Hmm, der Beitrag mit der Ankündigung des Corporate-Identity-Tutorials ist schon ziemlich alt, und kein Tutorial in Sicht... Also mach ich das jetzt mal
Wie komme ich dazu, so zu tun, als könnte ich mitreden? Naja, ich hab eine Ausbildung als Kommunikationswirt (=Marketing-Fachmann), habe einige Jahre in einer Werbeagentur gearbeitet und habe mittlerweile meine eigene (kleine!) Agentur. Die professionelle Kommunikation von Unternehmen (oder Bands
) ist also quasi mein tägliches Brot.
Und los gehts:
Begriffsklärungen:
Corporate Identity
Die Corporate Identity ist die Gesamtheit aller von außen und innen sichtbaren Kommunikationsformen eines Unternehmens. Hä? Ganz einfach: Zur Corporate Identity gehören zwar auch Logo, Hausfarben, Hausschrift etc., aber eben auch, wie eine Firma (oder eine Band...) allgemein auftritt. Das kann ein Interview des Geschäftsführers sein, aber auch die lustigen Käppchen, die die Leute bei McDonalds hinterm Tresen tragen. Und auch die Form der Hierarchie innerhalb einer Firma. Oder wie Kunden am Telefon oder am Drive-in-Schalter angesprochen werden ("Noch ein Getränk dazu?"
).
Kurz und gut: Die Corporate Identity umfasst wirklich ALLES, was innerhalb oder außerhalb einer Firma (oder einer Band...) erlebbar ist. Im Idealfall gibt es eine Grundphilosophie, die in allen Aspekten der Kommunikation (also sowohl im Briefpapier als auch am Telefon als auch in Werbespots als auch am Tresen als auch...) wiederfindet.
Corporate Design
Das Corporate Design ist ein Teilbereich der Corporate Identity. Das Corporate Design umfasst einige Grundelemente, die dann in allen Medien, die zur Kommunikation genutzt werden, verwendet werden. Das Corporate Design hat die Aufgabe, die Wiedererkennbarkeit eines Unternehmens (oder einer usw. ...) sicherzustellen.
Wesentliche Elemente des Corporate Designs
Logo
Das Logo ist das zentrale Element des Corporate Designs. Es kann aus einem Bild (Signet, z.B. Deutsche Bank), einem Wort ("Coca-Cola") oder einer Wort-Bildmarke ("DEA") bestehen. Das Logo sollte einfach zu erkennen sein und auf den ersten Blick vermitteln, worum es geht. Zu diesem Zweck sollte es so reduziert wie möglich gestaltet sein. Je einfacher, desto schneller erkennbar, desto besser. Denkt mal an Nike: Ein simpler Haken, einfacher geht es nicht mehr. Trotzdem kommt es sehr dynamisch rüber, was für einen Hersteller von Sportbekleidung natürlich ideal ist. Ein geniales Logo mit hohem Wiedererkennungswert!
Farbklima
Farben wirken sehr direkt und sehr unbewusst auf Menschen. Natürlich sollte man sich das zu Nutze machen, um sein Image zu prägen. Blautöne z.B. wirken zuverlässig, seriös und sachlich und werden daher gerne von Banken und Versicherungen benutzt. Rottöne wirken warm, aber auch als Alarmfarbe. Gelb wirkt schnell aufdringlich, vor allem in Kombination mit Schwarz (Warnung vor Gefahr, siehe z.B. Zeichnung von Wespen und Bienen), Pastellfarben haben etwas weiblich-verspieltes usw...
Normalerweise wählt man eine Hausfarbe und eine dazu passende Kontrastfarbe.
Hausschrift
Auch Schriften wirken umittelbar und unbewusst. Große Firmen lassen sich eigens zu ihrer Corporate Identity passende Schriften entwerfen (Mercedes, Telekom, VW). Bei der Schriftenwahl unbedingt aufpassen, dass man nicht zu sehr auf Effekte setzt. Die mögen beim ersten Hingucken noch ganz witzig sein, aber dann nerven sie sehr schnell. Also lieber was Zeitloses. Was nicht heißen muss, dass man etwas Langweiliges nehmen sollte.
Wenn wir diese drei Grundelemente für unsere Band definiert haben, sind wir schon einen wesentlichen Schritt weiter
Aber wozu das alles?
Corporate Design erfüllt zwei Zwecke:
Zum einen sorgt es für Wiedererkennbarkeit. Jeder erkennt den Coca-Cola-Schriftzug schon von weitem. Sogar wenn man den Text verändert, aber die Schrift beibehält, denkt jeder an das braune Blubberwasser. Ideal!
