Was (GENAU) ist Musikalität ??

turko
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Hallo zusammen,

die erste Frage ist schon mal, ob das überhaupt der passende Forumbereich dafür ist ... ?

Da ich diese Frage erst unlängst wieder mit Freunden diskutiert habe nehme ich dies zum Anlass, es auch hier einmal zu probieren. Ich weiß auch gar nicht, ob es überhaupt wen interessiert und ob es sich lohnt, sich darüber überhaupt Gedanken zu machen. Noch weiß ich, ob es denn eine allgemeingültige Antwort auf die Frage gibt. Aber versuchen kann man´s ja mal ... und mich würde die Meinung anderer zu dem Thema interessieren ... welches da lautet ... :

Was ist eigentlich Musikalität genau ?

Erklärungsversuch: Früher war ich der (undifferenzierten) Meinung, musikalisch ist man entweder, oder eben nicht. Mit der Zeit habe ich jedoch gelernt, daß man sich erstens durch Übung/Training sehr weiterentwickeln kann (nicht nur am Instrument, sondern auch in seiner „Musikalität“), und daß es zweitens sehr viele verschiedene Arten von Musikalität gibt, bzw. verschiedene „Teilbereiche“, in denen man nicht automatisch gleich talentiert und/oder gleich geübt sein muß. Mir fallen als Teilbereiche da so ein ... : (obwohl die teilweise natürlich nicht voneinander getrennt werden können ... !!)

- Harmonisches Gehör/Gefühl
- Absolutes und relatives Gehör
- Heraushören können von bestimmten Teilaspekten (z. B. EINER Stimme in einem 4-stimmigen Satz)
- Rhythmusgefühl
- Das (wieder-)erkennen von musikalischen Strukturen (z. B. „ah, das war jetzt gerade ein alterierter Turnaround“, „ah, das war eine II-V-Verbindung“, ...) und das Einordnen und verwenden können dieser
- Gefühl für „Form“ (wo in einer 32-taktigen Liedform befinde ich mich gerade ... ?)
- Musikalische Phantasie
- Musikalisches Einfühlungsvermögen (die „richtige Wahl“ treffen aus all den musikalischen Möglichkeiten, die sich einem in einer konkreten Situation theoretisch bieten) - auf die Stimmung eingehen können
- Musikalisches Gedächtnis
- etc. ... da gibt´s sicher noch jede Menge ...

Ich z. B. halte mich für „gut“ in „harmonischem Gefühl“, in Rhythmik, Formgefühl und musikalischem Einfühlungsvermögen. Aber ich halte mich für leider nur sehr begrenzt fähig in den Bereichen Detailhören, musikalische Phantasie (was wirklich „Neues“ schaffen ...) und musikalisches Gedächtnis.

Ich kann z. b. jede Melodie (solange sie halbwegs traditionellen Gepflogenheiten folgt) sofort harmonisch begleiten - auch mit eher komplizierteren Harmonien. Und ich höre den allermeisten Akkorden sofort in ihrer Gesamtheit an, welcher Natur sie sind (7#9, oder maj7#11, oder irgendsowas ...). Aber ich tue mir relativ schwer damit, z. B. aus einem „wackeligen“ Chor-Akkord herauszuhören, WELCHE Stimme denn nun der Übeltäter ist. Mein Freund ist lustigerweise genau das Gegenteil von mir: Der hört im Chor-Akkord sofort, an welcher Stimme es denn nun hapert und der hat auch ein absolutes Gehör, aber er begleitet Lieder in schöner Regelmäßigkeit am Klavier mit mehr oder weniger unpassenden Akkorden, wenn er das nicht eigens davor übt.

Also, ich glaube es ist klar geworden, was ich meine:

Wie hängen diese Dinge zusammen ?
Welches sind die Schlüssel-Begabungen für einen Musiker ?
Welche sind durch Übung/Training am ehesten weiterzuentwickeln ?

Würde mich interessieren zu lesen, was andere so darüber denken ... !!

Liebe Grüße
Thomas
 
Eigenschaft
 
Es würde mich wundern, wenn jemand die Frage umfassend beantworten kann.

Die Musikwissenschaft beschäftigt sich mit diesem Thema seit Jahrzehnten und kann durch diverse Tests zwar Teilbereiche musikalischer Begabung abfragen und sortieren, aber jeder seriöse Wissenschaftler wird sich hüten, umfassende Ergebnis-Aussagen in Form feststehender Erklärungsmodelle zur musikalischen Begabung zu machen.

