Programm für tonale Analyse?

  • Ersteller Unkraut
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Ich wollte den Satz streichen, weil mir einfiel, dass Riemann den vorhergehenden Akkord vielleicht doch als umgedeutetes Bindeglied gedeutet hätte. Ich bin mir da nicht sicher, finde es aber für die Diskussion auch nicht wichtig.

Wenn ich in den nächsten Tagen Zeit habe, nehme ich mir mal deine Akkordfolge vor.
Gruß
 
Nehmen wir mal die Akkordfolge C|G7|C|F#|G|D7|G7|C

Um die tonale Analyse besser nachvollziehen und in Zukunft selbst durchführen zu können, druckst du dir am besten die Tabelle der tonartlichen Töne unter www.tonalemusik.de/lexikon/harmonik.htm#Verwandtschaft aus und legst sie neben dich. Am besten auch noch die kurze Zusammenfassung der Prinzipien der Modulation im Abschnitt darunter.

Die Akkorde deines Beispiels der Reihe nach:

C (c-e-g): Der Akkord ist tonal indifferent, weil er in verschiedenen Tonarten vorkommen kann.

G7 (g-h-d-f): Die Töne c-e-g-h-d-f können nur in C-Dur vorkommen. Damit ist C-Dur etabliert.

C (c-e-g): Die Dissonanz aus Dominante und subdominantischem Grundton wird in die Tonika aufgelöst. Die Tonart wird nicht verlassen.

F# (fis-ais-cis): Die Tonart C-Dur wird verlassen. Ursache sind drei Töne, die nicht in diese Tonart gehören. Das harmonisch erfahrene, in Tonarten eingehörte Ohr ist bereit, diese neuen Töne als Vertreter einer Tonart aufzunehmen. Es unterstellt dabei erstens, dass diese drei Töne in einer neuen Tonart vorkommen; zweitens, dass möglichst alle weiteren Töne mit der bisherigen Tonart übereinstimmen. Wenn es schon nicht mehr die alte Tonart sein soll, dann ist noch lange nicht die Tonalität als solche verloren gegangen. Das Ohr ist empfänglich erstens für die innere Harmonie einer neuen Tonart und zweitens für ein harmonisches Außenverhältnis zwischen den einander ablösenden Tonarten. F# kann vorkommen in den Tonarten Cis-Dur, Fis-Dur, H-Dur, b-Moll und h-Moll. Die harmonische Nähe (Verwandtschaft) der neuen zur alten Tonart ist bestimmt durch die unterschiedliche Anzahl gemeinsamer Töne. Es sind dies der Reihe nach 2, 2, 3, 3, 4 Töne. Für das harmonisch sensibilisierte Ohr hat h-Moll gewonnen, weil es 4 gemeinsame Töne mit C-Dur hat. Es hat die Töne h-cis-d-e-fis-g-ais. In dieser Form "bezieht" das Ohr F# auf C-Dur: nach dem Gesetz der maximalen Übereinstimmung der tonartlichen Töne. Man kann diesen Zusammenhang auch mathematisch ausdrücken und ein Programm schreiben, das die Tonart an jeder Stelle anzeigt. Die Frage nach so einem Programm war ja der Ausgangspunkt der hier geführten Debatte (die eigentlich in den Themenbereich Harmonielehre gehört). In den achtziger Jahren habe ich so ein Programm geschrieben, das aber auf keinem heutigen Rechner mehr lauffähig ist. Ich arbeite also wieder mit Bleistift und Papier, wie vor Beginn meiner damaligen Programmierung. Wenn ich mich dabei nicht verrechne, ist das Ergebnis immer gleich. Und hier heißt das Ergebnis: F# steht in h-Moll. Damit ist auch klar, dass F# eine Dominante ist. Die Probe aufs Exempel wäre eine nachfolgende Tonika h-d-fis (oder fis-h-d, aber melodische Rücksichten bezüglich der Stimmführung haben in der Harmonielehre nichts zu suchen).

G (g-h-d): Diese Töne kommen in h-Moll vor. Die Tonart h-Moll wird also nicht verlassen. Da der Akkord für sich genommen wie eine Konsonanz klingt, im tonalen Zusammenhang aber eine Dissonanz ist, nämlich ein Zusammenklang aus den tonischen Tönen h-d und dem subdominantischen g (aus e-g-h), ist er eine Scheinkonsonanz. (Ich definiere diesen Begriff anders als Riemann, siehe www.tonalemusik.de/lexikon/harmonik.htm#Scheinkonsonanz ). Da die direkte Auflösung nach h-d-fis an dieser Stelle wegen der vorangehenden subdominantischen Färbung der Scheinkonsonanz plagal wirkt, bevorzugt man eine authentische Auflösung, die über die Dominante vermittelt wird. Also: fis-ais-cis | h-d-fis.

D7 (d-fis-a-c): Es tauchen zwei neue Töne auf: a und c. Die neue Tonart wird ermittelt wie immer: nach dem Gesetz der maximalen Übereinstimmung. Die neue Tonart ist also G-Dur, das 5 gemeinsame Töne mit h-Moll hat. Der Übergang nach G-Dur ist also weniger schroff als der zwischen h-Moll und C-Dur. D7 ist der Zusammenklang aus Dominante und dem subdominantischen Grundton. Die Auflösung wäre g-h-d. Der Akkord vor dem D7 ist jedoch keine Auflösung. Auch keine Tonika. Der Hörer hört einen Klang nicht zweimal in verschiedener Tonart. Die Grenze zwischen zwei Tonarten verläuft zwischen zwei Harmonien, nicht innerhalb einer Harmonie. Der Hörer ordnet den gehörten Klang in die nächste passende Tonart ein. Diesen Vorgang, der in der Wahrnehmung blitzschnell abläuft, kann man rein logisch in drei Schritte auseinander legen: Der Hörer nimmt den modulierenden Klang nach Möglichkeit als Bestandteil einer Tonart wahr. Er ‚bezieht' die somit in Betracht kommende Tonart insgesamt - als harmonische Struktur - auf die vorangegangene Tonart, und zwar nach dem Prinzip der maximalen Übereinstimmung. Sobald er die Tonart registriert hat, ‚bezieht' er den gehörten Klang auf die neue Tonika, nimmt also seinen harmonischen Charakter als Konsonanz oder Dissonanz wahr. Das Ohr kriegt also den Zeitpunkt mit, zu dem die Tonart wechselt, und es merkt den Wechsel um so doller, je mehr fremde Töne auf das Ohr abgeschossen werden. Zugleich sucht es nach harmonischer Nähe, unterstellt also die größtmögliche Übereinstimmung zwischen den aufeinanderfolgenden Tonarten.

G7 (g-h-d-f): Es tritt 1 neuer Ton auf: das f. Noch bevor die vorangehende Dissonanz aufgelöst ist, geschieht ein Übergang, der dem Ohr sejr leicht fällt: 6 gemeinsame Töne, eine schon für ganz junge Ohren leichte Übung. Die Tonart ist jetzt C-Dur, und die Dissonanz ist wieder dominantisch-subdominantisch.

C (c-e-g): Keine Änderung der Tonart. Auflösung der vorhergehenden Dissonanz in die Tonika von C-Dur.

Soweit die Analyse, reichlich kommentiert, um die dahinterstehende Theorie zumindest ansatzweise deutlich zu machen. Inzwischen solltest du solche Analysen schon selbst machen können. Das Ergebnis der Analyse ist immer gleich. Und es ist akustisch überprüfbar. Die Regeln der Analyse sind aus dem Begriff der Modulation ableitbar.

Ich sehe das als Ausweichung, du als Tonartwechsel.

Der Begriff Ausweichung ist ein Unsinn. Riemann führte ihn so ein, dass er sagte, eine andere Tonart werde vorübergehend "berührt". Das sind zwei Relativierungen des Tonartwechsels: Erstens nur "berührt", also gar nicht so ganz präsent, ein halber Wechsel also, zweitens nicht lange genug. Das sind Vorurteile, die völlig haltlos sind. Es ist die absurde Vorstellung von einem Tonartwechsel, der keiner ist. Zwei Sachen mögen diese Vorstellung veranlasst haben: Erstens die Verwechslung der notierten mit der harmonisch realen Tonart. Eine einheitliche Vorzeichnung erleichtert das Lesen eines Stückes, war aber nie so gemeint, dass in dem Stück die Tonart nicht wechseln kann. Zweitens die harmonische Interpretation der Tatsache, dass viele Stücke in der gleichen Tonart anfangen und enden. Das hat kompositorische, nicht harmonische Gründe: Die Strophen eines Lieds lassen sich so besser aneinander anschließen. Ähnliches gilt für die Teile einer Komposition.

Wenn es für dich den Begriff der Doppeldominante gar nicht gibt, hat das F# ja gar keinen Bezug zum C.
Würdest du diese Akkordverbindung also eher als freitonal sehen?

Der Begriff Doppeldominante unterstellt einen ‚Bezug', der so nicht existiert. Der betreffende Akkord wechselt in eine neue Tonart und ist da zum Beispiel Dominante. Der Begriff Dominante resultiert aus einem Wechselverhältnis zu Tonika und Subdominante. Und das kann nicht verdoppelt werden. Die nächst höhere Ebene einer harmonischen Konstellation ist die Tonart, nicht ein Bezug über mehrere Quinten hinweg zu einer Tonika. Der wirkliche Bezug, den die Töne haben, existiert für das Ohr in drei Ebenen:

  • Sie harmonieren unmittelbar mit den anderen Tönen eines Grundklanges zu dem sie gehören.
  • Sie harmonieren als Ton ihres Grundklangs mit den Tönen anderer Grundklänge der Tonart.
  • Sie harmonieren als Ton ihrer Tonart mit den Tönen anderer Tonarten.
Diese Beziehungen der Töne sind verschiedene harmonische Beziehungen, enthalten also jeweils verschiedene Kriterien des Zusammenpassens. Die Beziehungen der Töne sind also weder so abstrakt noch so eindimensional, wie du dir das vorstellst.

Dass es "keinen Bezug" zur vorherigen Tonart (und deren tonischen Grundton) gäbe, kannst du meiner Darstellung eigentlich nicht entnehmen. Die Bestimmungen, mit denen ich die Beziehung zwischen den Tonarten charakterisiere, enthalten eine harmonische Bezugnahme auf die vorangehende Tonart:

Würde dem F# die Tonart As-Dur vorangehen, dann würde der F# die Tonart Des-Dur in Kraft setzen und wäre darin die Subdominante. Man würde F# dann eher als Gb bezeichnen. Aber die Bezeichnung der Töne hat keinen Einfluss auf ihre harmonische Identität. So wie auch die Bestimmung eines Wortes als Substantiv nicht davon abhängt, ob es in irgendeiner Sprache groß geschrieben wird. Aber du siehst: In welche Tonart ein Klang hineinmoduliert, das hängt davon ab, welche Tonart vorausgeht. Und genau in dieser Abhängigkeit von der vorausgehenden Tonart macht sich die harmonische Beziehung geltend, von der ich rede und von der du immerzu nichts wissen willst: Das Ohr vergleicht die Töne der verschiedenen Tonarten und sucht nach Übereinstimmung.

Für mich ist F# im Moment, wo es auftacht, ohne C-Dur-Bezug.

Auch das ist also nicht richtig. Nur atonale Klänge (die in keiner Tonart vorkommen können) haben keinen Bezug zu einer vorhergehenden Tonart. Wenn die Töne aus der alten Tonart herausfallen, gehören sie zu einer Tonart, die immer mehr oder weniger Töne mit der alten gemeinsam haben muss, wie sich leicht nachrechnen lässt. Das ist die Beziehung, um die es bei der Modulation geht: Es handelt sich um ein Harmonieren der Tonarten, das in der Modulation realisiert wird. So ist also auch das, was als Rückung bezeichnet wird und angeblich keine Modulation sein soll, ein Übergang zu einer Tonart, die mit der vorhergehenden harmoniert.

Dadurch, daß F# keine C-Dur-Töne enthält, ist er sehr spannungsreich (auflösungsbedürfig).

Es ist richtig, dass F# keine C-Dur-Töne enthält - das soll hier einmal festgehalten werden, weil es ja auch gegenteilige Auffassungen gibt. Was du als spannungsreich empfindest, ist allerdings die Wirkung der schroffen harmonischen Differenz zwischen C-Dur und h-Moll, wohin der F# moduliert. Auflösungsbedürftig ist F#, der ja in h-Moll die Dominante und daher eine Konsonanz ist, nur durch seine harmonische Stellung in h-Moll, das heißt durch sein Verhältnis zu einer zwar nicht hörbaren, aber für die Tonart mitverantwortlichen und daher im tonalen Empfinden maßgeblichen Subdominante.

Sobald G erklingt wirkt die chromatische Verschiebung wie die Auflösung.

Deine Formulierung "wirkt ... wie die Auflösung" räumt ein, dass es keine Auflösung ist. Es ist eine Scheinkonsonanz. Die Wirkung geht allerdings von der äußerlichen Baugleichheit mit einer Konsonanz aus und nicht von der chromatischen Verschiebung. Diese Verschiebung ist sowieso nur auf der melodischen Ebene der Stimmführung festzustellen. Auf der harmonischen Ebene ist es dagegen völlig gleichgültig, wenn die Stimmen springen.

So weit so gut. Inzwischen müsstet ihr die tonale Analyse im Schlaf beherrschen...
 
@Franz Sauter

Ich konnte deiner Analyse folgen. Betrachtet man ausschließlich die aufeinanderfolgenden Harmonien, ist Hm wirklich die stimmigste fortführung nach dem F#, und das G wäre ein Kadenzakkord, der noch aufgelöst werden will. Jedoch habe ich Schwierigkeiten, das G ohne vorheriges Hm als Kadenzakkord zu hören.

Meiner Meinung nach haben auch Melodie oder Rhythmus bei der harmonischen Analyse Einfluß auf das Ergebnis. Sie enthalten manchmal entscheidende Hinweise, wie ein Akkord einzuordnen ist, bzw. beeinflussen, wie ein Akkord gehört wird.

Ich habe mit kleinershredders Akkordfolge ein wenig rumgespielt. Die Analyse sollte ja auch klanglich nachvollziehbar sein. Bei der folgenden Erklärung beziehe ich mich daher auf das erste Midifile im Anhang.

Grundsätzliches: Musik lebt von Gegensätzen: Leicht/Schwer - Spannung/Entspannung - Kadenzakkord/Tonikaakkord.

Jetzt erst einmal meine gefühlsmäßige Einordnung der Akkorde:

Code:
Akkord   Leicht   Tonika
         /Schwer  /Kadenz
          
C        S        T
G7       L        K (Dominante)
C        S        T
F#       L        K 
G        S        T (neue Tonart G)
D7       L        K (Dominante bestätigt G-Dur)
G7       S-L      T-K

F# wirkt an dieser Stelle erst einmal leicht (wie Luftholen...), genauso wie auch das G7 vorher. Das nachfolgende G fällt auf einem schweren Takt (oder Taktteil). Entsprechend stabil wirkt der Akkord auf mich (Tonikaakkord). Dieser "Schwer/Leicht"-Rhythmus läßt sich so bis zum Ende durchziehen.

Beim letzten G7 habe ich aus rhythmischen Gründen gemogelt. Durch das Verlängern des Akkordes und das Nachschlagen der eigentlichen Akkordtöne nach dem Baßton ergibt auch beim G7 dieses Schwer/Leicht-Verhältnis. Das auflösende C ist gleichzeitig auch der Beginn des nächsten Durchlaufes der Akkordfolge.


Die genaue Einordnung von F# fällt mir in dem Zusammenhang schwer. Die offensichtlichste Wirkung ist für mich die chromatische Verschiebung F# zum G.
Man könnte evetuell F# noch als Ersatz für D7/F# auffassen wegen der ähnlichen kadenziellen Wirkung und der identischen Baßführung.

Gruß


EDIT: Wenn ich die Verbindung F# G mit Quintbaß spiele (das 2. Midifile), wird der Wechsel nach G-Dur noch deutlicher. Die chromatische Linie c c# d erzeugt einen engeren Zusammenhalt zwischen den drei Akkorden C F# G.

F#/C# hat jetzt eine Ähnliche Wirkung wie A7/C# bzw. C#°.
 

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Ich konnte deiner Analyse folgen. Betrachtet man ausschließlich die aufeinanderfolgenden Harmonien, ist Hm wirklich die stimmigste fortführung nach dem F#, und das G wäre ein Kadenzakkord, der noch aufgelöst werden will. Jedoch habe ich Schwierigkeiten, das G ohne vorheriges Hm als Kadenzakkord zu hören.

Meiner Meinung nach haben auch Melodie oder Rhythmus bei der harmonischen Analyse Einfluß auf das Ergebnis. Sie enthalten manchmal entscheidende Hinweise, wie ein Akkord einzuordnen ist, bzw. beeinflussen, wie ein Akkord gehört wird.

Ich habe mit kleinershredders Akkordfolge ein wenig rumgespielt. Die Analyse sollte ja auch klanglich nachvollziehbar sein. Bei der folgenden Erklärung beziehe ich mich daher auf das erste Midifile im Anhang.

Bei meiner Analyse war es wichtig, dass "man ausschließlich die aufeinanderfolgenden Harmonien" betrachtet. Sie sollte nämlich die allgemeine Gültigkeit eines harmonischen Gesetzes der Modulation demonstrieren. Dafür braucht man geeignete Beispiele.

Ich will dir das kurz erläutern: In der wirklichen Musik existieren Harmonie, Rhythmus und Melodie in Einheit. Die Analyse der musikalischen Gesetze muss diese Bestimmungen auseinandernehmen und unterscheiden, um ihren Zusammenhang herausfinden zu können. Man muss also das Harmonische getrennt vom Melodischen und Rhythmischen betrachten, um über die betreffenden Gesetze etwas herauszufinden. Danach hat man kein Problem mehr, die Wirkung der erkannten Gesetze zu bemerken und von der Wirkung anderer Gesetze zu unterscheiden, wenn man reale Musik vor sich hat.

Beispiele zur Demonstration harmonischer Gesetze müssen so beschaffen sein, dass die Beobachtung der Harmonien nicht durch melodische und rhythmische Vorstellungen gestört werden. Dazu muss man eine harmonische Abfolge pur vor sich haben: Eine langsame und gleichmäßige Abfolge, die Zeit lässt, um auch komplizierte harmonische Übergänge erstens auf sich wirken zu lassen und zweitens in ihrer Wirkung zu beobachten. Dass du "rumspielen" willst, dabei mit Bassläufen, rhythmischen Schwerpunktsetzungen und Taktgruppen arbeitest, ist für die Versuchsanordnung störend. Selbst die Schnelligkeit, in der du die Harmoniefolge im midifile spielst, ist für die Beobachtung harmonischer Gesetze ungeeignet, da sie in Grenzbereiche vorstößt, in der die Wahrnehmung schwieriger Übergänge nicht mehr gewährleistet ist. Es ist im Grunde wie überall in der Wissenschaft: Wenn du die Fallgesetze untersuchen willst, solltest du keine Gegenstände fallen lassen, die vom Wind weggetragen werden können...

Meine Behauptung ist also, dass in genügend langsam vorgetragenen, einfachen Harmoniefolgen gezeigt werden kann, wie Tonarten aufeinanderfolgen. Die aufgrund theoretischer Überlegungen prognostizierten harmonischen Auflösungen können akustisch nachvollzogen und als Auflösungen erkannt werden. Umgekehrt wird durch die Versuche mit unterschiedlichen Harmoniefolgen überhaupt erst deutlich, was Tonart und Auflösung in diesem Zusammenhang meint. Wenn dies aber begriffen ist, erfolgt eine fundierte und kontrollierte Beobachtung der eigenen Empfindungen.

Ich habe mit kleinershredders Akkordfolge ein wenig rumgespielt. Die Analyse sollte ja auch klanglich nachvollziehbar sein.

Meine Ausführungen sollten dir deutlich machen, dass du die Bedingungen für die Nachvollziehbarkeit der tonalen Analyse ungünstig manipuliert hast.

Jedoch habe ich Schwierigkeiten, das G ohne vorheriges Hm als Kadenzakkord zu hören.

Was man als Kadenzakkord hört, das hängt davon ab, welche Vorstellung von einem Kadenzakkord man hat. Ich selbst habe diesen Begriff ja nicht gebraucht. Meine Aussage war, dass nach der Modulation nach h-Moll infolge des F# der Klang G eine Scheinkonsonanz in h-Moll ist. Ich habe auch Angaben gemacht, wie dies zu überprüfen ist: authentische Auflösung mit fis-ais-cis | h-d-fis. Falls dir der von mir verwendete Begriff der Scheinkonsonanz nicht klar ist, kannst du den Angaben folgen, die ich zur Begriffsbestimmung gemacht habe.

Wenn man beurteilen will, ob man eine bestimmte Stelle als Scheinkonsonanz, Scheinauflösung, Dissonanz usw. hört, muss man erstens wissen, was mit diesen Begriffen gemeint ist. Zweitens muss man andere Beispiele für diese Begriffe gehört haben, um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie sowas klingt. Dann kann man sich hinstellen und sagen, man könne eine Scheinkonsonanz hören.

Meine Erläuterung der tonalen Analyse erhebt den Anspruch, von jedermann nachvollzogen werden zu können. Die Beispiele sind beliebig, das dargestellte Gesetz gilt immer. Bei der Formulierung des Gesetzes und bei der Darstellung der Beispiele werden Begriffe verwendet, deren Verständnis für die Nachvollziebarkeit unverzichtbar sind. Verwechselt man diese Begriffe mit anderen, bleiben meine Behauptungen unverstanden.

Deshalb noch mal die Behauptungen, auf die es mir ankommt:

1. Jede Tonart hat einen charakteristischen Tonbestand aus sieben Tönen.
2. Die Tonart wird gewechselt, wenn Töne auftreten, die nicht in den alten Tonbestand gehören.
3. Die neue Tonart enthält den modulierenden Klang und ansonsten möglichst viele Töne, die auch in der alten Tonart vorhanden waren.

Dies ist ein Gesetz. Es gilt immer. Es lässt sich also beliebig demonstrieren. Damit sind aber auch alle gegenteiligen Vorstellungen widerlegt.

Wären wir uns in dieser Sache einig, dann wäre relativ schnell geklärt, ob es so ein Prinzip wie dein S L S L S... und T K T K T... überhaupt gibt oder ob das pure Einbildung ist.

