Mix 4 ... Maria Anzbach!
Anfang August war ich auf Einladung eines geschätzten Forenkollegen für einen Gig seiner Band in Maria Anzbach nahe Wien. Navi und Routenplaner sagen, das sind von München aus geschmeidige vier Stunden Fahrzeit, ich rechne fünf und fahre schlussendlich sechs. Ich sage nur Urlaubsverkehr, Autofahrt bei Regen und das Verhalten von Individuen in der Masse ... Für das langsame Vorankommen werde ich aufs unterhaltsamste entschädigt durch die Ausstrahlung von Ausschnitten eines Livekonzertes von Ella Fitzgerald (1961 in der Deutschlandhalle in Berlin) - der Hammer, wie das rockt! Obwohl's ja Jazz ist ...
Als klar wird, dass ich mich verspäte, klären wir - also mein Auftraggeber und ich - Kanalbelegung und Subgruppenaufteilung für das Mischpult per Handy. Es lebe die moderne Technik! Als ich ankomme, ist alles fertig aufgestellt und nach meinen Vorstellungen verkabelt. Was für ein Service!
Worum geht es heute? Zeltgig einer fünfköpfigen Coverband. Der Kampf soll über vier Runden gehen
Sprich vier Sets von jeweils einer knappen Stunde. Das Zelt ist von der mittelgroßen Sorte, etwa 10*25 Meter mit seitlich angebauter Essensausgabe. An einer der schmalen Seiten steht die Bühne, ca. 4*6 oder 5*8 Meter groß. Das Mischpult ist auf der gegenüberliegenden Seite, mehr oder weniger direkt vor der Zeltwand. Nicht optimal, aber um es weiter ins Publikum zu stellen, ist das Zelt zu klein und der Mischerplatz zu groß.
Mein Spielplatz für heute - Verzeihung, natürlich Arbeitsplatz - ist eine hübsche klassische Analogkonsole, eine Yamaha GA32/12. Im Siderack befindet sich eher günstiges Material, aber durch die Bank brauchbar: Ein recht betagtes Multieffektgerät von ART, das auf einem Kanal Hall und auf dem anderen ein Delay erzeugt, zwei zweikanalige Röhren-PreAmps und Kompressoren von Behringer (genau, wer von Euch ohne "B" ist werfe den ersten Notenschlüssel), und ansonsten ein paar Gates und Kompressoren, die ich aber nicht einsetze. Die EQs sind der Alesis in der Summe und zwei dbx231 für die Monitore. Nicht Hi-End, aber für Live-Zwecke vollkommen ausreichend.
Rechts und links der Bühne stehen je zwei Peavey HiSys-4 - ich hätte sie ja gerne als Quasi-D'Appolito-System Kopf an Kopf übereinander gestellt, aber das gibt die Höhe des Zeltes nicht her, wenn die Hochtöner über Kopfhöhe des Publikums stehen sollen. Also stehen sie nebeneinander. Befeuert werden sie durch zwei gebrückte Peavey CS 800, die legendär-unverwüstlichen Arbeitspferde, also je eine pro Bühnenseite. Die DDT-Limiter beruhigen mich irgendwie. Ausserdem ist Peavey ein Synonym für "unverwüstlich".
Bei den Mikrofonen sah es aus wie folgt: Ein Mikrofonset von AKG an den Drums - klar: ist ja auch eine österreichische Firma, da MUSS das quasi so sein
- mit AKG D40 an Snare und Toms und zwei C-1000 als Overhead. Aus Gründen, die ich später noch erläutern werde, tauschte ich das D-112 an der Bassdrum gegen mein Sennheiser e902, dann war alles klar in diesem Bereich - mikrofoniert wurden BD, Snare, HiHat, ein Hängetom, ein Standtom, stereo Overheads und nochmal extra das Ride-Becken, quasi "underhead" abgenommen. Interessant, aber äusserst nützlich, wie ich im Verlauf des Konzertes merke. Wieder eine neue Inspiration, man sollte öfters mal Bands mischen, bei denen eins der Mitglieder auch Tontechniker ist!
Statt die Drums zu gaten, nehmen wir uns die Zeit, sie zu stimmen und zu dämpfen, bis sie abgenommen optimal klingen. Und das tun sie dann auch. Die Toms und die Snare knallen schön rein, ohne es zu übertreiben. Nur die BD will mir mit dem AKG D-112 nicht gelingen. Ich vermute, der Grund liegt darin, dass Mikro und PA ungefähr dieselbe Klangcharakteristik haben - keinen echten Tiefbass, dafür aber wahnsinnig viel Schub im Kickbassbereich. Und das ist in der Summe zuviel. Ich tausche das D-112 gegen das e902, welches anders "gesoundet" ist - weniger Kickbass, aber deutlich mehr Schub im Tiefbassbereich, und in DER Kombination klingt die Bassdrum dann auf Anhieb gut über die PA. Um das klar zu stellen: Das hat nichts mit Qualität zu tun, sondern nur mit einer gewissen Charakteristik.
