Also die Preise des
Oktoberfests als generellen Trend zur Verteuerung anzuführen, halte ich nun nicht für sonderlich angebracht. In München gibt es etwa 100 Filialen der Metzger-Kette Vinzenzmurr, in denen man ein Paar Würstchen mit Beilage für 3,XX€ bekommt, vermutlich selbst in unmittelbarer Nähe des Oktoberfests. Ein Liter Bier war auf dem 2015er Oktoberfest größtenteils auch nicht für unter 10€ zu bekommen, außerhalb der Theresienwiese sieht das wieder deutlich anders aus. Dass die Preise des Oktoberfests kontinuierlich und auch deutlich über der Inflationsrate steigen, ist bekannt, dort ist die Nachfrage aber auch so hoch, dass man sich solche Preise erlauben kann. Selbst bei 12€ pro Maß wären die Zelte vermutlich immer noch voll gewesen, bei einem kleineren Volksfest würde durch so etwas die Kundschaft gänzlich ausbleiben. Daher macht es in meinen Augen wenig Sinn, von dort auf andere Preisentwicklungen zu schließen.
Davon abgesehen ist die Umrechnung in Mark aber ebenso beliebt wie fehlerbehaftet. Zum
Umrechnungszeitpunkt entsprach 1 Euro etwa 1,96~2 Mark. Damals mag die Umrechnung einigermaßen sinnvoll gewesen sein, das ist inzwischen aber 14 Jahre her. Der Euro unterlag der Inflation, während man beim Umrechnungsfaktor fälschlicherweise davon ausgeht, dass die Mark heute noch genauso viel wert wäre. Rechnet man die
Inflation im Euro-Zeitraum zusammen, so erhält man 22%, die bei einer einfachen 1€ = 2 DM-Rechnung komplett außer Acht gelassen werden. Wenn man den Kurs schon nehmen will, sollte man den jetzigen Preis auf das Niveau von 2001 bringen (Division durch Faktor 1,22) und dann den Umrechnungsfaktor 1,9558 nehmen, dann kommt man auf den für heute schon eher sinnvollen Faktor ~1,6. Aber damit lässt sich natürlich schlechter im Kopf rechnen…
Damit wäre das Weinzelt zwar immer noch bei knapp 20 DM für
zwei Paar Würste, aber dabei sollte man auch berücksichtigen, dass der Name dort Programm ist. Dort wird Wein, Sekt und Champagner ausgeschenkt, dementsprechend ist das ausdrücklich ein Feinschmecker-Lokal für deutlich reichere Gäste als den durchschnittlichen Oktoberfestbesucher. Gleiches gilt für das Käferzelt. Selbst vor Einführung des Euros wären diese Zelte und ihre Preise schon entsprechend exklusiv gewesen.
Seit Einführung des Euros ist die Inflation deutlich geringer als zu DM-Zeiten, wie man der Tabelle oben ebenfalls entnehmen kann. Alleine von Anfang 1972 bis Ende 1975 betrug die zusammengerechnete Inflation der DM fast 28%. Der Euro hat diese Marke in seinen 14 Jahren noch nicht überschritten und wird es die nächsten Jahre voraussichtlich auch erst einmal nicht tun.
Das Thema Equipment und die damit verbundenen Kosten wurden hier erwähnt. Aber ich will hier einmal gegensteuern. Denn ich bin der Ansicht, dass es deutlich
billiger geworden ist, Musik zu machen. Einerseits ist das dem technischen Fortschritt zu verdanken:
- Das von mir bei Kaufberatungen vielzitierte Yamaha MX61 ist beispielsweise für ~650-700€ zu haben und liefert Sounds auf einem Niveau, das in meinen Ohren fürs Abdecken der wichtigsten Sounds in einer Band durchaus ausreicht. Bis Anfang der 2000er klangen selbst Flaggschiffe nicht unbedingt besser, obwohl sie selbst ohne Berücksichtigung der Inflation und mit vereinfachtem Wechselkurs noch ein Vielfaches davon gekostet haben. Durch größeren Speicher und bessere Prozessoren sind sample-basierte Tasteninstrumente heutzutage besser und häufig hinsichtlich des Neupreises auch günstiger als ältere Geräte zu ihrer Zeit.
- Bei virtuell-analogen Synths ist es ähnlich. Ein Waldorf Blofeld in der Keyboard-Variante bietet Möglichkeiten zu einem Preis, der in den 80er Jahren undenkbar gewesen wäre. Heute kostet er in den USA beispielsweise 999$, das wären 1981 etwa 383$ gewesen. Etwa ein 20tel des damaligen Neupreises für einen ähnlich ausgestatteten PPG Wave 2. Oder auch etwa so viel, wie man alleine bei einem Kredit, um sich einen Wave 2 zu kaufen, pro Jahr an Zinsen zahlen müsste.
