Jan1980 schrieb:
Warum spielt man dann nicht eigentlich viel mehr nur akustisch bzw. warum muß das Publikum oft so wahnsinnigen Lautstärken ausgesetzt sein?
Interessante Frage, aber eigentlich eine ganz andere Baustelle. Das liegt aber eben zum Teil schlicht in der Besetzung bestimmter Musik. Schon bei einer (großen) Bigband (mit unverstärkten Bläsern) haben Bass, Klavier, Gitarre und manchmal sogar das Schlagzeug einfach keine Chance, rein akustisch in der Lautstärke mitzuhalten. Man könnte lediglich diese Instrumente ebenso wie die Bläser mehrfach besetzen.
Und bei "elektrischer" Musik (also nicht Jazz-Trio, aber ab Funk aufwärts) ist eben auch das Lautstärkeproblem da. Das Schlagzeug gibt den Pegel vor, der Rest muss mitziehen.
Dass das heute oft übertrieben wird, ist gar keine Frage. Aber ich denke eben an die Situation: "Konzert verstärkt" (wie laut und aus welchen Gründen auch immer). Wenn man das mal als gegeben nimmt, dann fällt Klavier "nackt" eben raus, und man hat die Wahl zwischen E-Piano und abgenommenem echten. Und da fällt für mich eben in 80-90% der Fälle die Wahl (wenn auch manchmal mit einer Träne im Knopfloch) auf das E-Piano.
Ich dachte wir waren vom spielen ausgegangen (siehe Eingangsfrage).
Jein. Zumindest sind wir seit ungefähr 3 Seiten beim Thema abgenommen. Für die Frage, was für den Spieler selbst besser ist, habe ich ausdrücklich schon zu Beginn des Threads auf einen anderen Thread verwiesen, in dem dieses Thema ausführlich diskutiert wird.
Nur z.B. Töne, die lange ausgehalten werden und sich "vollsaugen" mit dem darumherum erzeugten Klang, und die dann immer noch zu hören sein sollen, wenn der Tumult um sie herum wegbricht, sind halt auf einem E-Piano (noch) nicht darstellbar.
Die entscheidende Frage (und der weicht ihr beide beharrlich aus) ist: Kann man diese Feinheiten über die PA ÜBERHAUPT darstellen? Und das beantworte ich mit eher mit nein.
Bzw.: IHR beide beschränkt euch in der ganzen Diskussion auf Jazz u.ä. Ich sehe daneben auch noch eine ganze Reihe anderer Stile. Und für mich ist die Sache ganz einfach: wenn es dem Künstler und/oder dem Publikum auf den letzten Feinschliff der instrumentalen Darstellung ankommt, dann wird eben unverstärkt gespielt, Punktum. Und dann nimmt man eben auch einen Flügel, gar keine Frage.
Wenn man entweder in großen Hallen, oder Stile, bei denen es auf diese Feinheiten nicht so ankommt, spielt, dann muss man eben mit gewissen Einschränkungen leben. Und das ist das, worauf ich aufmerksam machen wollte (nicht mehr und nicht weniger, einen Glaubenskrieg hat dann Luc daraus gemacht): WENN man öfter in die Verlegenheit kommt, mit seinem Instrument auch mal über PA live zu spielen, dann ist aus vielerlei Gründen (über Transport und Stimmkosten haben wir ja noch gar nicht gesprochen) eben das E-Piano eine gute Alternative.
Für jemanden, der ausschlisßlich anspruchsvollen Jazz spielt, stellt sich die Frage ja eigentlich gar nicht.
Und hier wäre es dann richtig, auch Klangeinbußen über die PA hinzunehmen, wenn nur die Musik noch "rüberkommt", sprich wenn solche Details, die wichtig genommen werden, auch hörbar sind.
s.o. Bis du ein Klavier (erst recht ein Upright) so abgenommen hast, dass all diese Feinheiten trotzdem rüberkommen, vergehen Stunden - wenn es der Raum überhaupt hergibt und der Mischer was draufhat.
Aber wäre es nicht schön, wenn man auch als Nicht-Vollprofi den Anspruch entwickelte, die Musik die man macht so gut wie möglich zu vermitteln?
Klar, aber dann muss man b) eben ganz auslassen. Dann muss man sich eben solange in den Edelclubs einen Namen erspielen, bis man nahtlos in Kategorie c) einsteigen kann.
Und ansonsten gilt (und nicht mehr und nicht weniger versuche ich seit Tagen zu vermitteln): Wenn das nicht geht, dann muss man eben
so gut wie möglich unter den Bedingungen, die man in der Kategorie b) nunmal vorfindet realisieren. Und das heißt eben ganz oft auch, dass E-Piano von den
verfügbaren Alternativen die bessere, weil im
Endergebnis klanglich schönere Wahl ist.
