Nochmal zum "Lebensgefühl", dazu schrieb ich schon vor Monaten und viele haben das genau so formuliert: Die jeweils aktuell erfolgreiche Musik muss das Lebensgefühl von Menschen ausdrücken - sonst wäre sie nicht erfolgreich.
... irgendwie geb' ich Dir da recht ... und sehe das aber auch irgendwie manchmal anders. Eins ist aber definitiv interessant und zwar, dass wenn man einen Text betrachtet ohne den Künstler/Verfasser zu kennen, man den evtl. als gut/besser bewerten würde, als wenn man den Verfasser/Künstler nicht kennt.
Das Ganze gibt's auch in einem etwas anderem Rahmen im wissenschaftlichen Diskurs und nennt sich dort Framing, also in welchem Rahmen etwas präsentiert wird. Das wäre auch das was ich da weiter oben schon mal geschrieben habe. Wenn ich dann von Pop-Künstler XYZ einen Songtext lese, finde ich den evtl. tiefgründig oder treffend, wüsste ich dann allerdings dass es Künstler XYZ ist, fände ich den nicht mehr so gut oder selbst wenn mir der Name nix sagt, ich die Musik dazu höre.
Die Frage wäre dann allerdings eher, ist es der Text oder die Musik, welche/r hauptsächlich das Lebensgefühl erzeugt oder ist es dann der größere Rahmen im sozialen Erleben der eigenen kleinen Umwelt mit der Musik oder sogar das soziokulturelle Gesamtbild? ... oh weia, jetzt wird's philosophisch ... aber evtl. ist das auch die beste Herangehensweise!
Musik hatten in den 80ern (also "meiner" Zeit) definitiv eine andere Bedeutung als heute. Sie war allgegenwärtig, sie war omnipräsent.
Nicht nur das, sie war eben auch "begrenzt"! ... heute macht man mal schnell klick klick klick, zack, neuer Song, zack neues Genre, zack neues Medium ... es ist eben da auch vieles beliebig und austauschbar. Welche Medien hatte man als junger Mensch in den 80er/90ern? Schallplatten und MCs, auf letzteren wurden Songs dann evtl. zig mal überspielt und weitergereicht, es wurden etliche Male die Songs aus dem Radio aufgenommen, bis man eine Version in voller Länge und ohne Gequatsche des Moderators oder Werbung hatte ... dann kamen die CDs ... da war die Situation auch nicht anders. Ansonsten gab es noch MTV und die paar wenigen Musiksendungen im TV (Ronny's Pop Show und wie die paar anderen noch so hießen) ... wenn ich da als Kind irgendwas mitbekommen habe, dann war das eine heilige Zeit für mich und ich klebte vor dem TV, wenn ich durfte. ... und dann kam für mich Anfang der 90'er der Livestream aus den heiligen Hallen der Götter - MTV!!! ... und was da für gutes Zeug lief, Rock und Hardrock und Metal in rauhen Mengen. Ich habe mit meinen älteren Geschwistern tagsüber ganze Stunden im Wohnzimmer vor dem TV verbracht. Später lief MTV beim Anfertigen der Hausaufgaben.
Die Stahlkraft und die Vorbildfunktion, die in den 80ern Pop- und Rockstar hatten, liegt in meiner Wahrnehmung heute bei "Youtubern" und "Influencern".
... auch das stimmt, ... da gibt's dann allerdings auch wieder extrem viel und es ist auch da wieder wie bei der Musik, extrem viel, in allen Sparten und Qualitätsspektren. Da hat einfach glaube ich die schiere Vielfalt auch viel zerstört. Irgendwie ist es doch ein wenig Fluch und Segen zugleich, dass da heute jeder was produzieren und online stellen kann. Selbst die meisten, die gute Sachen machen gehen unter und es sind garantiert einige dabei, die früher in den 80ern/90ern das Zeug zum Star oder "Rockgöttern" gehabt hätten, die heute schier untergehen.
Es wird auch unter Jugendlichen immer unbeliebter Musik zu machen. In meinem Abschlussjahrgang und im Jahrgang drüber und drunter gab es zwar auch nicht so megaviele Schüler, die Musik gemacht haben ... aber es gab welche ... da waren rund 6-8 Leute, die in irgendwelchen Bands gespielt haben (Wir haben auch teils immer mal freitags in wechselnder Besetzung im Musiksaal der Schule gejammt und durften alles nutzen was da war, solange nix kaputt ging, geklaut wurde und anschließend sauber gemacht wurde!), es gab einige die zuhause im stillen Kämmerlein Techno aufgelegt, gemixt und produziert haben (von denen einer mittlerweile immerhin seine Brötchen als Electro-Act weltweit verdient) und es gab ein paar die gerappt haben.
