LoboMix
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Aus dem von den Mitforisten schon gesagten, dass es gar nicht so einfach ist, eine gewählte Tonart zu verlassen, deine Sorge ist also unberechtigt. Gleich doppelt unberechtigt, denn wie auch schon bestätigt wurde ist es tatsächlich "erlaubt, was klingt".Könnte man vereinfacht sagen, "erlaubt ist, was klingt!?" Mich hat jetzt echt ein scheiß Gefühl im Griff, weil ich mich in meiner gesamten Künstlerischen Freiheit einschränken würde, nur weil ich in Zukunft immer erst brav ein paar Akkorde lege um auch ja sicher zu sein das ich mich in meiner Tonart bewege und bloß nicht auffalle. :-D
Einige alterierte Töne, die nicht zur Tonleiter der Tonart gehören, oder chromatische Wendungen in der Melodie, sind nicht schon für sich geeignet, die Tonart zu verlassen oder zu verschleiern. Dazu müssten schon Tendenzen zur Modulation vorhanden sein und/oder Akkorde und Akkordfortschreitungen vorkommen, die modulierend oder verschleiernd funktionieren. Oder eben gleich alles atonal konzipiert werden (was den mehr oder weniger völligen Verzicht auf erkennbare Dur- und Moll-Akkorde bedeuten würde - was der beabsichtigten Stilistik aber sehr wahrscheinlich widersprechen würde).
Da die Basslinie zu Beginn gleich das C deutlich manifestiert und das Eb direkt als zweiter Ton erscheint, rastet das Ohr sozusagen fest bei C-Moll als tonalem Zentrum ein. Dass das C nur noch einmal wiederkehrt in der Tonfolge, stößt diese tonale Fixierung nicht mehr um. Hinzu kommt, dass die Skalentöne von C-Moll (bis auf das Bb) alle verwendet werden.
Die beiden alterierten Töne Db und Gb bringen den C-Moll-Charakter ebenfalls nicht ins Wanken, selbst wenn sie wie hier sehr exponiert gespielt und beim Db auch öfter angespielt werden. Immerhin lassen sich die Akkorde Db-Dur und Gb-Dur (unterstellt, dass diese auf diesen Basstönen gespielt werden) in der Theorie als "Medianten" interpretieren. Db-Dur als Mediante von F-Moll und Gb-Dur als Mediante von Bb-Dur (Mediante ist hier jeweils der groß-Terz verwandte Akkord - diese kommen in der Grundtonart generell nicht vor, sind in diesem diesem Sinne also "geliehene Akkorde").
Aufgrund des Halbtonabstandes Db-C wirkt das Db zudem in diesem Kontext noch als Leitton zum Grundton C. Es ließe sich sogar ein Akkord auf der V. Stufe (Dominante, hier G-Dur) konstruieren, der das Db enthält (z.B. G7b5 - b5 hier im Bass).
Alles in Allem verlässt also diese Basslinie nicht das tonale Zentrum C-Moll. Warum sollte sie auch, und ist das schlimm?
Nun ja, dir schwebt "etwas geheimnisvolles, leicht dramatisches, Action-reiches" vor, zu dem dieser Basslauf die Grundlage bilden soll.
Probiere mal aus, zunächst einfach auf jeden Basston den zugehörigen Grundakkord zu nehmen, also C: C-Moll / Eb: Eb-Dur / Db: Db-Dur / G: G-Moll / Ab: Ab-Dur / F: F-Moll / beim D D-Dur, wobei das F# und das A darin ebenfalls ein alterierte Töne sind, die in der C-Moll-Skala nicht vorkommen.Welche Akkordabfolge ist auf diesen Bass aus eurer Sicht spielbar, die diese Dramatik fundamental unterstützt? Kann mir jemand erklären, welche Tonart dieses Stück am Ende hat?
Diese Art Akkord-"Verschiebebahnhof" hört man durchaus schon mal z.B. in Filmmusik und sie bringen durchaus reichlich "Action" und Dramatik in den Sound, eben weil es ziemlich rasant durch etliche "Tonart-fremde" Akkorde schreitet und dem Ohr damit etwas Überraschung bietet.
Alternativ kann beim Basston Eb auch C-Moll als Akkord liegen bleiben, diese Art Akkorde, die ihre Terz im Bass haben, nennt man "Sextakkord". Als Sextakkord bleibt C-Moll immer noch C-Moll (der Sextakkord ist die sog. "1. Umkehrung" eines Akkordes, wobei der Grundton in die Oberstimme gelegt wird), aber die klangliche Wirkung eines Sextakkordes ist doch etwas anders. Das bringt eine etwas weniger ´rasante´ Akkordbewegung, wirkt aber klanglich dichter.
Dann wäre es auch möglich, vor allem die Akkorde Db-Dur und Gb-Dur klanglich noch anzureichern. z.B. mit der "major-7" (maj7 / 7j - Db-F-Ab-C // Gb-Bb-Db-F), das bringt noch mehr klangliche Farbe ins Spiel.
Beim D im Bass fand ich es auch gut, einfach C-Moll stehen zu lassen, die entstehende Dissonanz D-Eb mischt den Sound etwas auf und bringt Spannung.
Das ´Paradebeispiel´ schlechthin für chromatische Melodik und vor allem Harmonik ist die Oper "Tristan und Isolde" von Richard Wagner. Besonders berühmt ist gleich der Beginn der Vorspiels zur Oper, wo es eine Akkordfortschreitung gibt, wo sich der melodisch entwickelte Akkord bei der Fortschreitung quasi "in sicher selbst" auflöst. Dieser Anfang hat regelrecht Generationen von Musiktheoretikern eine harte Nuss zum Knacken aufgegeben". Mit dieser hochromatischen und von Chromatik regelrecht überquellenden Melodik und Harmonik des "Tristan", die tatsächlich in der Lage ist, die Tonart völlig zu verschleiern und deren Gravitationskräfte aufzuheben, hat Wagner schon 1865 die Tür zur - historisch viel späteren - Atonalität ein ganz klein wenig aufgestoßen. Hier eine Aufnahme mit dem Klavierauszug zum Mitlesen:
So weit hinaus gewagt hat sich Wagner in seinen späteren Opern aber auch nicht mehr.
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Dieser Akkord ist daher folgerichtig auch unter der Bezeichnung "Tristan-Akkord" in die Musiktheoriegeschichte eingegangenen.
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