was ich interessant finde: schaffen es die Firmen (z.b. Zultan) mit dieser Fertigungsweise den Markt zu bedienen?
Wieviel Becken werden denn pro Tag/ Woche für den Versand fertiggestellt?
Das ist eine sehr interessante Frage, und ich weiß die Antwort nicht genau. Aber wir können das vielleicht hochrechnen.
Auf dem Bild mit den Hammerschmieden sehen wir 4 Menschen. Deren Chef sagte mir, wenn die Auftragslage steigt, hätte er Zugriff auf etwa die doppelte Belegschaft und den doppelten "Maschinenpark"... also dann 8 Hammerschmiede. Ein Becken braucht ca 4000 Schläge und dafür benötigt ein Schmied ca 40 Minuten. Wenn er unablässig hämmert könnte er so 1,5 Becken pro Stunde produzieren... das macht bei 8 Schmieden maximal 100 Becken am Tag.
Auf diesem Bild sehen wir eine fertige Charge von Zultan CAZ-Becken für Thomann:
Ich habe sie gezählt, das waren ca 200 Stück. Bei 4 Schmieden also etwa die Wochenproduktion. Wir wurden gebeten, diese Becken nicht anzufassen, weil da keinerlei Fingerabdrücke drauf sein dürfen - dieweil sonst die kritischen Versandhandelskunden (also ihr) die Becken zurückschicken
Ich weiß nicht, wie lange Thomann braucht, diese 200 Becken zu verkaufen, aber ich vermute mal, mehr als eine Woche.
Wir haben erfahren (vom Chef von Istanbul Agop), dass es in Istanbul ca 10-12 Beckenschmieden gibt. Eine davon macht die Byzance-Becken für Meinl. Auch Masterworks kommt afaik aus einer dieser Schmieden. Istanbul Agop ist etwa 1,5x größer als Turkish Cymbals, wo die meisten Zultan Becken hergestellt werden. Der Chef von Istanbul Agop war recht selbstbewusst, aber auch von Respekt vor seinen Konkurrenten geprägt. "Die wissen auch, wie man das macht". Damit meinte er die anderen Hersteller in der Türkei. Ähnlich der Chef von Turkish Cymbals. Die erzählen von den Brüdern Zildjian, die in den 1970er Jahren von Istanbul nach Nordamerika/Kanada migriert sind, und sich dann zerstritten haben... und deren Nachfahren heute mit Zildjian und Sabian die wichtigsten Cymbal-Hersteller der Welt sind. Auch die Istanbul-Brüder Agop und Mehmet haben sich in die Haare gekriegt... und haben die Firma gespalten. Gute Becken herstellen können aber beide.
Der Chef von Istanbul Agop fährt einen 3er BMW, einen guten Mittelklassewagen und war so nett, uns persönlich zur Konkurrenz Amedia zu fahren und ein paar Worte mit dem Chef von Amedia (etwa halb so groß wie Istanbul Agop) zu wechseln. Im BMW erfuhren wir, dass er Armenier ist, politisch gewisse Differenzen zu Erdogan und seiner Regierung sieht, aber ansonsten selbstbewusster Türke ist und stolz auf die Becken, die er mit seinen Leuten herstellt. Bei Nusret, dem Chef von Turkish Cymbals klingt das ähnlich.
Beide sind stolz, haben aber nicht die Weltherrschaft im Visier. Sie haben Respekt vor Zildjian und Sabian, aber jeder ist sicher insgeheim der Meinung, die besseren Becken herzustellen... bei Istanbul gibt es inzwischen eine Hammermaschine, aber der Chef schwört Stein und Bein, dass damit nur bestimmte preisgünstige Serien gehämmert werden, denn die nötige Verdichtung der Bronze ohne dass das Becken "steif" wird, was bei allen eminent wichtig für höchste Qualität zu sein scheint, erreicht man - ihrer Meinung nach - nur durch Handhämmerung.
Bei Turkish Cymbals ist man froh über die guten Aufträge von Thomann für die Fertigung von Zultan und ist sich sehr bewusst, was man dem Label und dem Kunden schuldet. Ich hatte zu keiner Zeit den Eindruck,als würde man auch nur im Traum daran denken, eine CNC-Hämmermaschine zu kaufen, falls die Zultan-Nachfrage steigt.
Das Zultan-Konzept sieht vor, die Produktion der verschiedenen Serien auf mehrere Schmieden zu verteilen. Die wegen des Preises ebenfalls sehr beliebte Serie "Aja", mit der Einsteiger oft die grauenhaften Messingbleche ihrer Einsteiger-Komplett-Sets ersetzen, besteht auch aus handgehämmerter Bronze, wird aber in China hergestellt. Höchst begehrt sind da zB die trashigen Zultan Aja Chinatypes...
Wir haben auch mit Zultan nicht vor, die Weltherrschaft zu erlangen. Letztlich ist es unser Baby (von Martin und von mir) und es macht uns Spaß, dass wir auch heute noch am Konzept mitarbeiten dürfen.
Unsere Idee war (vor ca 10 Jahren), die sehr hochwertigen türkischen Cymbals zu wirklich coolen Preisen an die Musiker zu bringen. Wir waren ja beileibe nicht die einzigen, die festgestellt haben, dass die Türken gute Cymbals herstellen. Was wir mit Zultan anders gemacht haben ist: Keine Endorser, keine teure Werbung, keine Testberichte in Fachmagazinen (die teure Werbung voraussetzen) und vor allem keinen teuren, flächendeckenden Vertrieb. Wir haben aber nie die türkischen Hersteller zu niedrigeren Preisen erpresst, weil wir wussten, dass dann ein Becken irgendwann nur noch mit 3000 statt 4000 Hammerschlägen hergestellt werden würde...
So war es eben möglich, zu sensationellen Preisen echte "hand hammered" Qualität anzubieten.
Thomann führt dieses Konzept fort. Wir wissen nicht, was passieren würde, wenn jetzt plötzlich die ganze Welt Zultan Becken spielen möchte... man könnte sicher noch etwas mehr produzieren, man könnte neuere Walzen und bessere Öfen anschaffen, aber an der Handhämmerung führt mMn kein Weg vorbei.