Heute ist es unter Jugendlichen allerdings extrem unattraktiv Musik zu machen, bzw. ein Instrument zu spielen. Einige spielen zwar mal irgendwie in der Schule ein bischen Gitarre, Keyboard oder auch mal ein (Blech-)Blasinstrument, aber das geht meist spätestens bis zur 7. Klasse und dann ist Schluss, weil es uncool ist - die wenigsten machen da weiter. Das war irgendwie in den 80ern/90ern auch anders. ... da war auch irgendwie mehr Identifikationspotenzial da und es gab wirklich große Stars. In den 90ern gab es wahrscheinlich nicht viele Menschen, die den Namen Michael Jackson nicht kannten und es gab ja noch mehr solcher Stars! Gibt es solche heute noch? Lady Gaga? Taylor Swift? Miley Cyrus? Bilie Eilish? Katy Perry? ... ich glaube die sind zwar groß, aber noch weit weg vom Ruhm und der Bekanntheit eines Michael Jackson, Metallica, Phil Colins, Red Hot Chili Peppers, Celine Dion, Nirvana oder oder oder in den 80ern/90ern. ... und viele Jugendliche kennen die Namen heute noch und wenn sie nur wissen wer das ist oder auch nur ein oder zwei Songs kennen.
... und wenn all das nicht so wäre, das Musik früher ein mehr an Lebensgefühl war ... warum sind die meisten von uns denn sonst in diesem Forum aktiv? ... weil das irgendwie eine starke Prägung war und seine tiefen Spuren im Leben eines jeden hier hinterlassen hat, dieses alte Lebensgefühl. ... und nicht nur weil wir diskutieren wollen, ob nun diese oder jene Gitarre, Stimmung oder Saitenstärke besser ist, sondern weil es uns doch irgendwie und wenn es nur im verbogenen Inneren ist, um ein kleines Stück davon für uns geht ... der Grund wieso die meisten hier mal die Kochlöffel gegen Drumsticks eingetauscht haben oder zur Gitarre oder einem anderen Instrument gegriffen haben.
Gestern hatte ich mich auch mal so zwischendurch beim Grübeln in einer Leerlaufphase gefragt, wie das eigentlich aktuell mit Hip Hop-Künstlern ist. ... da ist doch auch irgendwie lange nix mehr passiert. Die Größen der 80er/90er sind bekannt und über den Kultstatus von Ice-T, Chuck D, Flavor Flav, Run DMC, Biggie und wie sie alle hießen brauct man auch kein Wort verlieren, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es da spätestens seit dem Wu Tang Clan im englischen bereich und evtl. noch der Welle des deutschen Hip Hop in den 90ern/2000ern und evtl. noch Künstlern wie Fischmob und Deichkind, die dann noch mehr elektronische oder andere Musik mit rein mischten, auch keine großen Innovationen mehr gab. ... heute geht's doch auch nur noch um Weiber, Drogen, Knarren, Beef und wer der krasseste Macker ist. ... das ist auch irgendwie immer gleich, nur die Namen ändern sich und ich hab den Eindruck das Bildungsniveau der Rapper nimmt proportional zur wachsenden Entfernung zum goldenen Zeitalter des Hip Hop ab, insofern die Dummheit nicht nur Show ist.
... und egal welches Musikgenre oder welcher Youtube-Kanal, irgendwie geht es doch massiv nur noch um Selbstdarstellung. Ist Selbstdarstellung dann das neue Lebensgefühl? ... und was hat Selbstdarstellung mit Musik zu tun? Früher war da trotz aller Selbstdarstellung nochwas in der Musik, egal ob im toupierten Style des Glam-/Hairmetal oder im Geboaste des Hip Hop, da ging es doch nicht nur um "dicke Hose", sondern es gab auch immer noch eine Message ... Skid Row - "Youth Gone Wild" ... Public Enemy - "Fight the Power" ... und das ließen sich noch massiv viel mehr Beispiele nennen, selbst als in den 90ern der Ton in diversen Genres rauher und auch gegen Ende der 90er (wieder) kommerzieller wurde.
In meinem Umfeld war Musik in den 80ern/frühen 90ern dagegen so etwas wie Religion. Ich habe viel drüber nachgedacht und meine, dass dieser Schluss nicht nur "Verklärung" ist.
Jawollja, Amen! ... und das spiegelt sich zuletzt nicht nur in all den Musikfilmen aus den 80'ern, 90ern und frühen 2000er wieder!
... und um es auf ein gutes Abschlusswort zu bringen: Rock!
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Ich höre Neofolk
... das war jetzt das Totschlagsargument!


Ich geb' mich geschlagen!