Es gab und gibt allerhand Testverfahren zu diesem Thema. Ein lange Zeit sehr bedeutender und heute noch praktizierter Test ist der
"Seashore-Test für musikalische Begabung" (1919), hier ein Link:

http://iem.at/lehre/gehoertest/index_html

Auch das Testverfahren von "Gordon" wird gerne angewendet, sowie einige andere:

http://www.edu.lmu.de/~oerter/index.php?option=com_docman&task=doc_view&gid=39

Alle weisen explizit darauf hin, dass es sich um Teilbereiche von Musikalität handelt, in einer bestimmten Situation erfasst und unter bestimmten Bedingungen erstellt.

Ich glaube, dass jeder Mensch in seinen Genen musikalisches Potenzial mitbekommen hat, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung und verschiedenem Umfang. Noch mehr kommt es meiner Meinung nach darauf an, wie sehr seine Umwelt ( Elternhaus, Schule, Freunde etc.) diese musikalischen Schätze heben kann, indem man in möglichst frühem Alter das Kind mit Musik konfrontiert und auch an Instrumenten ausbildet.

Ich stimme auch Deiner Annahme zu, dass Menschen in den verschiedenen Teilbereichen wie rhythmische Fertigkeiten, harmonisches Hören, Melodieempfinden, sauberes Intonieren beim Singen usw. sehr unterschiedliche Leistungen erbringen.
Das kann man insbesondere bei Schülern feststellen.

Zwar kann man kein Wunderkind oder Genie "heranzüchten", allerdings sind Training, Übung und Disziplin außerordentlich wichtig und notwendig, um musikalische Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln. Je früher man beginnt, desto leichter ist es. Das gilt ja beim Lernen sowieso und in Sachen Instrumentalspiel bestimmt.

Übrigens ist ein absolutes Gehör meiner Meinung nach kein Kriterium für musikalische Begabung. Das relative Gehör spielt eine wichtigere Rolle für Musiker.

Soweit meine ersten Gedanken zum Thema...
 
Nur kurz zum Thema absolutes Gehör: So hatte ich es auch nicht gemeint bzw. verstanden. Ich beneide etliche Menschen jeweils um gewisse musikalische Fertigkeiten, die sie haben. Aber um ein absolutes Gehör habe ich noch nie jemanden beneidet, da ich es im Musizier-Kontext für nicht wirklich hilfreich halte, bzw. andere Fähigkeiten weit höher ansetze ...
 
Ich glaube, dass jeder Mensch in seinen Genen musikalisches Potenzial mitbekommen hat, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung und verschiedenem Umfang.

Sagen wir lieber, die fähigkeit, musikalisches potential zu entwickeln, d.h. feinmotorik, feinfühligkeit, akustische differenzierung usw.
Ich kenne aber auch den ausspruch einer bekannten pianistin "die liebe zur musik hat mir mein vater ausgetrieben". Ich kannte ihn und glaube das.
Meine töchter wollten - bei aller "musikalität" - mit dem klavier nichts zu tun haben, sie hörten mehr als genug daheim.
 
Evtl kann man es auch anderes sehen und am Ergebnis festmachen?

Ein Song der tolle harmonische Spannungen und Wendungen hat ist für mich musikalisch gemacht

Ein Solopart der ergreifend ist und Stimmungen erzeugt ist musikalisch gespielt.

Uwenberger
 
Günter Sch.;3775633 schrieb:
Ich kenne aber auch den ausspruch einer bekannten pianistin "die liebe zur musik hat mir mein vater ausgetrieben". Ich kannte ihn und glaube das.
Meine töchter wollten - bei aller "musikalität" - mit dem klavier nichts zu tun haben, sie hörten mehr als genug daheim.


:D Au weia!

Uwenberger :)
 
Zwar kann man kein Wunderkind oder Genie "heranzüchten", ...

Nein, kann man bestimmt (Gott sei Dank) nicht. Aber angenommen, man KÖNNTE es ... wie würde man da vorgehen?

Würde man jemanden schaffen, der einfach in ALLEN Teilaspekten gut bewandert ist, oder jemanden, der in EINEM Teilaspekt, etwa der Kreativität, oder dem musikalischen Gedächtnis, ÜBERRAGENDES leistet. Oder gar jemanden, der ÜBERALL ÜBERRAGENDES zu leisten im Stande ist, und keinerlei (musikalische) Schwächen aufweist ... ??

Weiß jemand von irgendwelchen musikalischen Größen, von Bach bis Ellington (bitte jetzt ohne Streit darüber, wer als Größe gelten darf, und wer nicht .. :) ), ob von denen bestimmte ausgeprägte Stärken oder auch Schwächen überliefert sind ... ??

LG - Thomas

PS: Und von einer "musikalischen" Eigenschaft darf man wahrscheinlich natürlich nicht absehen ... dem Fleiß ...
 