Der Rest geht recht konventionell zu, der Bass geht über die eingebaute DI-Box eines Röhrenpreamps direkt ins Pult, der kleine Ampeg-Combo ist nur für das Monitoring auf der Bühne zuständig. Die beiden Marshall-Combos der Gitarristen werden mit meinen beiden Sennheiser e906 abgenommen und klingen ohne große Schrauberei am EQ gut. Das Keyboard geht per DI-Box direkt ins Pult. Hätte ich geahnt, dass die Sounds in der Lautstärke recht unterschiedlich sind, hätte ich einen Kompressor auf den Kanal gelegt, aber während des Soundchecks fiel das nicht auf. Also spiele ich menschlicher Kompressor und passe bei jedem dritten Song den Pegel des Keyboards an.
Bei den Gesangsmikros dann wieder alte Bekannte, für den Leadgesang ein Shure SM 58, für den Background ein Shure SM 48 und ein NoName sowie ein AKG D-880 für die Ansagen vom Drummer.
Die drei Gesangsmikros laufen über jeweils einen Kanal der Behringer-Röhrenpreamps, dann ins Pult und per Insert-Kabel durch einen Kompressorkanal, wobei die Gesangskompressoren alle recht dezent eingestellt sind. Nur den Bass komprimiere ich stellenweise recht heftig. Passt gut zu dem Coverrock der etwas härteren Gangart, und mir persönlich gefällt's.
Wir haben vier Monitorwege, zwei aktive JBL EON und zwei aktive T-Box MA1520 MK II. Hat während des Gigs auch gut geklappt, keine störenden Rückkopplungen, nur ein paar Aufschwinger im mittleren Frequenzbereich. Bemerkenswert ist daran eigentlich nur, dass wir es während des Soundchecks anfangs nicht geschafft haben, die Sängerin feedbackfrei auf ihrem Monitor hörbar zu machen. Auch mit etwas EQ-ing nicht, die Feedbacks auf den verschiedenen Frequenzen lagen pegelmäßig so nah beieinander, dass nach Elimination des einen Feedbacks mehr oder weniger sofort das nächste bei einer anderen Frequenz hörbar wurde. Normalerweise eliminiert man ein Feedback auf einer bestimmten Frequenz und darf dann den Monitor mindestens ein dB lauter machen (bei gutem Material und erträglicher Akustik auch drei oder vier dB), bevor das nächste Feedback bei einer anderen Frequenz auftritt. Nicht so hier. Feep, kill. Minimal lauter stellen. Mööp, kill. Und immer so weiter. Wahrscheinlich hätte ich schlussendlich alle Bänder von 500 Hz bis 5 kHz runtergezogen - und da kann man auch gleich die ganze Box leiser machen.
Schlussendlich wurde die T-Box gegen eine JBL EON ausgetauscht, und ab ging die Luzi. Keine Probleme mehr. Der T-Box-Monitor wurde dann zum Drummer gestellt, der mit dem Sound durchaus zufrieden war. Es wäre interessant, mal ein Wasserfalldiagramm der beiden Boxen zu sehen, möglicherweise hat die T-Box Resonanzen in einem (breiten) Bereich, in dem auch das SM 58 der Sängerin feedbackanfälliger ist. Oder die Zeltakustik tat ihr übriges dazu oder eine Kombination aus diesen Faktoren. Aber genug der Spekulationen zum Thema Ursachenforschung, das hier ist schliesslich angewandte Akustik mit einem Schuss von rein empirischer Forschungsarbeit, und mit der JBL EON klappte schliesslich alles einwandfrei.
Eine Sache hat uns in puncto Monitorsound recht gute Ergebnisse ermöglicht - alle Combos waren am seitlichen Bühnenrand platziert und wurden so gepegelt, dass Drummer, Basser und die beiden Gitarristen (von denen einer auch als Teilzeitkeyboarder fungiert) sich ohne weitere Monitorunterstützung hören konnten. Gesang und Keyboards brauchten natürlich Monitoring. Und zum Wohlfühlen gab es doch noch ein wenig Sound von allen Instrumenten auf die Öhrchen, aber die Basis des Monitorsounds kommt von den Amps auf der Bühne. Als netten Nebeneffekt bekommt man so - mit den "quer schiessenden" Amps - einen recht sauberen PA-Sound vor der Bühne. Okay, die Snare ist in dem Zelt so laut, dass sie eigentlich auch ohne PA-Unterstützung auskäme, aber für etwas Hallbeimischung läft sie über die Anlage.
