Fassen wir doch mal die "Transistor"-Fraktion zusammen.
Es gibt meiner Meinung nach die eine oder andere "Legende", wenn es um gnadenlose Clean-Sounds geht:
Roland Jazz Chorus
https://www.thomann.de/de/roland_jc_120.htm 1000 EUR
Polytone Mini Brute
https://www.thomann.de/de/polytone_mbii_mini_brute.htm
Diese beiden Amps sind klassischerweise der Jazz-Fraktion zugeordnet, wobei durchaus so exotische Instrumente wie ein Fender Rhodes Piano durchaus durch einen Jazz Chorus geschickt werden, und am Polytone hat man neben Archtops auch mal Kontrabässe und andere Geschichten gesehen. Und meine Tests haben ergeben: Mit vernünftigen Bodentretern davor kann man damit verdammt gut rocken. Die machen nämlich kompromisslos das laut, was vorne reinkommt.
Dann gibt's Tech 21 - die machen aus vollem Herzen Transistor-Amps, die ziemlich neutral und gut klingen. Das Ziel ist da natürlich, dass die mit den entsprechenden analogen Pre-Amps oder Bodentretern aus der SansAmp-Ecke betrieben werden und dann noch besonders gut klingen. Das ergibt in Summe sehr runde Klangpakete, und gnadenlos rocken ist damit möglich.
Tech 21 Trademark 60
https://www.thomann.de/de/tech_21_trademark_60.htm 630 EUR
Von Line6 gibt's auch noch eine ganze Menge Transistor-Amps, die bewusst und nicht nur aus Kostengründen so designed wurden. Beispielsweise hebe ich mal den hier hervor:
Line6 Spider Jam
https://www.thomann.de/de/line6_spider_jam.htm 450 EUR
Während die bisher dargestellten Amps alle recht "puristisch" unterwegs waren, ist der Line6 hier ein Feuerwerk an digitalen Möglichkeiten. Der Amp kann auf dem Papier "alles", mit den üblichen Vor- und Nachteilen digitalen Modellings. Die Modelling-Schiene ist für mich aber eine andere Kategorie, die nicht zur hier geführten Grundsatzdiskussion passt.
Hier beginnt für mich eine große Amp-Welle der "faulen Kompromisse" - Zielgruppe sind die, die sich keinen Röhrenamp leisten wollen, die aber den Namen auf dem Amp stehen haben wollen. Marshalls MG-Serie ist für mich da hervorzuheben. Billig und laut steht im Vordergrund, nicht der Sound.
Unsere geliebten PCL/Raths sehe ich in einer ähnlichen Tradition wie die Tech21 - man baut solide Verstärker mit tollen Sounds (Transistor nicht als Kompromiss, sondern als bewusstes Konzept aus Gewichtsgründen UND weil man dank "Virtual Tube Technology" der Meinung ist, auf das sanfte Clipping von Röhren verzichten zu können, weil man es auch gut ohne diese hinbekommt). Rocken kann man damit, das beweisen genügend Aufnahmen und User hier. Und Jürgen Rath selbst, wenn man ihn mal auf der Bühne sieht und hört.
Und nebenbei sei natürlich erwähnt, dass B.B. King seine süßen Töne am liebsten aus einem Gibson Lab Series 5 holt - ein leider sehr schnell eingestampftes Gibson-Transistoramp-Programm. Wo er den nicht kriegen kann (weil schon lange out of stock und kaum noch zu kriegen), spielt er halt durch einen Fender Twin. Wahrscheinlich wär's ihm im Zweifelsfall auch egal, der Sound wäre auch durch einen Behringer Amp gut genug.
Zur Ausgangsfrage dieses Threads ist damit für mich absolut belegt, dass man für Rockmusik NICHT zwingend einen Röhrenamp braucht. Man braucht auch überhaupt keinen Röhrenamp - mann kann mit Transistoramps, evtl. mit zusätzlichen Bodentretern soundtechnisch "aufgewertet" (wie ja bei Röhrenamps durchaus auch üblich), verdammt gut und ernsthaft "rocken". Man braucht halt "echte Musiker-Eier" und kein Ego, das beim leichtesten Anstupsen in sich zusammenfällt wie ein zu früh aus dem Herd geholter Hefekuchen. Wenn man das Publikum rockt, ist es egal, wer die längsten Röhren im Amp hat - und mit einem kleinen Furztransistor ein großes 100-Watt-Stack soundtechnisch von der Bühne zu blasen, ist durchaus eine leicht hämische Freude.
Nein, ich bin kein Transistor-Purist... aber mit meinem PCL Stagemaster 60 und zusätzlichem Tech21 Blonde Pedal habe ich ziemlich genau die Sounds, die ich brauche - und kann das alles selbst und ohne Würgen auch längere Strecken selbst tragen (ein nicht ganz unwichtiger Faktor bei aktiven Musikern). Mein beiden Traum-Amp hingegen, den ich auf der Liste habe und mir sicher "irgendwann" mal zulegen werde, ist der Mesa Boogie Lonestar Special (
https://www.thomann.de/de/mesa_boogie_lone_star_special_2x12_gitarrencombo.htm) - aber 2750 EUR sind kein Pappenstiel und mir deutlich zu viel für so ein Hobby. Klar, ich würde bei Gigs auch gerne einen Fender Twin Reverb nehmen - aber nur, wenn das Teil gestellt wird, ich schleppe sowas doch nicht hin und her und auf Bühnen rauf und runter...
Also: "Case Closed", man kann mit Transistoramps geil rocken. Und zwar genau so gut oder schlecht, wie man das mit Röhrenamps kann.