Kurze Geschichte meines 1963 Vintage Fender Jazz-Basses
Ich hatte hier im Board schon verschiedentlich angemerkt, daß ich neben weiteren Bässen einen alten Fender Jazz Bass spiele, hier nun mal die Historie dazu. Da ich diesen Bass seit 1967 besitze und er nur vier kurze Jahre vor mir in „freier Wildbahn“ verbracht hatte, unterstelle ich mal, daß er sich im Originalzustand befindet, vielleicht können die Fotos daher auch dabei helfen, Fälschungen und dubiose Angebote auf dem Markt zu erkennen.
Am 15. Sept. 1967, ja, das ist schon eine Weile her, habe ich als junger Schüler einen gebrauchten Fender Jazz Bass beim Händler „Haus der Musikfreunde“ in Darmstadt erworben. Der weiße Bass wies schon damals deutliche Spuren des Gebrauchs an Korpus und Hals auf und sollte 530DM kosten. Zum Glück konnte ich meinen Höfner Bass - kein Beatle Bass - in Zahlung geben, so daß sich der Kaufpreis auf 350DM reduzierte. Dennoch, damals eine sehr hohe Summe für einen Schüler, Vater hatte kein Verständnis dafür, Mutter konnte es vom Haushaltsgeld erwartungsgemäß nicht abzweigen, da mußte halt die Oma herhalten – klassischer Enkeltrick...
Ich habe den Bass dann in verschiedenen Formationen bis in die 70er gespielt, doch dann kam er wegen anderer Prioritäten des Lebens in die Ecke, überstand einige Umzüge, wurde nur gelegentlich mal kurz angespielt und erst in 2013 habe ich ihn richtig reaktiviert – und war verwundert, daß er kaum verstimmt war und ich trotz einiger vergangener Dekaden immer noch passabel spielen konnte – halt die Songs aus der Zeit. In dieser Zeit vor der technischen Hochrüstung haben wir mit aus heutiger Sicht minimalistischer Ausrüstung gespielt – 2x VOX AC30, AC50/Foundation sowie die obligatorische Echolette Gesangsanlage mit Bandhall (den Begriff PA gab es noch nicht) – dennoch, es war laut genug und die Leute hatten Spaß.
Es handelt sich um einen weißen Jazz Bass aus 1963 mit zwei Volumenreglern und einem Klangregler. Dies geht aus der Halsplatte hervor, die Nr. L05770 läßt sich 1963 zuordnen, ebenso der Stempel „7 JAN 1963 A“ auf dem Hals, der besagt, daß es sich um einen J-Bass (Code 7) mit schmaler 1,5“ (38,1mm) Halsbreite (Code A) vom Januar 1963 handelt. Bei diesem Foto sieht man auch die dünne Palisanderauflage, furnierähnlich, die als „curved fingerboard“ die dicke slab Auflage ablöste.
Die drei Potis haben auf der Unterseite die Bezeichnung 304-2063, d.h., hergestellt von Stackpole (304) in KW 20 (Mitte Mai) 1963. Alle Potis sind noch voll funktionsfähig ohne Kratzen. Die Kabel sind textilumhüllt, die Lötstellen einwandfrei. Auch die Klinkenbuchse bietet dem Stecker festen Sitz bei gutem Kontakt. Zwischen Herstellung des Halses und der Potis liegen 5 Monate, da hat man wohl Hälse auf Vorrat gebaut. Die Drehknöpfe der Potis sind noch original und einwandfrei.
