Schumanns Träumerei auf Akkordeon passt das?

[Akkordeonengel]

Guten Abend!

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Ähnlichkeit hat das Thema hier für mich mit dem von @Akkordeonengel erstellten Fehlerfaden.

@Akkordeonengel sprach sinngemäß von Mikrofehlern, die einen Vortrag lebendig und interessant machen.

Habs ja auch schon im anderen Thread geschrieben, da ist Landes ein schönes Beispiel mit seinen "personalisierten" Stücken.

Ich werde meine Gedanken bisschen klären: Wir, Amateure oder Profis, machen Musik. Was ist Musik? Musik ist Kunst. In der Kunst gibt es einen grundlegenden Unterschied:

Skulpturen: Michelangelo hat David für immer aus Marmor geschnitzt.
Bilder: Mona Lisa lächelt uns jedes Mal an, wenn wir ihr in die Augen schauen.
Fresken: Die Sixtinische Kapelle ist voller Farben. Nach wie vor.

Musik ist eine Ausnahme. Dem Musikschöpfer (Komponist) steht nur Papier zur Verfügung, um das Design des Werks mit herkömmlichen Symbolen - Noten zu zeichnen. Dann kommt der Realisator – ein Musiker. Was habe ich als Musiker zur Verfügung? Stein? Leinwand? Putz? Nein. Ich habe nur Stille zur Verfügung. Deshalb wird jeder Musiker zu einem einzigartigen und nicht wiederholbaren Mitautor der Musik. Das Werk wird zu Beginn des Spiels erstellt. Und nachdem der letzte Takt vorbei ist, stirbt es, um in der nächsten Fassung wieder zum Leben zu erwachen. Und wir haben einen Zyklus einzigartiger Interpretationen. Es gibt nur einen David von Michelangelo. Aber Tausende von Musikern ein und dasselbe Werk spielen können. Nur einzige Notation und doch eine erstaunliche Variabilität. Michelangelos Mikro-Fehlern sind für immer gleich. Sie sind jedoch für keinen Musiker gleich genau, wenn er dasselbe Werk mehrmals spielt. Und DAS ist die Perfektion, der Grund, warum ich Musik und Akkordeon liebe. Perfektion in Form einer Unvollkommenheit.... Ich denke, dies gilt auch für die Schumanns Träumerei.

Herzliche Grüße, Vladimir

 

[Frager]

Wunderschön geschrieben Vladimir; es deckt sich 100%-ig mit meiner Auffassung, welche ich in einem früheren Post dargelegt habe: Gute Musik bzw. Interpretation ist diejenige welche die Absicht des Komponisten bzw. der Interpretierenden am Besten trifft.

Herzliche Grüsse von Paul Frager

 

[Klangbutter]

Würdest du denn eine Art und Weise kennen, so ein Stück überhaupt „überzeugend“ auf einem Akkordeon zu arrangieren/ performen?

Erstmal: ich habe ja überhaupt garnichts gegen alle geposteten Beispiele. Jede ist auf seine Weise erstaunlich und reizvoll.
Deshalb bin ich ja auf die Schwelle der Begeisterung zu sprechen gekommen. Die wurde bei mir nicht erreicht.
Ob Begeisterung mit der Träumerei bei mir möglich ist? Weiß ich nicht. Aber folgende Geschichte:

Ich einem Konzert von Enrique Ugarte mit einem Klarinettisten wurden im Sommer 2018 mal viele der gängigen "Gassenhauer" gespielt, Czardas Monti, Piazolla usw.
Aber ein Stück auf dem Programm fiel mir besonders auf: Ravels Bolero. Ich kannte das schon aus einem Video von ihm. Er spielt es seriös und kulturvoll.
Ich erwartete gerade von diesem Stück nichts besonderes außer sein übliches kulturvolles Spiel, denn was ist weniger geeignet als Ravels Bolero auf einem Soloinstrument, wo doch ewig das gleiche Material auf einem monotonen Rhythmus verwendet wird und die größte Ressource, nämlich die orchestrale Instrumentierung komplett fehlt?

Doch holla!!! Das war der absolute Höhepunkt des Abends und da riss es mich wirklich mit. Das muss man ersteinmal schaffen, jemanden gegen seine Vorurteile zu überzeugen.

Deshalb glaube ich nicht, dass man es benennen kann.
Egal welche Lüge es ist, wenn sie gut vorgetragen wird, glaubt man sie und ist begeistert und überzeugt.

 

[Malineck]

Hab’s gerade auf YouTube gehört. Krass, so was überhaupt erst zu versuchen.



Ganz toller Künstler

Diesen Rhythmus die ganze Zeit zu halten, die Konstanz der Lautstärke... bewegt der überhaupt nen Balg?

Was alles so geht

 

[lil]

Ich habe Ugarte vor ca. einem Jahr live erlebt in der Band mit Giora Feidman. Und obwohl das Hauptaugenmerk natürlich auf Feidman lag, konnte ich durchaus feststellen, dass Ugarte ein richtig guter Akkordeonist ist ... (Feidman ließ jedem der Band auch Raum für Soli)

 

[klangtaucher]

Konzert von Enrique Ugarte

Ugarte hat vor Jahren der "Nürnberger Zeitung" ein Interview gegeben mit dem Hintergrund, Kindern und Eltern eine Instrumentorientierung zu geben. Ganz am Anfang gleich ein winziges Stück "Bolero" mit Percussion ...
Demnächst werde ich ihn erleben, allerdings als Dirigent des Münchner Rundfunkorchesters ...

Michelangelo ... Mona Lisa ... Die Sixtinische Kapelle ...

Musik ist eine Ausnahme ... Deshalb wird jeder Musiker zu einem einzigartigen und nicht wiederholbaren Mitautor der Musik ... wir haben einen Zyklus einzigartiger Interpretationen ... DAS ist die Perfektion, der Grund, warum ich Musik und Akkordeon liebe. Perfektion in Form einer Unvollkommenheit.... Ich denke, dies gilt auch für die Schumanns Träumerei.

was aber ist mit all dem Geräusch, das diesem elitären Anspruch nicht genügt, den Anspruch auch gar nicht erhebt? Verdient das dann nicht die Bezeichnung Musik? Möchte gar nicht wissen, was ich dann mache (Spaß )
Dieser Anspruch ist schon bei Musikern/Musikanten/Gauklern nicht vorauszusetzen, beim Publikum schon gleich gar nicht ...

Ob Begeisterung mit der Träumerei bei mir möglich ist? Weiß ich nicht.

Die "Träumerei" hat halt schon durch ihren Titel das Schicksal, das auch andere Werke haben aufgrund ihres meist (nachträglich angebrachten) außermusikalischen Etiketts. Mit "Mondscheinsonate" assoziiert man eben mehr als mit "Sonata quasi una Fantasia" oder nur "Klaviersonate Nr. 14 in cis-Moll, op. 27 Nr. 2". "Morgenstimmung", "Clair de lune", "Hummelflug", "Der Schwan", "Für Elise" regen halt auch bei Menschen ohne großen musikalischen Hintergrund die Fantasie an. Zudem diese Stücke in der Regel ja auch eingängig sind.

So gesehen ist es vielleicht auch kein Zufall, dass die Diskussion sich an der "Träumerei" entzündet hat ...

edit: dann gibt's ja auch noch die Programmmusik, die darauf abzielt, Bilder zu erschaffen. Liszts und Strauss' sinfonische Dichtungen, Zauberlehrling, Moldau usw.

interessanter thread, od'r?