Dann ist das E-Piano in keinem Fall
immer vorne, sondern eben nur wenn die Musik auf bestimmte Feinheiten verzichten kann. (Das kann sie vielleicht sogar oft
, aber eben nicht immer...)
Ich will auch gar nicht sagen, dass das E-Piano IMMER vorn ist. Es ist schlichtweg ein Luxus, den man sich nicht immer leisten kann.
Typische Situation: ein Klavier ist VORHANDEN typischerweise nur in Räumen, in denen man auch akustisch spielen würde. Dann macht man das halt, und?
Dann gibt es noch die Räume, die dafür eigentlich zu groß sind (Schulen usw). Da mag dann ein Klavier stehen, das ist aber i.d.R. in einem eher schlechten Zustand oder nicht gestimmt. Heißt: du bist schonmal 70-100 EUR los, um den Stimmer zu füttern.
Der Großteil der Gigs passiert aber doch auf Bühnen, auf denen alles mitgebracht werden muss. Da kommt der Transport dazu und das Stimmen noch obendrauf.
Ganz ehrlich: Kein Veranstalter (und auch ich als Mitmusiker o.ä.) würde etwas dagegen haben, wenn du sagst "ich kümmer mich drum und bezahl das alles". Wäre ich aber in deiner Band und du würdest von den vielleicht 300 EUR Gage (für alle zusammen) jedesmal 200 EUR Transport und Stimmung abzweigen wollen, nur damit du einen Flügel spielen kannst, dann würde ich dir was husten.
Flügel klingen (unter den gegebenen Bedingungen) dann aber trotzdem besser
Und genau das bezweifle ich hartnäckig: ein ABGENOMMENER Flügel klingt oft nicht besser und ein abgenommenes UPRIGHT sogar meistens deutlich schlechter als ein DP.
wir reden die ganze Zeit aneinander vorbei: Ich sage: "DP besser als ABGENOMMENER Flügel". Worauf von euch beiden als Entgegnung immer kommt "falsch, AKUSTISCHER Flügel klingt besser als DP". Merkst du was? Ihr vergleicht Äpfel mit Birnen. Ich gehe von der Situation aus, dass ich nur die Wahl habe, was ich zwischen meine Finger und die Lautsprecher stelle. Ihr geht immer davon aus, dass man statdessen einfach die Lautsprecher ganz weglässt... Und FÜR DEN FALL gebe ich euch doch schon von Anfang an recht, so what?
Flügel und E-Pianos sind beides vollwertige Musikinstrumente, nur eignen sich E-Pianos (noch) nicht dafür, den Flügel, wo er notwendigerweise gebraucht wird, zu ersetzen.
s.o. Wo ein Flügel notwendigerweise gebraucht wird, hat eine PA nichts zu suchen. Es sei den, Lang Lang spielt vor 6000 Leuten - und in der Liga kriegt man das dann auch in den Griff.
Ich hoffe Dir fehlt nicht das Verständnis dafür, wenn Musiker unter bestimmten Bedingungen E-Pianos ablehnen und akustische Instrumente (auch vielleicht mit Einbußen im PA-Sound) vorziehen.
Dafür fehlt mir keineswegs das Verständnis. Dann sollen diese Leute aber doch bitte auch entweder so konsequent sein und dann wirklich nur akustische Musik machen (ohne PA) oder aber trotz ihrer Ablehnung über ihren Schatten springen und bei abgenommenen Gigs in den für sie sauren Apfel beißen.
Da hier immer wieder gerne argumentiert wird, dass stefan auch ein Verfechter des akustischen Klaviers ist (das bin ich übrigens auch, nur dass wir uns da nicht missverstehen): Stefan ist aber - so wie ich ihn kenne - ein Pragmatiker. Wenn es die Situation erfordert, nimmt er, was sich anbietet. Und ich habe nicht das Gefühl, dass es ihm den Spaß verdirbt, auf seinem Doepfer klimpern zu "müssen".
Und selbst wenn ein Klavier auf der Bühne steht, bin ich relativ sicher, dass stefan aufs DP umsteigt, wenn ihm der Mischer sagt: "Sorry, aber aus der Möhre ist unter diesen Umständen nichts rauszuholen, das DP klingt hier unten besser." Vor meinem geistigen Auge sehe ich ihn jedenfalls nicht wie Rumpelstilzchen herumspringen, sondern schulterzucken, lächeln ud sich beim Bierchen auf den Gig freuen.
Jens