Zum anderen prägt es entscheidend den Eindruck, den andere von euch haben. Ihr könnt ja nicht mit jedem Menschen persönlich sprechen, also sind eure Anschreiben, Visitenkarten oder eure Website alles, was die Leute von euch kennen. Und sie schließen (unbewusst!) direkt von dem, was sie dort sehen, auf euch. Und ihr wisst ja: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck! Also gebt euch viel Mühe mit eurer Außendarstellung und mit eurem Corporate Design!
Wer mit handgeschriebenen Zetteln voller Rechtschreibfehler und einem hingekritzelten Logo Veranstalter anschreibt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Anzahl der Gigs überschaubar bleibt. Der Veranstalter schließt direkt von eurem Werbematerial auf die Qualität eurer Musik. Er tut das nicht bewusst, sondern er kann sich gar nicht dagegen wehren.
Handgeschriebener DIN A4-Zettel = Anfängerband, kann vielleicht für eine warme Mahlzeit mal im Vorprogramm spielen.
Professionell gedruckter Flyer, vernünftige Homepage = semiprofessionelle oder professionelle Band, spielt vielleicht mal als Headliner auf dem nächsten Stadtfest/Open Air, wird wahrscheinlich auch eine angemessene Gage erhalten.
Vorgehen in der Praxis
Positionsbestimmung
Zuallererst: Setzt euch zusammen und definiert, wofür eure Band steht. Was macht ihr für Musik, was für ein Image strebt ihr an? Macht erst weiter, wenn das wirklich geklärt ist.
Logo
Erst dann macht euch Gedanken zu einem Logo. Einer der häufigsten Fehler (auch bei professionellen Agenturen...) ist, erst eine "tolle Idee" zu haben und dann sozusagen rückwärts den Rest drumrum zu bauen. Denkt dran: Der Einsatzzweck bestimmt das Aussehen, nicht umgekehrt! Oder anders gesagt: Form follows function.
Denkt daran, dass das Logo hinterher in ALLEN Medien (Plakat, CD-Cover, Infoflyer, aber auch Briefpapier, Internet, Presseinfo) sowohl in Farbe als auch in schwarz-weiß funktionieren sollte. Und haltet es so einfach wie möglich (s.o.). Versucht mal, ob ihr (auch aus Kostengründen beim Drucken) mit einer oder max. zwei Farben auskommt.
Farbklima
Eventuell habt ihr mit eurem Logo die Farben ja schon festgelegt. Entsprechen die Farben wirklich eurem bestehenden oder geplanten Image? Habt ihr so wenige (zwei, max. drei) Farben wie nur möglich benutzt? Ja? Sehr gut! Nein? Noch mal ran!
Hausschrift
Hier gilt das gleiche wie für das Farbklima: Passt die Schrift zu euch? Eventuell ist es sinnvoll, zwei Schriften zu benutzen: Eine für Überschriften und Schlagwörter (evtl. eine Effektschrift?), und eine, in der längere Texte z.B. im Presseinfo oder im Infoflyer, verfasst werden. Die "Gebrauchsschrift" sollte natürlich zum einen wiedererkennbar sein (Arial oder Times New Roman benutzt ja nun wirklich JEDER), zum anderen muss sie aber auch gut lesbar sein.
Sonstige Elemente
Logo, Farbklima und Schriftenauswahl stehen? Gut, dann wird es Zeit, zu klären, wie ihr mit anderen Elementen umgehen wollt. Werden Bilder z.B. immer in Farbe oder in schwarz-weiß gesetzt? Kann durchaus ein Stilmittel sein. Sind Bilder immer eckig? Oder immer rund? Oder Rechtecke mit abgerundeten Kanten? Gibt es neben eurem Logo weitere Elemente, die immer wieder auftauchen müssen (z.B. ein sog. Claim à la "come in and find out")? In welchem Verhältnis stehen diese Elemente zu Logo und Texten? Man muss das nicht immer auf den Millimeter festlegen, aber es sollte geklärt sein, wie damit umgegangen werden. Z.b. indem man sagt, der Claim steht immer in der Nähe des Logos. Oder immer unten auf der Seite. Oder oder oder...
Alles fertig? Glückwunsch! Dann kommt jetzt der schwierigste Teil:
Corporate Design durchhalten
Wenn ihr alles definiert habt, ist es wichtig, dass ihr eure Definitionen auch anwendet! CDs haben die Tendenz, ständig "verwässert" zu werden. Womit sie dann ihren Sinn verlieren...
Wenn euer Logo fertig ist, wird daran nicht mehr rumgefummelt. Wichtiger als ein ständig aktualisiertes Aussehen ist der Wiedererkennungswert. Und der entsteht u.a. durch ständige Wiederholung. Also bleibt beim einmal gewählten Weg. Bekannte Logos sind ein wesentlicher Bestandteil des Kapitals einer Firma (oder ... ihr wisst schon). Unterschätzt das nicht!