Fleiß ist keine musikalische eigenschaft, der eine bringt mit viel mühe wenig zustande, der andere umgekehrt. Beim virtuosentum kann man schon von dressur sprechen, aber ohne günstige physische wie psychische voraussetzungen geht es da auch nicht.
Gedächtnis kann nur zum teil trainiert werden, auch das absolute gehör ist eine gedächtnisleistung, und etwas auswendig zu spielen, heißt nicht, besser zu sein als ein anderer, der vom blatt spielt.
Wer nicht die richtigen lippen hat, kann sein lebtag trompete studieren, ohne was zuwege zu bringen, einem anderen liegt die posaune. Gesangsunterricht hilft auch nicht viel, wenn die stimme nicht entwicklungsfähig ist.
Die anfangsgründe eines handwerks kann jeder lernen, die meisterschaft erwirbt nicht jeder, und zur kunst ist ein noch weiterer weg.
 
Natürlich ist Fleiß keine "musikalische" Eigenschaft ... aber gerade deswegen wars ja auch in Anführungszeichen und halbironisch gemeint ... dessen ungeachtet ist er aber eine Eigenschaft, ohne die´s sicher nicht geht, musikalisch hinauf zu kommen. Soviel weiß ich inzwischen.
Wenn ich´s mir aussuchen könnte/müßte, Talent oder Fleiß, würde ich das Talent wählen. Aber die richtig Guten, die haben beides. Die, die NUR Talent haben, die kennt kein Schwein mehr ...
 
Wenn außergewöhnliches Talent, Fleiß und musikalische Sozialisation im frühesten Kindesalter zusammengehen, dann sind das optimale Bedingungen für hohe Musikalität.

W.A.Mozart war in dieser Situation. Das ist natürlich eine absolute Ausnahmeerscheinung gewesen und kann nicht annähernd ein Maßstab sein. Erklärbar ist Mozarts Genialität damit überhaupt nicht.
Andere Beispiele wie Schubert, der eine Zeit lang als Hilfslehrer sein Geld verdienen und sich als freischaffender Komponist selbst gegenüber den Eltern behaupten und durchsetzen musste, zeigen, dass die Wege sehr verschieden sein können.

Günter hat bereits darauf hingewiesen, dass man heute als herausragender Instrumentalist, der auf den großen Bühnen gefragt ist, einen Leidensweg(vor allem bezogen auf die Kindheit) zurückzulegen hat, um erfolgreich zu sein.

Aber die Musik lebt doch wahrlich nicht von den großen Stars dieser Welt, die sowieso auf dem Markt des Profits zuhause sind.
Eine gute musikalische Breitenarbeit, die Wert legt auf musikalische Erziehung von Kindesbeinen an, die sowohl den aktiven Musikern wie auch den Zuhörern Freude bereitet, das ist meines Erachtens die wichtige Aufgabe. Wenn man dafür in den Gemeinden nur halb soviel Geld zur Verfügung stellen würde wie beispielsweise für die Fußballförderung, dann wären wir ein ganzes Stück weiter.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist wohl war ... eigentlich ALLES, was Du geschrieben hast. Und auch und vor allem, daß der Profi-Musikbetrieb ganz sicher nicht alles und nicht der Maßstab ist. Dennoch bleibt es interessant, was genau einen eigentlich hilft befähigt zu werden, dorthin vorzustoßen ... sollte man das wollen ...

LG, Thomas
 
In Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass ein Zusammenhang zwischen Musikalität und Intelligenz besteht.

Musikalität lässt sich im Gehirn messen, hat Peter gesagt.

Kunigunde Meier sagt, Musikalität ist Empfinden, Verständnis und Begabung für Musik, was auch immer das (GENAU) heissen mag.
 
In Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass ein Zusammenhang zwischen Musikalität und Intelligenz besteht.

Musikalität lässt sich im Gehirn messen, hat Peter gesagt.

Kunigunde Meier sagt, Musikalität ist Empfinden, Verständnis und Begabung für Musik, was auch immer das (GENAU) heissen mag.


Solche Sachen habe ich auch schon gelesen ... allerdings eher als Konsequenz des einen aus dem anderen (Nach dem Motto: Beschäftigung mit Musik (vor allem am Instrument) fördert die Gehirnleistung irgendwie ...).

Und das letzte ... naja ... hört sich zwar nicht falsch an, aber verdächtig nach einer Zirkeldefinition ..., oder ?
 
"Musikalisch ist, wer durch Musik emotional beeindruckt wird und / oder selbst einen derartigen Eindruck erzeugen kann. Dabei ist es unerheblich, ob dies durch Interpretation eines Werks geschieht oder durch schöpferische Aktivität im Sinne der Komposition." (Clemens Renner)
Es gibt viele Faktoren, die man (u.U.) messen kann, doch kann man das "emotional beeindruckt werden" nicht messen. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder von der Musik beeindruckt werden kann, doch merkt man die Musikalität erst, wenn die Person auch "selbst einen derartigen Eindruck erzeugen kann".
 

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