Das Griffbrett ist aus Palisander, wohl der Spezies Dalberga Nigra, was einen grenzüberschreitenden Transport deutlich erschwert und hat helle Dot Inlays, welche es nur bis 1964 gab, die Bünde sind noch gut erhalten und einwandfrei bespielbar. Das Holz des Griffbretts mit den Inlays weist Bearbeitungsspuren in Längsrichtung auf, die offensichtlich schon vor dem Bundieren entstanden sind. Habe das Griffbrett abgewaschen und mehrmals mit Lemonöl behandelt, es ist nun wie neu. Der Hals hatte sich im Laufe der Zeit im oberen Teil etwas konkav gebogen, ein typisches J-Bass Problem im Alter, am Truss Rod mit Doppelschlitzschraube ließ sich dies mit Gefühl korrigieren, mit einem dünnen Shim habe ich die Saitenlage nach unten angepaßt. Der Hals ist angenehm dünn und hervorragend bespielbar, der Lack ist deutlich abgegriffen, da sind die Finger wohl ordentlich entlang geflitzt.
Beim Erwerb 1967 waren Flatwounds auf dem Bass, Marke unbekannt, diese waren nun nach rund 50 Jahren an den Bünden deutlich eingehämmert, auch war der Sound erwartungsgemäß flach und dumpf, habe sie daher durch leichte D’Addario Flats 40-95 ersetzt, guter Nachweis der Wirtschaftlichkeit von Flatwounds...Die Originalsaiten habe ich noch, wohl mittlerweile ein Sammlerstück, vermute mal, daß sich in dem Habitat der Saitenzwischenräume in all den Jahren neue Lebensformen gebildet haben.
Die Brücke aus dünnem Blech - stark verrundete Ecken der Stirnseite - mit den Gewindeauflagen als Saitenreiter entspricht den Fender-Brücken aus der Zeit, der hier vorhandene Typ wird jedoch in Cadfaels Studie ausschließlich dem P-Bass 1959-1969 zugeordnet, aber wir wissen ja, bei Fender ist nichts unmöglich. Es sind auch die originalen, inwischen eingestaubten Filzdämpfer auf Edelstahlfedern vorhanden, der Dämpfer der G-Saite ist deutlich verkürzt. Die neuen Dämpfer, die es als Ersatzteil gibt (ganz oben im Bild), sind alle kürzer - ca. 19mm gegenüber 23mm aus 1963. Nach meinen Unterlagen wurden diese Dämpfer nur bis Mitte 1963 verbaut, danach entfielen sie. Auch sieht man der Erdungsstreifen aus dünnem Messing zwischen Brücke und PU. Die PUs sitzen recht fest in ihren Aussparungen, da ist wohl die Schaumgummiunterlage hart geworden, mit Gewalt will ich nicht ran, auch gibt es keine Notwendigkeit im Moment, die Höhe zu verändern.
Der Sattel ist vergilbt und an der A- und G-Saite etwas ausgeschlagen, werde ihn wohl gelegentlich von einem Fachmann durch einen Knochensattel ersetzen lassen. Die jetzigen Saiten 40-95 haben natürlich etwas Untermaß, das kommt hinzu. Die G-Saite hat bei c/cis einen dead spot, das kennt man bei Fender und damit lebt man. Nachtrag, habe die 40er G-Saite nun durch eine 45er ersetzt, da ist der Klang etwas voller.
PU-Cover und Ashtray sind original und zeigen entsprechende Korrosionsspuren, vor allem am PU-Cover - Handschweiß. Diese alten Cover haben kleine Bohrungen zum Befestigen, siehe Foto (links neu, rechts alt). Spätere Cover als Ersatzteil haben deutlich größere Löcher, dies kann man gut heranziehen um festzustellen, ob alte Bässe mit neuen Covern „nachgerüstet“ wurden. Auch sind die alten Befestigungsschrauben dünn mit flachem Kopf und abweichend von den später verwendeten Pickguardschrauben mit Ansenkung. Alle Schrauben bis auf die der Mechaniken und Halsbefestigung zeigen leichte Korrosionsspuren, sie sind relativ weich und recht minderwertig – im Nu sind die Kreuzschlitze vermurkst.
Das rote Tortoise-Pickguard ist vierschichtig weiß-schwarz-weiß-rot aus Celluloid und bis auf einen winzigen Spannungsriß, hervorgerufen durch unpräzise Schraublöcher, unbeschädigt, von den Spielspuren mal abgesehen. Der Finger Rest ist noch unterhalb der G-Saite, er wanderte erst in späteren Jahren in Richtung E-Saite und wurde zum Thumb Rest.