- Auch bei Computern, Laptops und Tablets hat sich der technische Fortschritt deutlich sichtbar gemacht, so dass diese vermehrt auch in der Musikproduktion auf der Bühne zu finden sind. Alleine ein iPad bietet heute teilweise schon mehr Möglichkeiten und einen besseren Klang als viele Rack-Expander der 90er.
Die neuen Geräte sind in der Regel sogar noch leichter und damit transportabler als früheres Equipment. Zudem stehen verschiedene Online-Shops in direkter Konkurrenz zueinander, so dass sich die Neupreise generell dem niedrigsten Angebot angleichen. Ansonsten kann man sich natürlich einfach den Shop mit dem niedrigsten Preis aussuchen. Aus Sicht der Shop-Betreiber ist das natürlich nicht sehr bequem, aber als Kunde kommt einem das ziemlich entgegen…
Aber nicht nur bei neuen Geräten hat man es heute besser als früher. Auch das Gebrauchtangebot ist deutlich größer geworden. Vor den Zeiten des Internets war man größtenteils auf den örtlichen Musikhändler und die Kleinanzeigen in den Printmedien angewiesen, dazu vielleicht noch ein paar Versandkataloge. Heutzutage existiert dank eBay und ähnlichen Seiten ein derart großer und vor allem transparenter Gebrauchtmarkt, dass man dort immer die Wahl hat, statt neuen Geräten auch ältere zu kaufen und die Preisentwicklung zu beobachten. Bei analogen Synths sind die Preise absolut gesehen die letzten Jahre zwar deutlich angestiegen, liegen aber teilweise sogar noch deutlich unter den inflationsbereinigten Neupreisen. Digitale Synths wie der Yamaha DX7 und so ziemlich alles, was danach kam, gibt es dafür heutzutage umso billiger.
Selbst mit relativ schmalem Budget kann man sich heutzutage ein brauchbares Setup zusammenkaufen, egal ob nun neu, gebraucht oder eine Mischung aus beidem. Die Einstiegskosten fürs Keyboarden zuhause und in einer Band sehe ich damit als recht niedrig an. Vielleicht ist es heutzutage sogar so günstig wie noch nie. Als Grund für fehlende Keyboarder würde ich das also nicht sehen.
Das Problem der schlechten Gig-Situation für Bands existiert allerdings. Ich werte es ebenfalls als Folge der steigenden Transparenz des entsprechenden Markts. Vor der Zeit des Internets war das Angebot an Bands eher lokal beschränkt. Ein Veranstalter kannte womöglich nur die örtlichen Bands und vielleicht noch über Kontakte ein paar mehr, hatte also nur eine eher begrenzte Anzahl von Bands, die er dann eben buchen konnte. Vor der großflächigen Verbreitung von Internet und Mobilfunk waren ein paar davon aber vielleicht gar nicht dauernd erreichbar. Entscheidet der Veranstalter sich dann, keine Band zu buchen, riskiert er damit, dass eben auch weniger Gäste kommen. Insofern ist das Interesse an einer Band, die auftreten kann, größer. Und damit auch die Zahlungsbereitschaft.
Über das Internet ist es allerdings deutlich leichter geworden, Bands zu finden. Auf Facebook, Soundcloud und
Myspaceähnlichen Plattformen ist mittlerweile zwei Wochen nach Gründung so ziemliche jede Band samt dazugehöriger Heimatstadt zu finden. Das sichtbare Angebot an Bands ist damit deutlich größer als früher. Diese Bands müssen dann um eine begrenzte Zahl von Gigs konkurrieren und daher gegebenenfalls auch geringe oder keine Gagen in Kauf nehmen. Aus Sicht der Bands ist das natürlich nicht sehr bequem, aber als Veranstalter kommt einem das ziemlich entgegen…
Dabei sollte man allerdings nicht unterschlagen, dass dieses Verhalten zwar durch die durchs Internet verfügbaren zusätzlichen Informationen begünstigt wird, aber deshalb nicht unbedingt etwas ist, dass nur heute stattfinden würde. Hätte es die selbe Fülle an Informationen schon früher gegeben, habe ich keinen Zweifel daran, dass Veranstalter auch damals schon geringe bis keine Gagen gezahlt und trotzdem Bands bekommen hätten.
Aber das nur mal so als kleiner Versuch, die Faktoren beim Equipmentkauf und der Gigsuche aus Sicht der wirtschaftswissenschaftlichen Marktmechanismen zu analysieren. Diese sind natürlich immer Abstraktionen und damit nicht unbedingt 1:1 auf die Realität übertragbar, aber ich fand es dennoch mal ganz interessant, wie sich manche Entwicklungen mit diesen Theorien erklären lassen.