Meine bei Peter georderte Tokai Junior ist heil in den Staaten angekommen
Ich brauche eine Junior, um mehrere Pickup-Prototypen zu testen, und wollte (verstaendlicherweise) nicht meine 59er Junior auseinander nehmen. Eine kurze E-Mail Unterhaltung mit meinem langjaehrigen Freund Peter von
Vintage Inspired Guitarparts spaeter war die Entscheidung gefallen, einer Made in Japan Tokai die Chance zu geben (nachdem er mir die China Version dieser Tokai ausgeredet hatte).
Ich bin richtig happy, denn fuer den Preis bekommt man einiges geboten. Ein direkter Vergleich mit einer 59er Junior, laut J.D. Simo "one of the best Juniors I've ever played" ist (siehe auch Video
hier), ist natuerlich nur bedingt fair ... die Gute hatte ja fast 60 Jahre Zeit um entsprechend einzuschwingen. Nichtsdestotrotz komme ich natuerlich nicht umher, die beiden miteinander zu vergleichen.
Hier erst mal ein paar Bilder der beiden nebeneinander ...
Positiv faellt mir folgendes auf:
Verarbeitung - Die ist sehr gut. Alles ist penibelst genau ausgefuehrt, die Lackierung makellos, die Verdrahtung sauber und elegant, die Bohrungen alle perfekt, Abrichtung der Buende und des Sattels 1A.
Tuner - Die Tuner (vermutlich Gotoh) tun ihren Job unaufgeregt und praezise. Deutlich besser als die Originalmechaniken auf meiner 59er.
Halsprofil - Ist fast zu 100% identisch zu meiner Gibson. Toll!
Pickup - Absolut brauchbarer P90. Zwar etwas weniger Output als vintage P90s und nicht ganz so organisch in der Aufloesung wie das Original, aber nicht schlecht.
Schwingungsverhalten - Die einteiligen (!) Mahagoni-Korpus + Hals resonieren von Kopf bis Fuss, sehr aehnlich zum Resonanzverhalten des Originals.
Im Vergleich zum Original fallen ein paar kleinere Dinge auf, die vom Vorbild abweichen:
Neck-Heel Uebergang - Der Halsfuss am Hals-Korpusuebergang ist dicker als bei 58/59 DC Juniors.
Bruecke - Geliefert wird die Gitarre mit einem sehr simplen Zinkguss Wrap-Around, das zwar funktioniert, aber nicht dem Vorbild entspricht. Die entsprechenden Zinkguss Wrap-Arounds wurden erst spaeter verwendet, nachdem die Korpusform der SG angepasst wurde. Ich habe eine aus einem Stueck gefraeste und kompensierte Kortmann Bruecke installiert, was dem Ton schlagartig gut getan hat.
Kopfplatte - Die Kopfplatte der Tokai ist deutlich dicker als die der Gibson.
Sattel - Nylon auf der Gibson vs. absolut sauber verarbeiteter Knochen auf der Tokai.
Lackierung - Obwohl sie perfekt ausgefuehrt ist, habe ich meine Probleme mit dieser Millimeter dicken Poly-Lackierung. Sie fuehlt sich wie Plastik, wie ein Spielzeug an. Das kann man auf den oben gezeigten Fotos fast sehen. Ist natuerlich gemein, wenn man von einer vintage Gitarre auf eine ganz neue Gitarre wechselt, aber auch der von Gibson verwendete Gummi-Nitro-Lack fuehlt sich duenner an.
Dann gibt's noch ein paar Dinge, die mir nicht sooooo gut gefallen und die auch einen direkten Einfluss auf den Ton haben:
Bridge-Studs - Hier ein deutlicher Kritikpunkt: die Studs laufen extrem lose in ihren Einschlaghuelsen und wackeln auf Teufel komm raus, wenn man die Saiten entspannt. Das verhindert einen groesstmoeglichen Kontakt zwischen Bridge und Korpus und hat definitv Einfluss auf den Sound/das Schwingungsverhalten. Die Einschlaghuelsen sollten unbedingt gegen welche, in denen die Studs fester stehen, getauscht werden.
Halswinkel - Der Halswinkel ist groesser als bei meiner vintage Gibson. Entsprechend muss die Bruecke hoeher gestellt werden, was dazu fuehrt, dass der Pickup weiter weg von den Saiten ist. Hier hilft nur ein Abstandhalter (oder englisch "shim"), die u.a. von Lollar oder Lindy Fralin erhaeltlich sind.
Elektronik - Verbaut sind in der Tokai ein 500 kOhm lineares Poti als Volumen-Poti und ein 500 kOhm logarithmisches Poti als Tone-Poti. Fuer vintage Fans macht das keinen Sinn. Wenn die gleichen (hochwertigen Made in Japan) Potis verwendet werden sollen, dann rate ich schwerstens, deren Positionen zu tauschen (also logarithmisch fuer Volumen, linear fuer Tone). Ich habe beide Potis + Cap rausgenommen und gegen ein Alpha A500K (also logarithmisch) Pot fuer Volumen und ein CTS A250K (auch logarithmisch) fuer Tone ausgetauscht, Werte, die so in einem Grossteil der damaligen Juniors verwendet wurden. Dazwischen habe ich ein russisches .022 µF PIO Cap gesetzt und wie beim Original verloetet (also mittlere Litze Volumen-Poti zu unterer Litze Tone Poti; die mittlere Litze des Tone-Potis wird geerdet).
Tokai
Original
Fazit
Alles in allem ist die Tokai Junior ein gutes Instrument. Es ist doch auch selbstverstaendlich, dass sie - was Haptik und Sound angeht - nicht mit einem natuerlich gealterten Original mithalten kann. Es gibt kaum Schwachstellen zu finden, die Verarbeitung ist absolut top und die Bespielbarkeit ist schon im Originalzustand gut. Der werksseitig verbaute Pickup klingt ansprechend und das Resonanzverhalten ist gut.
Mit ein paar kleinen Updates bzgl. Bruecke und Elektronik gewinnt die Tokai sehr. Ich wuerde sagen, dass der Tausch auf ein Alu-Wrap-Around sehr (!) zu empfehlen ist. Ob man jetzt Potis mit logarithmischem oder linearem Verlauf bevorzugt, sei jedem selbst zu ueberlassen. Meiner Meinung nach notwendig (um dem Sound der Originale naeher zu kommen) ist das Anheben des Pickups naeher an die Saiten - da war ein gut 3 - 4 mm grosser Unterschied zwischen der vintage Gibson und der Tokai, der unweigerlich einen Einfluss auf den Sound hat (genauer genommen auf die AC Induktivitaet).
So, ich geh' jetzt weiter Spielen