiheit.