Ich stelle mir gerade Akquarius im Proberaum mit Band vor. Er hat eine Nummer mit 2 Akkorden im Intro, 3 Akkorden in der Strophe und 4 Akkorden im Refrain. Dann hat er noch Ideen für eine Bridge und ev. einen B-Teil, weil ihm heute der Sinn nach Progressive steht, der Abend lang ist und keiner was anderes vor hat.
Weil Akquarius nur mit coolen Typen spielt, sind sich alle einig, dass Theorie für den Hugo ist. Eh klar, oder?
Was zählt ist die Mucke.
Los geht es mit dem Intro. Bernd spielt es vor, klingt lässig, sind sich alle einig. Der 2te Gitarrist möchte jetzt von Bernd wissen, welche Töne er denn zu diesen beiden Akkorden spielen könne. Bernd zeigt ihm jetzt alle Töne auf der Gitarre, die dazu passen. Zum Glück hat die Gitarre nur 6 Saiten und knapp zwei Oktaven je Saite. Oktave? Wie bitte? Zeig einfach die Bünde, vergiss die Theorie, meint der 2te Gitarrist.
Verwirrt will nun der Bassist wissen, wieso die meisten der gezeigten Töne bei ihm Sch… klingen. Bass und Gitarre sind so verschieden nun auch nicht, meint er. Vor allem, wenn Bernd die Akkorde wechselt ist gleich nach dem Wechsel echt schwer, einen passenden Ton am Griffbrett zu finden. Bernd zeigt dem Tieftöner also nun, wo er auf seinem Griffbrett greifen muss, damit es gut und interessant klingt. Speziell auf der 1 soll er …
Bei dieser Bemerkung schaltet sich der Drummer ein und hat ein paar Fragen, wie oft er denn klopfen soll, bis der Akkordwechsel erfolgt. Bernd zählt es ihm also vor. Das mit der 1 ist schon sehr theoretisch, das hört man besser, meint der Drummer.
Der 2te Gitarrist erklärt etwas frustriert, dass er doppelt so oft mit dem Fuß wippt, was er denn falsche mache, will er wissen.
Gleichzeitig will aber auch endlich der Pianist wissen, welche Töne er auf seinen Tasten drücken kann, damit es dazu passt. Zur Entspannung öffnet er ein Bierchen. Ein gutes Gefühl, einen ganzen Kasten unter sich zu wissen.
Bernd nimmt das gelassen, sind ja alles coole Typen, die ohne Theorie auskommen. Allein die Mucke zählt.
Mit viel Geduld, die er sich als Mod im Board angeeignet hat, geht Bernd auf die Fragen ein und erklärt dem 2ten Gitarristen, wie er mit dem Fuß klopfen soll, damit es mit dem Akkordwechsel passt und dem Pianisten zeigt er alle Tasten, die er drücken kann. Der Schlagzeuger ist froh, dass heute der Harfenspieler krank ist. Bei ihm dauern die Erklärungen immer besonders lang, weil Bernd nicht Harfe spielt und sie jede Saite einzeln anspielen und die Tonhöhe vergleichen müssen.
Voll Enthusiasmus geht es nun an das gemeinsame Spielen. Das sitzt, praktisch sind sie unschlagbar. Das geht voll aus dem Gefühl.
Nach der vierten Wiederholung des Intros wechselt Bernd auf die Strophe. Der Bassist winkt ab. Seine Töne passen nicht mehr. Ob Bernd andere für ihn hätte, will er wissen. Der Drummer meint, er müsse nun anders klopfen, damit das dazu passt, was er spielt. Was er bisher gespielt hat beißt sich irgendwie, meint er. Der 2te Gitarrist will die neuen Töne gezeigt kriegen, der Pianist öffnet inzwischen seine dritte Flasche Bier, bis er dran kommt, und Bernd ihm die neuen Tasten zeigt, dauert's noch ein Weilchen.
Als die Band zum Refrain kommt ist der halbe Kasten des Pianisten leer. Zu allem Unglück schnorren der Bassist, der Drummer und der 2te Gitarrist mit. Und auf einem Kasten, in dem die Flaschen fehlen, sitzt es sich schlecht, erklärt der Pianist. Er möge doch den Kasten umdrehen, meint der Bassist. Er käme schließlich auch mit weniger Saiten aus als der Gitarrist. Wieso er denn dann alle Flaschen benötige? Egal, beim B-Teil sehen das alle recht entspannt. Der Pianist grinst von seinem schiefen Turm aus drei Kisten herunter, der Drummer ist grade fort und besorgt den vierten Kasten. Der 2te Gitarrist darf heute nicht mehr fahren, er musste seinen Deckel abgeben, als er beim Kauf des 3ten Kasten in ein Planquadrat rauschte.
Endlich kommt der 4te Kasten, die Klassikformation im Nachbarproberaum sitzt wieder unkreativ vor ihren Notenblättern, erklärt der Drummer als er sich hinter sein Set quetscht. Ohne Noten sind die aufgeschmissen, weiß der Bassist. Die haben überhaupt keine eigenen Ideen, meint der Drummer. Immer noch besser als die Jazzer von gegenüber, meint der 2the Gitarrist. Die reden den ganzen Abend kein Wort miteinander. Genauso hört sich deren Musik an, wirft der Drummer ein. Völlig unabgestimmt, ganz anders als bei uns, wo alles ausgeredet wird, meint Bernd.
So vielseitig ist Musik.
Greetz, mit einem großen Schmunzeln
relact