Gruß
 
Jetzt widersprichst du dir aber selbst.
Erst ist alles eine Einheit, und dann soll man die Harmonie losgelöst betrachten?
Wir reden hier von realer Musik. Eine Theorie sollte da sein um die Realität zu beschreiben, hast du gesagt. Es gibt aber viel Musik die nicht nur auf purer Harmonik basiert.
Wie soll er die Musik denn ungünstig manipulieren? Entweder du kannst auch diese Musik noch plausibel erklären, oder deine Theorie ist nur für einen kleinen Teil der Musik zu gebrauchen, nämlich den, der sich nur auf die Harmonik beschränkt.

Und eben das ist es Ja warum z.B. Riemanns Wechselnoten so toll sind. Hierbei kann man eben ein Stück noch analysieren, ohne dass die Melodik einem einen Strich durch die Rechnung macht.
 
Lieber kleinershredder,

es ist kein Widerspruch, wenn Wissenschaftler Dinge auseinandernehmen, die in der Realität so getrennt nie vorkommen. Naturwissenschaftler tun das dauernd, wenn sie Phänomene für sich betrachten wollen. Im Labor geben sie sich viel Mühe, störende Einflüsse fernzuhalten.

Ich merke aber, dass es für mich jetzt Zeit wird, diesen Chaos-Club wieder zu verlassen. Denn ich habe nicht vor, mir nach jedem Beispiel, das ich erklärt habe, das nächste Beispiel mit der Behauptung servieren zu lassen, das könnte ich aber nicht erklären. Dieser Zirkus lässt sich unendlich fortsetzen.

Wenn du wirklich wissen willst, wie die Einheit von Harmonie, Rhythmus und Melodie in der Musik existiert, wie diese Sachen also in der Realität zusammenhängen, dann empfehle ich dir das Buch „Die tonale Musik“. Du findest es hier: www.tonalemusik.de

Ansonsten bleibe eben bei Riemanns Wechselnoten. Für deine Zwecke reicht das völlig.

Gruß
 
Moin,

also jetzt hab ich mir die Mühe gemacht alles zu lesen, dann will ich auch was dazu sagen.

Mir kam das in weiten Strecken wie eine Diskussion vor, ob die Kuh jetzt Frida oder Elsa heißen soll weil sie braune oder weise Flecken hat.

Bei all der Diskussion wird dann vergessen, dass zuerst die Musik(er) da war(en) und dann erst die Leute die versuchten Musikalische Wahrnehmung zu erklären.

Als der Neapolitaner zum ersten mal erklungen ist hieß er garantiert noch nicht so.

Die Theorie versucht real existierende Phänomene zu erklären und sie reproduzierbar! zu machen.
Verschiedene kulturelle Gruppen haben oft auch verschiedene Bezeichnungen für die im Grunde gleiche Sache.
Z.B. Neapolitaner und Tritonussubstitution

Zur Sache:

Natürlich habe ich bei der Verwendung jeglicher leiterfremder Töne andere Tonarten zugrunde gelegt. Das ist gar keine Frage.
Aber ich kann mir schließlich auch einen Hammer vom Werkzeugsatz des Nachbarn borgen und damit mal kurz arbeiten ohne gleich das komplette Werkzeug zu tauschen.

Das macht doch Sinn! Ob ich den jetzt Reibeton, Ausweichung oder sonst wie nenne!

Erst, wenn ich den Hammer nicht wieder zurückgebe oder gegen eines meiner Werkzeuge eintausche verändert sich auch mein eigener Werkzeugsatz. (Modulation)

Und so wie es für den Handwerker wichtig ist seine Werkzeuge zu kennen, (und wo er sich vielleicht welche ausleihen kann), ist es für den Musiker wichtig zu wissen in welcher "Generaltonart" er sich befindet.

Ein Streicher wird zum Beispiel das h in der Dominanten G-Dur als Leitton zum C
immer etwas höher ansetzen als das h als Terz in T oder SD.

Wobei wir bei den Unzulänglichkeiten der temperierten Stimmung wären. Aber das ist ein anderes Thema.

Gruß

Wolfgang
 

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