Apropos Hallbeimischung: Wie so manche Digitalprozessoren der älteren Bauart rauscht auch dieser hier deutlich hörbar, also muss man ihn über den AUX-Send so hoch wie möglich ansteuern, ohne ihn zu übersteuern. Dafür kann man dann den Return am Pult niedriger einstellen, und das bedeutet, dass die Nebengeräusche reduziert werden. Würde ich das Gerät leiser anfahren, müsste ich mit dem Return Pegel aufholen, also den Return lauter stellen, und in demselben Maße würden die Störgeräusche ansteigen. Wir schaffen es, das Rauschen unterhalb eines störenden Levels anzusiedeln. Und so funktioniert die Rauschunterdrückung bei günstigeren oder älteren Geräten zum Nulltarif ...
Zurück zu unserem Zelt: Zeltakustik bedeutet Probleme. Für die Bässe ist es wie ein Open Air, also braucht man ordentlich Leistung. Für die Höhen ist es wie in einem Raum, also muss man sich da zurückhalten. Und die Mitten? Reflexionen, Resonanzen, Überhöhungen und Auslöschungen. Ich wünschte, ich hätte einen Analyzer dabei. Nun denn, nach der Methode "Versuch und Irrtum" ziehe ich ein paar Frequenzen im Mitteltonbereich, senke sie dezent ab, und das Klangbild wird etwas ausgewogener. Nicht perfekt, aber man kann damit arbeiten.
Ach ja, während des Soundchecks, der mit Umbau der Combos auf der Bühne, Austarieren der Backline-Lautstärke, Austausch des BassDrum-Mikros und zweier Monitore, Stimmen der Toms am Schlagzeug sowie Einpfeifen des Gesangsmonitorweges und Abmildern der Mittenresonanzen auf der PA doch recht lang dauert, kommen ständig der Veranstalter und seine Assistentin zu mir, ob das denn nachher leiser werde? Klar, wird es. Ich mach meinen Soundcheck immer gerne recht laut und fahre die Show dann geringfügig leiser, dann weiss ich wenigstens, dass wir dann noch etwas Gain before Feedback haben.
Kurz vor 20:30 Uhr - die Show beginnt, das erste Set, der Sound ist okay, die Band in Spiellaune. Auch das Publikum kömmt im Lauf des Abends ganz schön in Fahrt, vor der Bühne geht es zunehmend wilder zu! Bei der Tanzerei wird sicher so mancher Schweisstropfen vergossen. Bei mir stehen immer mal wieder der Veranstalter, aber vor allem seine Assistentin auf der Matte, um den Pegel ein wenig einzudämmen. Na gut ... seufz. Nur beim letzten Set lasse ich es ein wenig mehr krachen, und es macht Spass, den Kickbass der HiSys-4 auf dem Brustkorb zu spüren, wenn der Drummer in die BassDrum tritt. Ach, Musik - das ist doch mindestens die drittschönste Nebensache der Welt!
Zum Sound? Die Bassdrum kickt, die Snare knallt, der Bass schiebt, die Gitarren drücken, die Keyboards tun, was auch immer ich im jeweiligen Song damit anstelle, und der Gesang ist irgendwo zwischen gut eingebettet und schön vorne dran. Dazu muss ich nach Ende des Soundchecks die Gitarren noch ein wenig zähmen - d.h., ihnen im Bereich um 500 bis 800 Hz etwas Pegel nehmen - aber dafür ist der Gesang der Sängerin dann schön vorne dran.
Ein wenig angefressen war ich nur, als nach der Band ein DJ antritt, der der PA so richtig Zunder gibt - so laut waren wir nicht, bei weitem nicht! Aber gut, das scheint das Los der verstärkt spielenden Live-Musiker zu sein, unser Tun wird von den Veranstaltern immer als laut und störend empfunden. Nun denn, wir bauen die Bühne ab, laden ein und empfehlen uns. Ein Abend mit einer guten Band, einem dankbaren Publikum, mit anspruchsvollen Herausforderungen, aber ohne echte Katastrophen - trotz dem Kraftakt, eine Band über vier lange Sets zu mischen, fast schon eine Erholung
Viele Grüße
Jo
€ by livebox: Hab's mal in den Stammtisch reingeschoben - eigentlich passen deine Threads dieser Art dort problemlos rein
MfG