Wenn ihr eure Farben definiert habt, merkt sie euch! "Rot" ist keine Definition, "HKS Farbton 16" ist eine. Notiert euch z.B. die Rot-Grün-Blau-Werte eurer Farben. Und haltet euch daran. In allen Medien. Auf Plakaten, im Internet, auf euren Autogrammkarten. Auch in Ausnahmefällen keine anderen Farben verwenden! Das klingt jetzt sehr streng, und genau so ist es auch gemeint!
Coca-Cola z.B. wacht SEHR streng über sein Rot. Es wäre absolut undenkbar, eine andere Farbe zu verwenden! Jeder Marketingleiter, der das versucht, wäre sofort seinen Job los. (Ausnahmen bestätigen die Regel: Auf einem amerikanischen Flughafen gibt es braune Cola-Automaten. Der Flughafen hat seinerseits auf einer einheitlichen Ausstattung der Räume bestanden. Coke hatte die Wahl, braune Automaten aufzustellen oder nicht präsent zu sein...)
Und seid bitte auch mit euren Schriften konsequent! Presseinfo aus Bequemlichkeit mit Arial verfasst? Ihr seid auf dem besten Weg zurück zum handgeschriebenen Zettel. Chleudert den Purschen zu Poden!
Wer jetzt sagt "Na, sooo eng muss man das dann wohl doch nicht sehen", der hat noch nicht verstanden, worum es bei Corporate Design geht. Große Firmen halten sich ganze Abteilungen, die mit Argusaugen darauf achten, dass das CD eingehalten wird. Im Marketing ist die Einhaltung des CD ein sehr wichtiger Faktor!
Unterschätzt also nicht die Macht des Wiedererkennungswertes! Zumal ihr mit sehr wenigen und einfachen Mitteln fast ohne Kostenaufwand schon ein sehr ordentliches Corporate Design erstellen könnt. Ihr braucht nur Kreativität (am Anfang) und Konsequenz (die gesamte Zeit nach dem Anfang). Viel Spaß und fette Beute!
Beispiel
Weil Praxis immer anschaulicher ist als Theorie, gebe ich euch zum Schluss noch ein Beispiel, nämlich das meiner eigenen Band "
Hit Radio Show ".
Es handelt sich um eine Showband, die eine Auswahl der größten Hits von 1970 bis 1989 präsentiert, und zwar, und das ist der Clou, in den jeweiligen Kostümen. Das Ganze findet in Form einer Live-Radiosendung statt, daher gibt es auch einen Moderator, der durch die ca. zweieinhalbstündige Show führt.
Positionierung:
Bunt, laut, schrill, unterhaltsam, mit gehörigem Augenzwinkern und Ironie. Futter für die Augen ist mindestens genauso wichtig wie Futter für die Ohren.
Zielgruppen:
Zielgruppe 1: Veranstalter von Events und Stadtfesten, Großraumdiscos
Zielgruppe 2: Dreißig- bis Vierzigjährige, die die 70er und 80er als Jugendliche erlebt haben und sich an die "gute alte Zeit" erinnern möchten.
Zielgruppe 3: Teenies, die zu jung sind, um die 70er und 80er bewusst miterlebt zu haben, die aber (auch im Zuge der Retrowelle) Interesse an entsprechenden Partys haben.
Logo:
Wort-Bild-Marke. Wort "hit" auf einer stilisierten Vinylscheibe, davor die Worte "radio show", daneben kleine Kreissegmente als stilisierte Radiowellen.
Farbklima:
leuchtende schrille 70er-Farben (grün, Kontrastfarbe orange (beides definierte Pantone-Töne)).
Schriften:
Schrift für Überschriften und Effekte: Linotype Atomatic (starke 70er-Anmutung), Schrift für längere Texte: Linotype Method.
Diese Elemente werden in allen Medien (Presseinfos, Briefpapier, Rechnungen, Infoflyer, CD/DVD-Cover etc.) durchgehalten. Einzige Ausnahme: Die Schrift für längere Texte wird im Internet duch die Verdana ersetzt, da die Linotype Method nicht auf allen Rechnern installiert ist und somit nicht überall dargestellt werden kann. Alle Texte in Effektschrift (Linotype Atomatic) werden aus dem selben Grund als Grafik dargestellt.
Und so sieht das Ganze im Web aus:
Website
Ich fürchte, es ist im Rahmen dieses Tutorials nicht möglich, ein ganzes Marketing-Studium zusammenzufassen. Betrachtet das hier lieber als einen Tiefflug, bei dem die wichtigsten Gebiete kurz gestreift wurden. Ich hoffe, das hilft dem einen oder anderen trotzdem ein wenig weiter. Bei Fragen helfe ich gerne
LeGato