Die Mechaniken in der typischen langstieligen Kleeblattform mit genietetem Schaft sind „reverse“, d.h., spannen rechtsdrehend, die Vernickelung inzwischen etwas matt, nach etwas einfetten und drehen sind sie weiterhin voll funktionabel, die Stimmung geht stetig und bleibt stabil. Sie sind 1:20 untersetzt und haben eine kurze, dreigängige Schnecke, später gebaute reverse Vintage Mechaniken (Fender Japan) sind 1:25 untersetzt und haben eine lange Schnecke. Die Mechaniken haben auf der Kopfplattenseite Überstände, die durch entsprechende Bohrungen im Holz aufgenommen werden, auch ein Merkmal zur Altersbestimmung. Auf der Rückseite der Kopfplatte ist ein dritter Befestigungsknopf (Hootenanny) angebracht, um ggf. den Gurt zu befestigen. Auch ist noch der Aufkleber/Aluschild des damaligen Händlers vorhanden. Die Decals auf der Front entsprechen Modell und Baujahr. Das Holz ist über die Jahre kräftig gedunkelt.
Farbe: Hmm, bin mir trotz sorgfältigen Studiums von Cadfaels Übersicht nicht sicher, ob ehemals olympic white oder blonde. Die Farbe ist mächtig vergilbt, das sieht man, wenn man den Bridge Cover abschraubt. Auf der Unterseite des Korpus ist der Farbauftrag recht transparent, das spricht eher für die customs color „blonde“, die Holzmaserung schimmert bläulich durch, die Zargen sind jedoch kräftig und intransparent lackiert. Es sieht jedoch so aus, daß der Korpus aus einem Stück besteht. Falls er aus mehreren Teilen bestehen sollte, ist er jedoch sehr geschickt verleimt und lackiert. Ob der Korpus aus Esche oder Erle besteht, kann ich nicht feststellen, aber ich vermute Esche. Der Erstbesitzer hat vor 1967 an einigen Stellen die Farbe ausgebessert, das muß ich mal rauspolieren, lieber ohne Lack als mit schlechter Ausbesserung. Die Dings und Dongs aus mehreren Jahrzehnten sind authentisch und bleiben, das ist echtes road worn.
Auch in der Halstasche kann man den hellen Originalfarbton erkennen. Darunter verbirgt sich ein Namenszeichen in blauer Schrift, das ich nicht zuordnen kann, auch eine Anfrage bei Fender USA gabe keinen Hinweis. Vielleicht kann man mir hier weiter helfen? Auch eine „3“ kann man erkennen, vermutlich als Teil der Jahresbezeichnung „63“, aber durch ein Shim etwas verdeckt. Interessant ist dieses im Lack verklebte trapezförmige Shim aus einer Cutter-Klinge, welches wohl ab Werk eingesetzt wurde, da es bereits beim Erwerb 1967 vorhanden war. Man sieht auch, daß die Farblackierung mit einem glänzenden, transparenten (Nitro?)-Lack überlackiert wurde.
Insgesamt ist das Instrument für sein Alter recht ordentlich erhalten, auch spielt es sich weiterhin sehr gut. Im Vergleich mit meinen anderen Fenderbässen, die wesentlich jünger sind, ist der Klang „trocken“ gespielt jedoch eher mäßig mit wenig Sustain, über Verstärker wird dies jedoch ausgeglichen, dann kommt der klassische, durch die Dämpfer geprägte Fender J-Bass Sound voll durch! Man sollte aber nicht dem Rausch verfallen und glauben, nur weil das Instrument recht alt ist, auch der Klang entsprechend besser sei, nein, er ist einfach nur anders, auch mein neuer MIM J-Bass aus 2013 klingt ganz hervorragend. Ich werde den Oldie noch weitere Jahre behalten und spielen, einen Verkauf überlasse ich meinen Kindern.
Gruß,
Andreas