Sorry, Innovation ist was anderes.
Beim Odyssey ging es nie auch nur einen Deut um Innovation. Das ist eine absolut puristische Replik eines vollanalogen, 100% spannungsgesteuerten, diskret aufgebauten Synthesizers, der 1971 auf den Markt kam und heutzutage auf dem Gebrauchtmarkt teurer wird als ein Minimoog Model D. Die einzigen Zugeständnisse an die Moderne sind der etwas kleinere Formfaktor, die dann doch stabilere Hardware, MIDI, alle drei Filtertypen zum Wählen und mögliche Stromversorgung per USB.
Natürlich kann man es nicht denjenigen recht machen, die lieber einen dritten VCO, einen zweiten LFO, mehr VCO- und LFO-Wellenformen, Resonanz am LPF bis zur Selbstoszillation, Modulationsmöglichkeiten wie bei einem VA, volle Speicherbarkeit, achtfache Polyphonie (
statt der Duophonie, die ja keiner™ will), totale Integration in eine DAW und Knöpfe mit Moog-Kappen haben wollen (klangliche Ähnlichkeit auch nur auf dem Niveau von Creamware, Arturia oder ARIA optional).
Aber die Zielgruppe des Korgyssey sind ja auch weder Fließbandproducers noch Berufs-Livemucker, sondern die Synthesizerfreaks, die ehedem einen originale ARP Odyssey aus den 70ern haben wollten – oder auch nur einen Axxe, um jetzt festzustellen, daß ein neuer Odyssey billiger ist als ein gebrauchter Axxe. Und ich sag mal so: Der Korgyssey könnte helfen, den Druck vom Gebrauchtpreis des Original-Odyssey (zumindest des Mk III, der als einziger keine Rarität ist) zu nehmen.
Beim MS-20 war das ähnlich: Nachdem die erste Version der Legacy Collection so gut angekommen war, legte Korg den berüchtigten Post-Punk-/New-Wave-Synth der späten 70er mit seinem berechenbar unberechenbaren Alles-andere-als-Moog-Sound in echtanalog neu auf.
Viele Gebrauchtinstrumente gingen in den späten 70ern und frühen 80ern durch die Hölle, gerade weil sie so billig waren, daß man sie nicht wie rohe Eier behandeln mußte, und weil sie in Bands landeten, wo Synths nicht wie rohe Eier behandelt wurden (eher DAF als Pink Floyd), und wurden dann, als sie nicht mehr gebraucht wurden, irgendwo sorglos eingelagert. Gerade heute herrscht aber wieder ein ziemliches Interesse an dem Teil. Nun gibt's zwei Arten von gebrauchten MS-20: Die einen werden irgendwo ausgebuddelt und müssen erst restauriert werden. Die anderen haben das hinter sich und kosten entsprechend – schon mal mehr als damals neu.
Einfache Lösung: neue bauen.
Erster Versuch: Legacy Collection. Erstens war die aber rechnergebunden, zweitens damit nicht wirklich analog und auf eine Art wieder zu sauber und berechenbar, und drittens war vielen der Controller zu winzig.
Zweiter Versuch: MS-20 Mini. Echtanalog unter Verwendung exakt der gleichen Schaltkreise wie 1978 und, soweit möglich, der gleichen Bauteile. Er sollte ja ausdrücklich wieder so rotzen und quaken wie früher – wen das störte, für den gab's immer noch den Voyager. Obwohl der Mini einen Tick größer war als der LC-Controller, war er vielen immer noch zu klein.
Dritter Versuch: MS-20 in Originalgröße. Weil aber teuer, wurde vom User Eigeninitiative erwartet, wie man sie von Wersi, Shruthi, x0xb0x und TTSH kennt: Der User muß das Ding zusammenbauen. Zum Glück nur die Endmontage und nicht die Platinen bestücken oder gar selbst erst ätzen lassen, derweil der Hersteller einem nur Bauanleitung und Stückliste verkauft.
Vierter Versuch: MS-20 M. Damit das Gejammer über die zu kleine Tastatur aufhört und die Kiste spielbar wird, hat Korg kurzerhand die Tastatur ganz weggelassen. Ich wage mal zu behaupten, die meisten MS-20 werden heutzutage doch sowieso nicht per Hand auf der Tastatur gespielt, sondern von einem Sequencer angetrieben wie früher mit dem SQ-10. Gab mittlerweile eh schon genug MS-20 mit Tasten, also hat man einfach einen Schwung ohne aufgelegt.
Was nicht kommen wird: volle Speicherbarkeit (dann hätten wir etwas zwischen Buchla 200e und Mungo Enterprises State Zero – der MS-20 ist immer noch ein semimodularer Synth mit Patchbuchsen, remember?), Polyphonie (eine Neuauflage des PS-3300 wäre wahrscheinlich teurer als der Schmidt, zumindest aber teurer als jeder GRP), saubererer, fetterer Klang (wer den MS-20 kauft, will genau das ausdrücklich nicht haben).
Martman