Nun ich kann dir mal meine Erfahrungen schildern.
Ich stand ähnlich wie du am selben Punkt. Ich spiele Gitarre seit ich 9 Jahre alt bin. Heuer werde ich 30. Mein "Traum" war es immer, Musik zu studieren, irgendwas mit musik zu machen. Musikpädagogik oder what ever. Ich wollte Musik als totalen Lebensinhalt. Wenn man dann mit 13, 14 oder von mir aus auch 15 noch genügend Zeit hat, da es außer Schule, essen und atmen eigentlich auch nicht so viel anderes gibt, ist die Vorstellung auch toll.
Irgendwann wird man dann halt älter und - das liegt in der Natur der Dinge - die persönlichen Interessen und auch die Verpflichtungen ändern sich.
In der Zeit, in der ich mich für's "Vor"Studium vorbereiten wollte habe ich mal locker flockig 5 Stunden jeden Tag gespielt bzw mich mit Musik befasst. Das ging nur nicht lange gut, nach dem ich feststellen musste, dieses Vorhaben mangels Masse sausen zu lassen. Tja, was machste dann? Gymnasium bzw. Studium wäre rein "vom Hirn" locker drin gewesen, es gab nur wohl kaum eine faulere Sau als mich und insofern hab ich's mir halt selber verbaut. So hat man dann eben "nur" seinen mittleren Bildungsabschluss und hoffte auf eine halbwegs annehmbare Ausbildung.
Das Leben geht ja weiter also macht man sein Ding um irgendwann mal selbstständig sein zu können.
Zwischenzeitlich wurde es sehr, sehr ruhig um mich und die Musik. Ich nahm die Gitarre zwar jeden Tag in die Hand. Aber meist reichte die Motivation für 2 Songs. Diese auch nur halbherzig und unsauber daher gefummelt und dementsprechend noch demotivierter gewesen.
Andere Hobbys/Sachen waren dann irgendwie "wichtiger" oder haben einen angenehm abgelenkt, ich weiß es auch nicht. Ich war schon immer ein sehr sprunghafter und impulsiver Mensch. Musik zieht sich zwar wie ein roter Faden aber der Faden riss halt mal zwischendrinn ab.
Vor 2 Jahren dann war ich finanziell endlich so "unabhängig" sagen zu können ich kauf mir mal eben eine teure Gitarre. PRS brachte zu diesem Zeitpunkt eine Neuauflage der Classic Electric raus. Seit ich vor 10 Jahren beim Meindl Musik Festival PRS angespielt habe, mit Paul Smith persönlichen reden durfte, Andy Timmons zusehen konnte und mit Steve Vai gejammt habe, hat sich dieses Instrument in mein Gehirn gebrannt. Keine "Nur" SE - nein, eine "richtige" PRS.
Du kannst dir vorstellen, dass ich voller Tatendrang war.
Weißt du was dann passiert ist? Ich habe - glaube ich - circa 2 Wochen gespielt, circa 1 Stunde am Tag und danach 1 Jahr absolut garnicht. Wirklich null. Ich kann dir sorgar nicht mal sagen warum. Ich kann dir aber sagen, was daraus entstanden ist.
Ich hatte eine "kreative Schaffenspause". Ich habe oder konnte mich einfach mal von allem distanzieren. Dem Druck, so und so gut sein zu wollen. Dem andauernden Vergleichen nicht so gut zu sein wie XYZ usw usw.
Jetzt, seit 3 Monaten bin ich wieder in der Materie drin. Versuche mir aktuell, ganz viele Fingerübungen usw zu suchen um technisch wieder auf den Stand von vor 10 Jahren zu kommen. Allerdings habe ich jetzt ein viel größeres Interesse an Harmonielehre. Der ganzen Theorie die dahinter steckt. Ich versuche, mein Instrument und die Musik wieder wie früher zu nutzen, um ein Ventil für mein inneres Ich, meine Gefühle und meine Sorgen zu haben. Da taste ich mich gerade langsam wieder dran. Auch habe ich gemerkt, dass es extrem wichtig ist, mit anderen zusammen Musik zu machen - immer nur allein im Kämmerchen mit sich selber ist auf Dauer auch nicht das Wahre.
Alle hier haben oder hatten mal so eine Phase. Ich beneide all jene, die Ihre Kinder schon groß gezogen haben - unsere besten Freunde haben seit 1 Jahr ein Kind - als ihr "lieblings-onki" merke ich ab und an mal wie zeitraubend das Ganze ist. Dazu dann noch einen Job, wo soll da Zeit für sowas bleiben? Vll. ja nachts - mit Kind pennt man - laut Erzählungen - ja eh nie
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Um es auf den Punkt zu kriegen:
Ich glaube aber, dass einem das sogar in gewisser Weise gut tun könnte. Beschränkt man sich wirklich aufs Wesentliche, ist man deutlich fokussierter. Häng deine Gitarre doch einfach mal bewusst 2-3 Tage weg. Versuche dich selber frei zu machen von diesem "Ich muss jetzt aber weil das war ja immer so" - wenn dein Hirn nur unter Strom steht kann es nicht wie es soll - dein Körper hat dann einfach keinen Bock mehr und drückt nen Stempel rein. Bringt dir nichts - demotiviert dich nur noch mehr und ist ein Teufelskreis.
Kack doch auf 10 oder 20 BPM weniger Speed, hab Spass am spielen! Genieße die Zeit, die du dafür aufbringen kannst und nimm das Ganze bewusster wahr. Am Ende reduziert es sich nur darauf, was du daraus für dich holen kannst. Und innere Ruhe und Zufriedenheit sind im Leben mMn inzwischen weitaus wichtiger als der nächste Guthrie Govan zu werden.
Ich drück dir ganz feste die Daumen!